Bergedorf. Maria Westberg, Vize-Fraktionschefin der Bergedorfer Linken, über die Bundespolitikerin. Was sie nach 2024 plant.
Sie zeigt, dass es niemals verkehrt ist, im fortgeschrittenen Alter körperlich und geistig fit zu sein: Auch im stolzen Alter von 60 Jahren geht Maria Westberg, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Bergedorfer Links-Partei, voran. So war es für die Sozialarbeiterin im Ruhestand auch eine Selbstverständlichkeit, zu unserer Serie „Kurzbesuch aus der Politik“ in die bz-Redaktion zu kommen und somit den Abschluss zu bilden. Apropos: Wie die 60-Jährige unserem Redakteur Jan Schubert verriet, muss 2024 für sie politisch noch längst nicht Schluss sein.
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bz: Als wir Sie im Frühjahr zu einer Stellungnahme zur Idee der Zwischennutzung des nun abgerissenen Karstadt-Gebäudes als Tagesstätte für Obdachlose sprechen wollten, erreichten wir Sie telefonisch im Langlauf-Urlaub. Wann planen Sie Ihr nächstes Abenteuer im Schnee?
Maria Westberg: Ich glaube, das dauert noch ein bisschen. Ich habe beim letzten Mal feststellen müssen, dass ich nicht mehr sicher auf Langlaufskiern laufen kann. Ich habe das insgesamt ein paar Mal gemacht in den vergangenen 30 Jahren. Deshalb habe ich mit dem Langlauf bei meinem letzten Urlaub in Oberstdorf aufgehört und stattdessen ein paar schöne Winterwanderungen gemacht. Vier bis sechs Stunden an der frischen Luft spazieren, in einer netten Hütte einkehren – das war sehr schön.
Und in dieser Saison verzichten Sie also auf die Berge?
Mein Mann und ich fahren bald mal wieder nach Schweden zu unserer Tochter. Sie arbeitet beim schwedischen Staat als Umweltingenieurin und sorgt dafür, dass aus Bioabfällen Biogas entsteht, mit dem die Fahrzeuge der Stadt und des Staates betankt werden.
Das wäre in der aktuellen Situation ja jemand, den wir sehr gut in Deutschland brauchen könnten.
Meine Tochter braucht viel Gelände, sie hat drei Pferde, drei Katzen, 25 Hühner, das wird hierzulande leider ein wenig schwierig.
Wenn Sie nicht gerade durch den Schnee wandern, in Schweden unterwegs sind oder als leidenschaftliche Politikerin für soziale und Integrationsthemen kämpfen: Wobei können Sie am besten genießen?
Zum Beispiel beim Essen und Kochen. Aber ich brauche auch immer ein gewisses Maß an Bewegung für mich, fahre regelmäßig auf dem Crosstrainer und dem Ergometer, hüpfe auf dem Trampolin. Das brauche ich zu meiner Entspannung. Und ich spiele Klavier. Da finde ich auch Ablenkung, Erholung drin. Ich bin ein sehr strukturierter Mensch, und ich weiß seit vielen Jahren, was gut für mich ist. Mein Mann und ich gehen oft und gern spazieren. Das ist die Grundlage, die ich brauche, um auch politisch aktiv zu sein.
Sie gelten als Verfechterin von Neuallermöhe nicht zuletzt deshalb, weil Sie dort leben. Was macht das für Sie aus, dort zu leben?
S-Bahn-Anschluss, Geschäfte, Ärzte, grüne Welt - das ist das Entscheidende. Gerade die Grün-Möglichkeiten sind in Neuallermöhe hervorragend und ebenso zu erreichen. Wir können zum Westensee, Allermöher See, zur Dove-Elbe oder zum Eichbaumsee unkompliziert fußläufig hinkommen ebenso wie zur Bille nach Boberg. Das habe ich in den zwölf Jahren, in denen ich dort lebe, total zu schätzen gelernt.
