Ochsenwerder. Knuth Witt geht nach 43 Jahren bei der Polizei in Ruhestand. Er hat viel erlebt und erinnert sich an schöne, aber auch traurige Momente.

Es war im Mai vor zwei Jahren: Knuth Witt saß am Steuer seines Streifenwagensund stand gerade an der Kreuzung Andreas-Meyer-Straße/Halskestraße als über Funk flüchtige Einbrecher gemeldet wurden. Die Männer waren an der Ochsenwerder Landstraße bei einem Einbruch auf frischer Tat ertappt worden und mit dem Auto vom Tatort getürmt. Das Kennzeichen aber war bekannt und wurde nun ebenso über Funk durchgegeben.

Und die Buchstaben und Ziffernfolge entdeckte Knuth Witt doch tatsächlich bei dem Fahrzeug, das ihm an der Kreuzung gegenüberstand. Der Hauptkommissar stellte seinen Streifenwagen quer und schnappte die Einbrecher mithilfe von Kollegen. „Das sind die Momente, wofür man Polizist geworden ist. Das macht richtig Spaß“, sagt der Dorfsheriff von Ochsenwerder und Moorfleet.

Davidwache: Auf der Reeperbahn ermittelte Witt als Zivilfahnder im Drogenmilieu

Nun kamen die Einbrecher vor Gericht. Es wird wohl der letzte Prozess gewesen sein, bei dem Knuth Witt in seiner Funktion als Hauptkommissar als Zeuge geladen war. Denn es bleiben nur noch wenige Wochen, dann verabschiedet sich der 59-Jährige in den Ruhestand. Da er im März seinen 60. Geburtstag feiert, endet seine Dienstzeit offiziell Ende März. Doch mit dem Abbau von Überstunden und Resturlaub wird er bereits im Februar seinen letzten Arbeitstag als Dorfsheriff antreten – und dann geht es ab auf die Ski. „Das muss ich haben“, sagt der Mann, der seit seinem 13. Lebensjahr kaum ein Jahr auf der Piste verpasst hat.

In seiner Polizeilaufbahn hat Knuth Witt viele unterschiedliche Einsatzbereiche durchlaufen: Wie so viele Berufsanfänger vor und nach ihm war er bei der Bereitschaftspolizei und in einer Einsatz-Hundertschaft, später im Aufklärungs- und dann auch Wasserwerferzug. Danach war er als Zivilfahnder der Davidwache auf der Reeperbahn unterwegs, wo sein Schwerpunkt auf der Drogenkriminalität lag.

Vom Kiez ging es weiter in den Führungs- und Lagedienst – und schließlich hinaus aufs Land. Zuvor lautete seine Maxime, alle sieben Jahre die Dienststelle zu wechseln. Doch er wusste, dass er diese brechen würde, als er im September 2011 den Polizeiposten Ochsenwerder/Moorfleet übernahm. Er kam er, um bis zu seinem Ruhestand zu bleiben, erinnert sich Knuth Witt.

Knuth Witt (l.) und Polizeiposten-Kollege André Suhr, der 2021 Pension ging, bei einer Laser-Kontrolle im Jahr 2015 am Durchdeich. Das Ziel: Vor der Schule sollen Autofahrer den Fuß vom Gas nehmen.
Knuth Witt (l.) und Polizeiposten-Kollege André Suhr, der 2021 Pension ging, bei einer Laser-Kontrolle im Jahr 2015 am Durchdeich. Das Ziel: Vor der Schule sollen Autofahrer den Fuß vom Gas nehmen. © Schwirten

Knuth Witt schätzt Zusammenarbeit mit der Feuerwehr

Der steht nun unmittelbar bevor: Er habe das Dorf über die Jahre lieb gewonnen – in dienstlicher und auch in privater Sicht. Knuth Witt ist gern für einen Schnack zu haben und lässt bei Bagatellen auch mal Fünfe gerade sein. Bei Straftaten allerdings kennt der Schutzmann kein Erbarmen: „Das ist meine Überzeugung und da lasse ich auch nicht mit mir reden.“

