Ochsenwerder/Busan. Der eine sammelte alles zur Geschichte der Unterseeboote, der andere fuhr selbst auf den Schiffen. Eine ungewöhnliche Freundschaft.
U-Boote, speziell die deutschen Untersee-Boote, die im Zweiten Weltkrieg unterwegs waren, haben Walter Storbeck schon als jungen Mann fasziniert. Im Laufe von 34 Jahren trug er eine riesige Sammlung zum Thema U-Boote zusammen. Doch Storbeck musste vor einem Umzug innerhalb Ochsenwerders Ballast abwerfen und seine Sammlung auflösen. Der 72-Jährige verkaufte sie „zum Freundschaftspreis im unteren fünfstelligen Bereich“ an Il Choi (59), einen früheren U-Boot-Kommandanten aus Busan im Süden Südkoreas.
Il Choi dürfte mindestens ebenso „U-Boot-verrückt“ sein wie Storbeck. Er hat mit der umfangreichen Sammlung ein Museum in einem Marinestützpunkt nahe Busan (vier Millionen Einwohner), der zweitgrößten Stadt Südkoreas, eingerichtet. In dem mehrstöckigen Haus finden sich nun all die Dinge, die Storbeck jahrzehntelang zusammengetragen hat.
U-Boote: Sammlung von Walter Storbeck ist jetzt Teil eines Museums
Und das ist einiges: Bücher, Bildbände, mehr als 1300 Aktenordner voller Daten, Fakten und Zahlen, historische Fotografien, Flaggen, Wimpel, Abzeichen, Orden, Uniformen, Urkunden, U-Boot-Modelle, Postkarten mit Bordstempeln, Hefte, Zeitschriften und vieles mehr zu U-Booten aus aller Herren Länder.
Fast alle Ausstellungsstücke wurden von Hamburg aus verschifft. „Il Choi selbst hat U-Boot-Modelle gesammelt, die er nun auch ausstellt“, sagt Storbeck. Der Marschländer hat lediglich 16 Bücher behalten – „Nachschlagewerke, die ich meist aus Nachlässen erhalten hatte und die sowieso doppelt vorlagen.“ Alles andere wurde per Container verschifft, „in 300 großen Umzugskartons, zudem noch Möbel für die Archivierung. Unsere Fracht wog gut 3900 Kilogramm“, sagt Storbeck.
Musuem in Korea zeigt auch Artikel aus der Bergedorfer Zeitung
Choi spricht perfekt Deutsch, kann auch die Dokumente und Bücher in deutscher Sprache lesen, die ihm sein Freund Walter Storbeck überlassen hat. „Er übersetzt Museumsbesuchern die Texte“, sagt Storbeck. Englischsprachige Literatur sei generell kein Problem, weiß der Senior. „Die kann in Südkorea jeder lesen.“ Choi habe sogar ein Buch (in koreanisch) über seinen Werdegang, seine Sammlung und seine Freundschaft mit Storbeck verfasst, im Eigenverlag. Es ist im Museum erhältlich. Dort werden auch Artikel aus unserer Zeitung ausgestellt, die über Storbeck und Choi berichten.
Der Koreaner, der seit mehr als 20 Jahren mit Storbeck befreundet ist, arbeitete als After Sales Manager in seiner Heimat für den deutschen U-Boot-Hersteller thyssenkrupp Marine Systems (tkMS, ehemals HDW) mit Sitz in Kiel, war für das Unternehmen oft in Deutschland. Er betreut die von Südkorea erworbenen U-Boote, bietet auch technischen Support. Die südkoreanische Marine kauft das Innenleben der U-Boote samt Torpedos in Deutschland und baut die Hüllen selbst.
Choi war als Soldat in den beiden Bootstypen im Einsatz, über die die Marine verfügt – 209 und 214. „Il war einer der ersten U-Boot-Fahrer in Südkorea. In Bootstyp 214 war er sogar der erste Kommandant weltweit“, sagt Storbeck. Seit 2021 ist Choi im Ruhestand. Seine neugewonnene Freizeit nutzt er für die Arbeit in dem riesigen Archiv. Geld verdient er damit nicht, denn der Eintritt ist frei. Im Gegenteil: Für die Räume im ersten Stockwerk und in einem ausgebauten Dachgeschoss zahlt er Miete. „Il Choi geht es um den Austausch mit anderen U-Boot-Interessierten. Er betreibt diesen Aufwand, weil es sein Hobby ist und weil er es sich leisten kann“, sagt Storbeck.
