In Billwerder durchbrach eine 72 Tonnen schwere Lokomotive einen Prellbock und fiel sieben Meter tief. Niemand wurde bei dem Unglück verletzt.

Hamburg. Sie ist 12,61 Meter lang, 3,11 Meter breit, 72 Tonnen schwer, bis zu 79 km/h schnell und stand bis gestern Abend mit der Nase auf der Fahrbahn des Mittleren Landwegs in Billwerder: Eine Diesellok der Teutoburger Wald-Eisenbahn (TWE) ist bei einer Ausbildungsfahrt über ein Sackgassengleis hinausgeschossen und neben einer Brücke gut sieben Meter tief herabgestürzt. Mit der Nase stand sie auf der Fahrbahn, das Heck noch auf dem Brückensims. Verletzt wurde bei dem Unglück in der Nacht niemand. Der Lokführer, 49, und ein ebenfalls im Führerhaus mitfahrender Auszubildender, 28, der Wagenmeister und Rangierbegleiter lernt, retteten sich vor dem offenbar absehbaren Absturz mit beherzten Sprüngen auf die Gleise.

In einem grauen Häuschen an der Brücke wohnt Gisela Iserloth. Die 67-Jährige war eine der Ersten, die das Unglück bemerkten, es sogar spürten. Wie bei einem Erdbeben soll der Boden gebebt haben, als die schwere Lok gegen 3.25 Uhr aus dem Gleis kippte und sieben Meter tief auf die Straße stürzte, den Prellbock vor sich herschiebend. "Es gab einen lauten Knall", sagt Gisela Iserloth, die seit mehr als 40 Jahren neben den Gleisen wohnt und sich in Bademantel und Hausschuhen in die Kälte traut, "und dann bin ich gleich auf die Straße gerannt und habe die Feuerwehr gerufen." Die beiden Lokführer sah sie oben auf der Brücke stehen.

+++ Privatbahn aus Westfalen +++

Die Lok, die vor allem beim Rangieren benutzt wird, hat ein großes Teil der Brückenmauer abgerissen. Klinkersteine, ganze Mauerbrocken lagen noch gestern Nachmittag auf der Straße, dazu Buschwerk und Äste, die der Zug mitgerissen hatte. Die Verkleidung an den beiden Seiten hat sich aufgeschoben, gibt den Blick auf den mächtigen Motorblock frei. Ein Großteil des Diesels aus dem beschädigten 1000-Liter-Tank konnte die Feuerwehr auffangen.

Die Bergung der havarierten Bahn gestaltete sich äußerst kompliziert, da unter der Straße Gasleitungen verlaufen und zunächst nicht klar war, ob sie dem Gewicht von Lokomotive und Schwerlastkran standhalten würden, weshalb die Straße mit einem Kiesbett und Holzbohlen verstärkt wurde, bevor der Spezialkran vorfuhr. Zweimal wurde die Diesellok an den Stahlseilen des Krans befestigt. Erst wurde sie quer zur Fahrbahn gehoben, dann noch einmal gedreht und wurde schließlich kurz vor Mitternacht auf einen Schwerlasttransporter gesetzt und abtransportiert.

Ermittler der Bundespolizei sicherten akribisch Spuren. Der Lokführer und sein Begleiter - sie kamen gestern in einem Hotel unter - schweigen zum Unfallhergang. Wie der Einsatzleiter der Bundespolizei, Thomas Conrad, erklärte, inspizierten Experten noch das Führerhaus der Lok, um die Stellungen der Schalter und anderen Bedienelemente sowie des sogenannten Fahrwegspeichers zu analysieren.

Bundespolizei-Sprecher Rüdiger Carstens sagte: "Außer den beiden Insassen gibt es keine Augenzeugen. Die Ermittlungen werden einige Tage in Anspruch nehmen." Atemalkoholmessungen beim Lokführer und seinem Begleiter ergaben jeweils null Promille.

Die Lok der TWE war mit sechs Leerwaggons auf einer Ausbildungsfahrt, bei der dem 28-Jährigen technische und fahrerische Details der Rangierlok vermittelt werden sollten. Offenbar steuerte der jüngere der beiden Männer die Lok, als das Unglück geschah. Ob dies im Sinne der Ausbildung geschah, ist bislang ungewiss.

"Wir haben noch nicht genug gesicherte Erkenntnisse, um zu dem Vorfall Stellung zu nehmen", sagte eine Sprecherin der Gesellschaft Captrain, unter deren Dach auch die TWE betrieben wird. Nach ersten Ermittlungen könnte es kurz vor dem Unfall zu einem Weichenstellfehler gekommen sein. Die Leerwaggons sollten für einen Kunden in Billwerder rangiert werden.

Während der schwierigen Bergungsarbeiten konnten die Bahnen der S 21 nicht an der Station Mittlerer Landweg halten.