Ob zum Schäfer, Jäger oder Wegewart, zur Müllabfuhr oder dem Bezirksamt: Den direkten Draht hat Knuth Witt immer sehr geschätzt. „Das war schönes, schnelles arbeiten“, sagt er. Vor allem auch die Zusammenarbeit mit „seinen drei Feuerwehren“ aus Neudorf, Spadenland und Moorfleet. „Wie sie sich zu jeder Tages- und Nachtzeit aufopfern, um Leben zu retten, da kann ich nur meinen Hut ziehen“, sagt Knuth Witt.

Sein Einsatzgebiet, das von der Elbe mit seinem Deich bis zu Ikea, der Justizvollzugsanstalt Billwerder und auch schon mal der Autobahn reicht, habe ihm ein „buntes Potpourri“ an Einsätzen beschert. „Es ist ein interessanter Bereich, über mangelnde Arbeit konnte ich mich nicht beklagen“, resümiert der 59-Jährige.

Tödlicher Unfall einer Familie bleibt in Erinnerung

Einige Einsätze bleiben natürlich in besonderer Erinnerung: Dazu zählen der Fund von acht Autowracks auf dem Grund der Stromelbe auf Höhe der Marschländer Elblounge ebenso wie eine entgleiste und vom Bahndamm auf die Straße abgestürzte Diesellok am Mittleren Landweg und auch der tödliche Unfall einer vierköpfigen Familie aus Neuallermöhe auf der Autobahn.

November 2011: Kurz vor dem S-Bahnhof Mittlerer Landweg ist eine Diesellok entgleist und an einer Brücke auf die Straße gestürzt. Menschen wurden bei dem Unfall nicht verletzt.
November 2011: Kurz vor dem S-Bahnhof Mittlerer Landweg ist eine Diesellok entgleist und an einer Brücke auf die Straße gestürzt. Menschen wurden bei dem Unfall nicht verletzt. © picture alliance / dpa | Daniel Bockwoldt

Ob Verkehrsunfälle und andere Einsätze im Straßenverkehr, Einbrüche in Haus und Hof, Streife fahren oder den Kontakt zu Bürgerinnen, Bürgern und Geschäftsleuten im Einsatzgebiet halten – in das Aufgabengebiet eines Polizeipostens fällt alles, was ein sogenannter Alleinfahrer erledigen kann. Das sei auch die besondere Herausforderung eines Dorfsheriffs: Größtenteils auf sich allein gestellt zu sein, erklärt Knuth Witt. Zudem seien viele Einsätze nicht beendet, sobald der Bericht dazu geschrieben ist. „Man wird teilweise auch noch Monate oder Jahre später als Ansprechpartner gebraucht, hört sich Sorgen und Nöte an, kennt die Menschen persönlich“, sagt der Hauptkommissar.

Prägende Begegnung mit einem Motorradpolizist im Kindesalter

Besonders am Herzen lag dem Vater von zwei erwachsenen Zwillingstöchtern die präventive Arbeit. Er wollte lieber Betrügereien vorbeugen und über fiese Maschen aufklären statt nach vollzogener Tat die Täter ermitteln. Knuth Witt wollte ein positives Bild vom Beamten in Uniform vermitteln – ob bei Kindern in Schule oder Kindergarten bis hin zu älteren Damen und Herren im Seniorenkreis.

Auch ihn selbst soll eine Begegnung mit einem Polizisten im Kindesalter geprägt und den Weg zum Schutzmann geebnet haben: Damals ging seine Mutter mit ihm einkaufen und vor dem Supermarkt trafen sie auf einen Motorradpolizisten. In Anwesenheit des Schutzmanns habe sie ihren Sohn ermahnt: „Wenn du nicht artig bist, dann holt er dich.“ So negativ wollte der Polizist bei dem Sprössling aber offenbar nicht in Erinnerung bleiben: Er schnappte sich den kleinen Knuth und drehte mit ihm eine Runde auf dem Supermarkt-Parkplatz.

