Allermöhe. Bäcker Heinz macht Brot teurer. Wegen Energiekrise rechnen Branchenvertreter mit Geschäftsaufgaben. Wen es zuerst treffen dürfte.
Die Bäcker haben aufgrund der Kostenexplosion infolge der Energiekrise und bei den Materialpreisen, wie andere Branchen auch, massive Probleme. Bäcker Heinz Hintelmann (69), der sich auch im Vorstand der Bäckerinnung Hamburg engagiert, hat deshalb Lokalpolitiker von SPD, CDU, FDP, Grünen und Linke in seinem Hauptgeschäft im Schleusenhörn 3 in Allermöhe über die aktuelle Situation informiert.
Schon morgens um 6.30 Uhr führt Hintelmann seine Gäste, darunter auch Doris Boxhammer (Handwerkskammer Hamburg) und Jan Loleit, Geschäftsführer der Bäcker- und Konditorenvereinigung Nord, durch die Backstube hinter dem kleinen Ladengeschäft am Schleusenhörn. Hintelmann hat 2019 rund 250.000 Euro in die Modernisierung seiner Backstube investiert, unter anderem in ein Wärme-Rückgewinnungs-System, mit dem der Garraum aufgeheizt wird. „Im Garraum wurden die Wände besser isoliert, wir haben neue Kompressoren für den Froster, der die Temperatur konstant bei minus 18 Grad hält“, sagt er. Durch diese technischen Neuerungen werde Energie eingespart. Doch er könne den Froster nicht bei Bedarf einfach abschalten: „Die Anlage muss mit mindestens fünf Grad minus weiterlaufen, sonst bildet sich Schimmel.“
Energiekrise: Bäcker Heinz ist dank neuer Technik verhältnismäßig gut aufgestellt
Hintelmann ist froh, längst in die Technik investiert zu haben: „Heute wären solche Investitionen viel schwieriger zu tätigen.“ Er stehe auch in Krisenzeiten noch verhältnismäßig gut da, sagt der Unternehmer: „Ich bin meinen Partnern treu, andere Kollegen waren sprunghaft, immer auf der Suche nach den günstigsten Partnern. Das zahlt sich nun für mich aus.“ Zudem habe er treue Kunden und – im Vergleich mit der City – weniger Mitbewerber.
„Wir optimieren unsere Arbeitsprozesse permanent und verbessern energietechnisch, was möglich ist“, sagt Hintelmann. Der Wirkungsradius sei allerdings überschaubar. „Wir backen nicht mehr in den Läden, sondern nur noch hier im Hauptgeschäft. Das ist günstiger“, sagt der Bäckermeister, der neben dem Haupthaus vier Filialen und zwei Verkaufswagen betreibt und 40 Mitarbeiter beschäftigt. „In den Filialen bleibt zudem jeweils ein Kühlschrank leer und aus.“ Große Einsparmöglichkeiten habe er allerdings nicht. Deswegen setzt Hintelmann auf viele kleinere Maßnahmen: „Wir haben die Auswahl an Backwaren verschlankt und werden sie weiterhin verschlanken.“ Von den Sorten, die es weiterhin gibt, würden wiederum größere Chargen produziert.
Kostenexplosion: Bäcker Heinz muss Preis für Brot abermals anheben
Vergangenes Jahr habe er für 100 Kilogramm Mehl 30 Euro bezahlt, heute würden dafür 70 bis 80 Euro verlangt. Der Preis für Dinkelmehl sei um immerhin 50 Prozent auf 90 Euro je 100 Kilogramm gestiegen. Erneut werden deshalb auch die Preise für Backwaren von Bäcker Heinz erhöht: Sie waren erst im Februar gestiegen, „zum 1. Dezember wird es eine weitere Preiserhöhung geben“. Ihm sei klar, dass dann einige Kunden abspringen werden, trotzdem sei er durch die enorm gestiegenen Betriebskosten dazu gezwungen.
Etwa ein Viertel der Bäcker in Norddeutschland werde kurz- und mittelfristig aus alten Verträgen mit den Strom- und Gasanbietern rausfallen, auch weil mehrere Gasanbieter in Hamburg insolvent seien, sagt Verbandsgeschäftsführer Jan Loleit. „Für diese Bäcker werden sich die Energiekosten schnell verdreifachen.“ Deshalb sei vor allem für 2023 mit diversen Insolvenzen in der Branche zu rechnen. „Ein Problem ist, dass die Betriebe – im Gegensatz zu Privatleuten – nicht von der günstigeren Grundversorgung profitieren können.“ Zwei bis vier Prozent der Gesamtausgaben der Bäcker würden die Energiekosten ausmachen. „Dieser Anteil wird nun deutlich ansteigen“, sagt Loleit.
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Hintelmann betont, dass gerade den Mitbewerbern die Insolvenz drohe, „die zu günstig waren, die uns Handwerksbetriebe immer wieder unterboten haben“. Der Bäckermeister kritisiert, dass der Staat das energieintensive Bäckerhandwerk bisher nicht subventioniere: „Das hätte sich für alle, auch für die Kunden, bezahlt gemacht.“ Jörg Froh (CDU) empfahl den Innungsvertretern, sich direkt an Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) zu wenden, um Sonderverträge für alle Bäcker auszuhandeln. Dazu Loleit: „Die Bundesländer hoffen alle auf einen Hilfsfonds für die Wirtschaft, warten alle ab, dass bundesweit etwas passiert.“