Was kann man denn tun, um das vielerorts eher negative Image dieses Stadtteils anzuheben?
In Neuallermöhe leben viele verschiedene Nationen. Das muss man zunächst einmal feststellen. Auch aus den russisch orientierten Kleinstaaten wie Kasachstan und anderen. Die genießen es natürlich, mit ihren Landsleuten russisch sprechen zu können. Das hört man eben häufig auf der Straße. Ich finde das völlig legitim, die meisten Russen können auch hervorragend Deutsch. An der Stelle müssen wir in Neuallermöhe nichts ablegen. Wir brauchen weitere Angebote des KulturA, des Stadtteilbüros, die sich verstetigen müssen, aber auch etwas für Kinder und Jugendliche zum Beispiel im Juzena, wo es seit zehn Jahren einen Wasserschaden gibt und das Gebäude nicht komplett genutzt werden kann. Das alles muss eben auch zur Verfügung gestellt werden, denn es leben in Neuallermöhe auch viele Menschen, die arm sind. Der Anteil der Kinderarmut liegt bei 20 Prozent, das ist sehr hoch.
Wie ist denn ihr Russisch?
(lacht) Ich kann überhaupt kein Russisch. In Sprachen war ich schon immer saumäßig schlecht.
Nicht schlecht, aber eher hoch ist der Altersdurchschnitt der Linken-Fraktion in Bergedorf. Wo ist der Nachwuchs?
In den Ausschüssen und auch bei den nächsten Wahlen zur Bezirksversammlung werden wir mit jüngeren Kandidaten antreten. Wir sind faktisch die älteste Fraktion. Das finden wir auch nicht schön, wenn ein Lutz Jobs mit 58 Jahren als Fraktionsküken die Stimmen bei der Wahl des Bezirksversammlungspräsidenten auszählen muss.
Wie lange wollen Sie denn überhaupt noch Bezirkspolitik machen?
Es kann gut sein, dass ich auch 2024 wieder antreten werde. Weil ich es wichtig finde, dass über unsere Forderungen wie zuletzt den Boykott der Fußball-WM in Katar oder die klare Benennung der NS-Vergangenheit von Kurt A. Körber geredet wird, dass wir Wirkung erzielen.
Wie beurteilen Sie die zurzeit etwas unglückliche Rolle einer jahrelangen Parteiikone wie Sahra Wagenknecht? Sie hatte zuletzt ein Ende des Wirtschaftskriegs gegen Russland gefordert und bewegt sich damit sehr nah an AfD-Forderungen.
Da habe ich eine ganze Menge gegen. Sahra Wagenknecht ist ein Problem, das unsere Partei hat. Man kann kann eigentlich nur hoffen, dass es irgendwann ein Ende mit Schrecken und keinen Schrecken ohne Ende gibt. In Hamburg auf Landesebene ist es so, dass wir vernünftige Leute haben, die für eine konkrete Politik stehen. Wir werden diese Bewegungs-Linken, die nur für sich wichtige Aspekte vertreten und nicht dem Gesamtbild der Partei entsprechen, in den nächsten zwei, drei Jahren auch verlieren. Und das ist auch gut so.
Welches persönliche Ziel verfolgen Sie in diesem Jahr noch?
Das wäre dann die Schweden-Reise zu meiner Tochter.
Und was wäre ihr innigster Wunsch bei der generellen Weltlage?
Ich wünsche mir Frieden und mehr Vernunft in der Diskussion über das, was machbar und was möglich ist. Zum Beispiel bei der Energiekrise: Ich glaube, dass diejenigen, die Geld haben, gern ein bisschen mehr abgeben können. Die haben in den vergangenen Jahren nämlich unverhältnismäßig zugelegt, während es auf der anderen Seite auch mehr Armut gibt. Die Menschen brauchen eine Perspektive, dass es sich wieder lohnt, bestimmte Sachen auch zu machen.