Bergedorf. In unserer Serie „Kurzbesuch aus der Politik“ spricht Bergedorfs SPD-Chefin auch über den Bundeswehreinsatz ihres Mannes.
Sie ist seit Ende 2020 die Fraktionschefin der Bergedorfer SPD – und im Online-Hauptausschuss im März dieses Jahres erlebten die Zugeschalteten einen ganz starken wie auch unfassbar emotionalen Moment von Katja Kramer. Die 32-Jährige schilderte unter Tränen, dass ihr Mann Robert (32) als Bundeswehr-Zeitsoldat am 4. Februar zu einer Übung an die belarussisch-litauische Grenze abgereist sei – drei Wochen vor dem russischen Überfall auf die Ukraine. Am 19. Juli nahm die SPD-Chefin ihren Partner wohlbehalten wieder in die Arme. In unserer Serie „Kurzbesuche aus der Politik“ in unserer Redaktion spricht Kramer mit bz-Redakteur Jan Schubert über die wohl unruhigste Zeit allein daheim und über den Zustand der Bergedorfer Koalition aus SPD, FDP und Grünen, die auch in den nächsten beiden Jahren stabil aufgestellt scheint.
bz: Ihr Mann Robert kehrte im Juli von einer sechsmonatigen Grenzsicherungsübung der Bundeswehr aus Litauen zurück. Der Einsatz war bei der aktuellen Kriegslage gewiss kein ungefährliches Unterfangen. Wie lief denn das Comeback des Teams Kramer mit ihnen als Betreuerin und ihrem Mann als Spieler beim VfL Lohbrügge III in der Kreisklasse?
Katja Kramer: Es haben sich alle riesig gefreut, dass Robert wieder da ist. Ich war zwischendurch ja immer mal wieder bei den Fußballern, weil ich dem Verein sehr verbunden bin. Robert hat in Litauen auch regelmäßig Fußball gespielt. Da hatte er unter anderem die Möglichkeit, im großen Stadion in Jonova gegen eine Mannschaft des Verteidigungsministeriums in Litauen zu spielen.
Wie häufig hatten sie Kontakt zu ihm während seines Einsatzes?
Täglich. Das war nur über ein geschütztes Netz erlaubt, weil es durchaus Übergriffe über Mobilfunknetze auf private Handys von Soldaten gab. Deshalb konnten wir nur Internettelefonie machen. An manchen Tagen war es schwierig. Da macht man sich schon so seine Gedanken, wenn er sich nicht zeitnah zurückmeldet.
Wie viele Stunden haben sie über Roberts Einsatz seit seiner Rückkehr gesprochen?
Viele. Nicht kritisch, mehr als Erfahrungsaustausch.
Gab es auch brenzlige Situationen?
Seit Kriegsbeginn hatten sie im Camp vermehrt auch Wachdienst, liefen deshalb auch ständig bewaffnet herum. Es gab eine Situation ziemlich zu Beginn des Krieges, in der sich sehr wahrscheinlich irgendjemand ein Scherz erlaubt hatte und rund um den Stützpunkt herum Silvesterknaller gezündet, auch Böller gegen die Zäune geschmissen wurden. In dieser Nacht war die Aufruhr innerhalb des Camps mit 1300 Soldaten ziemlich groß. Da war Robert schon so in einer Art Tunnel. Er hat es nie so gesagt – aber im Zweifel hätte er wohl auch geschossen, um sich selbst und seine Kameraden zu schützen. Das war für mich der Moment, in dem mir klar geworden ist: „Der ist da nah dran.“ Ich wüsste nicht, wie ich damit umgehen würde, wenn mein Mann auf einen anderen Menschen geschossen hätte.
Muss ihr Mann bald wieder zurück ins Krisengebiet?
Der offizielle Plan sieht eigentlich den nächsten Auslandseinsatz für das Jahr 2025 vor. Das kann aber überall auf der Welt sein.
Können Sie sagen, was sie aneinander in diesen sechs Monaten am meisten vermisst haben?
Den gemeinsamen Alltag. Man merkt, dass man sich sehr aneinander gewöhnt hat, den Rückhalt des anderen braucht. Ich musste unser Leben hier, was nicht auf mich allein ausgelegt ist, weiter organisieren mit drei Hunden, unserem Haus in Billwerder und so weiter.
Wie viel Angst macht ihnen dieser Krieg insgesamt vor dem Hintergrund, dass ein Familienmitglied wirklich so nah dran war?
Es arbeitet innerlich in uns beiden. Diese Angst, dass mein Mann doch früher wieder los muss. Wir haben durch Robert viele Freunde in der Bundeswehr, die im Zweifel auch wieder aufbrechen müssen. Da ist schon die Angst allgegenwärtig, dass so ein Anruf kommt. Diese Option gibt es. Es gibt auch Soldaten, die wurden damals von Robert im Januar abgelöst – und nach 14 Tagen waren sie wieder in Litauen. Grundsätzlich zum Krieg in der Ukraine finde ich erschreckend, wie schnell man sich an die Lage gewöhnt, wie schnell das Thema abgeflacht ist. Was mich aber vor Kurzem wieder wachgerüttelt hat, ist, dass wir jetzt schon deutlich mehr geflüchtete Menschen haben als 2015 während der Flüchtlingskrise. Wo wir diese Menschen unterbringen können, beschäftigt uns wohl noch Jahre.
Schwenken wir mal zur Lokalpolitik hinüber, denn dort gibt es offenbar Konfliktpotenzial: Warum wirkt es gelegentlich in der Bergedorfer Koalition so disharmonisch und wenig souverän? Zwei Streitereien, in denen das Bündnis aus SPD, Grünen und FDP zu platzen drohte, sind überliefert.
Zunächst einmal: Die Koalition existiert weiter, und das soll aus sozialdemokratischer Sicht mindestens bis zur nächsten Wahl im Jahr 2024 so bleiben. Wir sind alle überzeugt, dass das, was wir im Koalitionsvertrag niedergeschrieben haben, das Richtige für Bergedorf ist. Ich streite nicht ab, dass es innerhalb einer Dreier-Koalition auch mal zu Themen kommt, bei denen wir diskutieren müssen. Man kann ja auch für fünf Jahre im Voraus keinen Koalitionsvertrag schreiben, der alle Themen umfasst, die uns über diese Zeit begleiten werden. Da wird es immer Themen wie den Ukraine-Krieg oder Corona geben, für die wir wieder in Verhandlungen zurück müssen, weil wir zu dritt feststellen, dass wir Kompromisse brauchen. Ich habe das Gefühl, dass wir das sehr gut hinbekommen.
Sehen sie diese Zusammenarbeit als Zukunftsmodell über das Jahr 2024 hinaus?
Natürlich wünsche ich mir eine eigene Mehrheit für die SPD. Aber wenn es die nicht gibt, brauchen wir eine Koalition, welche die wichtigen großen Themen für Bergedorf wie Oberbillwerder, Innenstadtentwicklung die Situation der Hauni kraftvoll und konstruktiv im Interesse der Menschen im Bezirk angeht.
Welches Projekt wollen sie und ihr Mann noch unbedingt in diesem Jahr umsetzen?
Wir haben uns nichts Großes vorgenommen, weil ich einfach nur froh bin, dass er zurückgekommen ist. Einfach wieder Alltag genießen.
Und welchen Wunsch haben sie für das große Ganze?
Wenn wir alle die Möglichkeit hätten, etwas zur Ruhe zu kommen.