Künftig will er viel auf zwei Rädern unterwegs sein

„Das soll mich sehr beeindruckt haben. Auch wenn ich mich selbst nicht mehr daran erinnern kann“, sagt Knuth Witt. Er selbst spürt aber auch gern den Lenker eines Motorrades in den Händen: Schon seit Jahren ist er Teil der Motorradstaffel der Polizei, die mit ihren Oldtimer-BMW-Maschinen für Showeinlagen sorgen. „Da werde ich auch weiterhin mitmachen“, berichtet Knuth Witt, der in seiner Freizeit auch gern Fahrrad fährt, bei den Supersenioren Fußball spielt und auch den Schiri-Schein besitzt.

Langweilig werde es ihm daher schon nicht im Ruhestand, vor allem Reisen steht dabei hoch im Kurs: Da ihm sein Urlaub bisher für schlechtes Wetter zu schade war, möchte er es künftig wagen, mit dem Motorrad auch mal im kälteren Teil des Kontinents unterwegs zu sein. „Die nordischen Ländern habe ich noch nie bereist.“ Und auch in wärmeren Gefilden möchte er auf zwei Rädern unterwegs sein: „Mein Traum ist es, Südeuropa mit dem Fahrrad zu umrunden.“

Training für die Polizeishow in der Sporthalle Hamburg im Jahr 2013: Knuth Witt mit Polizeiposten-Kollegin Nicole de Vries aus Zollenspieker und Mirko Streiber, damals Pressesprecher, heute Vizepräsident der Polizei Hamburg.
Training für die Polizeishow in der Sporthalle Hamburg im Jahr 2013: Knuth Witt mit Polizeiposten-Kollegin Nicole de Vries aus Zollenspieker und Mirko Streiber, damals Pressesprecher, heute Vizepräsident der Polizei Hamburg. © Thomas Heyen

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Dass seine Dienstzeit als Polizist nun nach 43 Jahren zu Ende geht, sei für ihn noch nicht richtig greifbar. Wahrscheinlich werde es sich erstmal wie ein langer Urlaub anfühlen, bevor er realisiere, dass statt Uniform bald nur noch Freizeitkleidung getragen werden kann. Dem Landgebiet wird er auch im Ruhestand treu bleiben und die gemietete Doppelhaushälfte am Gauerter Hauptdeich weiterhin mit seiner Lebensgefährtin bewohnen. „Es ist traumhaft schön hier und wir haben eine tolle Nachbarschaft“, stellt Knuth Witt fest. Wenn das Polizeischild abgebaut und das Büro aus dem Untergeschoss ausgezogen sind, gibt es für den Raum auch schon konkrete Pläne: „Das wird ein Ankleidezimmer“, verrät der Hauptkommissar.

Knuth Witt ist nur der erste von drei Dorfsheriffs, die in diesem Jahr pensioniert werden. Auf ihn folgen Matthias Lange in Curslack/Neuengamme im Mai und im Sommer Martin Langfeld in Altengamme. Für alle drei Polizeiposten stehen bereits Nachfolger fest, beziehungsweise im Fall von Knuth Witt eine Nachfolgerin: Kommissarin Kirsten Falinski hat bereits vor einiger Zeit bei Knuth Witt hospitiert und dabei einen ersten Eindruck von ihrem künftigen Postengebiet und Aufgaben bekommen. Vor einem Dreivierteljahr ist die 44-Jährige an die Bergedorfer Wache gewechselt und fährt nun seit Anfang des Jahres mit Knuth Witt Streife. „Wenn sie offiziell im April startet, kennt sie sich in ihrem neuen Revier bestens aus“, ist ihr Vorgänger überzeugt.