Südkoreanische U-Boot-Fahrer werden in dem Museum unterrichtet
Bezahlt wird Choi hingegen für den Unterricht, den er in seinen neuen Räumen gibt: Wöchentlich lehrt er südkoreanische U-Boot-Fahrer im Auftrag der Marine die historischen Entwicklung der Unterseeboote. „Das geht den ganzen Tag, ist Teil der Ausbildung“, weiß Walter Storbeck.
Die Museumsbesucher kommen aus der ganzen Welt, darunter Deutsche, die bei tkMS arbeiten und sich beruflich in Busan aufhalten. „Vor allem aber sind es ehemalige Marine-Kameraden von Il Choi, die historisch interessiert sind“, sagt Storbeck und fügt hinzu: „Il Choi ist einer der bekanntesten Marine-Angehörigen in Südkorea.“
Storbeck wollte nach seiner Lehre als Maschinenschlosser bei der Hanseatischen Motorenbau-Gesellschaft (HMG) am Weidenbaumsweg in Bergedorf, wo er unter anderem Dieselmotoren für Schiffe baute, eigentlich zur See fahren. Doch die Bundeswehr machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Nach dem Wehrdienst fuhr er dann doch zur See, arbeitete Anfang der 70er-Jahre zweieinhalb Jahre lang bei der Handelsschifffahrt. Als seine erste Frau 1974 ihr erstes Kind bekam, blieb er lieber zu Hause und suchte sich einen Job an Land, als Berufskraftfahrer.
Walter Storbecks Interesse an U-Booten wurde zufällig geweckt
Sein Interesse an U-Booten wurde geweckt, als er 1984 in einem Café zufällig mit einem älteren Herrn, Wilhelm Grap (†), ins Gespräch kam. Storbeck hörte den Erzählungen des U-Boot-Veteranen aus dem Zweiten Weltkrieg gespannt zu. „Ich habe Herrn Grap sogar besucht, um mehr zu erfahren, mir Bücher über U-Boot-Technik besorgt.“
Über den Senior lernte Storbeck die Hamburger U-Boot-Kameradschaft kennen, (ehemalige) Soldaten, die sich regelmäßig zum Frühschoppen im Hotel Stadt Altona trafen. „Unter den 30 bis 40 Mitgliedern beim Frühschoppen war ich der einzige Nicht-U-Boot-Fahrer“, sagt er. Storbeck traf dort vor 22 Jahren auch Choi. Der war seit 1990 häufig in Deutschland für seine Aus- und Weiterbildung als U-Boot-Fahrer.
Inzwischen war Storbeck viermal zu Besuch bei Choi in Korea, zuletzt 2019, auch bei großen Feiern, etwa als der Soldat befördert wurde. Das neue, im vergangenen Jahr eröffnete Museum kennt er bisher nur von Bildern. „Walter ist sehr bekannt unter den U-Boot-Soldaten in meiner Heimat“, sagt Choi. „Dort hat er den Ruf eines hervorragend informierten Beraters. Wenn Walter in Korea ist, kommen alle U-Boot-Leute und wollen mit ihm ein Bier trinken.“
Storbeck hat dort auch in Schulen Vorträge über U-Boote gehalten. Chois älteste Tochter fungierte als Übersetzerin. Am 15. Mai, Chois 60. Geburtstag, ist der Koreaner in Ochsenwerder zu Gast: „Zuvor ist er in Thessaloniki in Griechenland bei einem internationalen U-Boot-Fahrer-Treffen. Anschließend kommt er mit seiner Frau zu Besuch zu mir und meiner Frau“, sagt Storbeck.
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Der Marschländer geht davon aus, dass er noch in diesem Jahr einen Gegenbesuch macht: „Ich habe Il Choi auch mehr als 40.000 Reproduktionen von Fotografien und die dazugehörigen Negative vermacht – Bilder von U-Booten und deren Besatzungen. Die alten Aufnahmen hatte ich über die Jahre allesamt abfotografiert. Sie müssen noch sortiert werden. Das schafft Il Choi nicht ohne meine Hilfe.“
Storbeck freut sich, dass seine Sammlung von Choi beisammengehalten und ergänzt wird. Die Dokumente, die der 72-Jährige über Jahre zu Kriegsschiffen und U-Booten im Ersten Weltkrieg zusammengetragen hat, lagern übrigens in einem weiteren Museum, im Marine-Museum in Stralsund.