Bergedorf. Er kann einstecken, haut auch mal auf die Pauke. Was der Bezirkspolitiker bei seinem Kurzbesuch aus der Politik alles verrät.
Nach nicht einmal einem Jahr Mitgliedschaft in der FDP wurde er schon in die Bezirksversammlung, gewählt: Ob Stephan Meyns (42), verkehrspolitischer Sprecher der Bergedorfer Liberalen, deshalb gleich der lokalpolitische Senkrechtstarter ist, sei dahingestellt. Viel eher ist erstaunlich, was der verheiratete Familienvater (zwei Söhne, 11, 7) neben seinem Hauptberuf als Zollbeamter noch alles treibt. Darüber und über seinen Weg in die Politik spricht der Mann aus Kirchwerder in unserer Serie Kurzbesuch aus der Politik.
Sie pfeifen für den SC Vier- und Marschlande Spiele im Amateurfußball. Wie aktiv ist Ihr Schiedsrichter-Dasein?
Stephan Meyns: Da Politik ja ein sehr zeitaufwendiges Hobby ist, ist das mit der Schiedsrichterei nicht ganz so umfangreich, wie ich es gerne machen würde. Ich mache ein, zwei Spiele im Monat, also genug, um meine Lizenz zu verlängern. Ich habe Freude daran. Es macht Spaß herumzukommen, andere Plätze zu sehen. Wir sind als Gespann des SCVM von der Kreisklasse bis zur Bezirksliga unterwegs, pfeifen alle Altersklassen von der Jugend bis zu den Supersenioren.
Und wie leidensfähig muss man sein?
Sowohl von der Fahrerei als auch von dem, was man sich von Spielern, Trainern und Zuschauern anhören muss? Das ist sicherlich manchmal auch eine Herumasterei. An einem Sonntag quer durch die Stadt nach Pinneberg. Anderthalb Stunden hin, anderthalb Stunden zurück, zwei Stunden Spiel, da bist du den ganzen Tag unterwegs für ein Bezirksligaspiel. Und auf dem Platz darf man sich dazu auch manchmal Dinge anhören.
Was war das persönlich Schlimmste für Sie?
Einer hat mal zu mir gesagt: „Ich schlag dich tot!“ Das war bei einem Spiel in Neuengamme, Alte Herren oder Kreisklasse, das ich ohne Gespann geleitet habe. Das Spiel habe ich in der Folge abgebrochen.
Was war der Auslöser?
Man war unzufrieden mit einer Freistoßentscheidung. Durch meine berufliche Tätigkeit als Zollbeamter bin ich in der Lage, mit solcher Kritik umzugehen. Ich habe mir beruflich auch schon das eine oder andere anhören müssen. Keiner von uns pfeift bewusst falsch. Ich pfeife grundsätzlich so, wie ich es gesehen habe. Wer kann von sich behaupten, immer einhundertprozentig richtig zu liegen? Und ich habe keinen VAR-Keller in Köln (lacht). Was mir wichtig ist: Nach 90 Minuten schüttelt man sich die Hand, trinkt noch etwas zusammen und fährt dann nach Hause.
Wie nervig sind für Sie als Schiri eigentlich im Kinder- und Jugendfußball Eltern und Betreuer, die am Spielfeldrand rumstehen und alles besser wissen?
Nervig würde ich das nicht nennen wollen, aber es ist schon so, dass bei diesen Spielen Zuschauer und Trainer sehr emotional unterwegs sind. Das beeinflusst zum einen die Kinder auf dem Feld, zum anderen überträgt es sich negativ auf das Spielgeschehen. Manchmal werden Entscheidungen kommentiert und moniert, bei denen ich denke: „Wir reden hier über einen Einwurf in Höhe der Mittellinie...“ Ich versuche, diese überzogene Kritik nicht an mich heranzulassen. Komplett geht das aber auch nicht.
Sie sind in ihrer Freizeit nicht nur Fußball-Schiedsrichter, sondern waren auch mal Tambourmajor im Spielmannszug Kirchwerder.
Da bin ich reingerutscht. Ich mache schon 30, 35 Jahre Musik, spiele Schlagzeug, ein wenig Querflöte. Das mit dem Spielmannszug habe ich über 30 Jahre gemacht, aber jetzt nicht mehr.
Warum heute nicht mehr?
Weil der Verein, der TV Warwisch, sich gerade auflöst. Zum einen fehlte der Nachwuchs, zum anderen bei manchen durch Familie, Kinder, Job einfach die Zeit. Wir hatten auch immer gesagt, dass das nicht im Krampf enden soll, sondern wir selbst entscheiden, wann Schluss ist. Wir waren einfach nicht mehr so spielfähig wie früher, als wir schon mal zwei, drei Auftritte am Wochenende hatten.
Warum sind Sie ein politischer Spätstarter mit 38 Jahren? Sie sind ja erst 50 Monate Mitglied der FDP.
Das liegt zum großen Teil an der Diskussion um die Dove-Elbe. Da war ich zwar schon Parteimitglied, aber ohne jegliche Ambitionen, in der Bezirksliste der FDP weit hinten auf Platz 8 oder 9. Als besagtes Thema hochkochte, habe ich mir gesagt, dass ich mich stärker politisch einbringen muss. Wir mussten die Öffnung der Dove-Elbe verhindern, was ja dann auch klappte. So bin ich in Bergedorf zur Politik gekommen.
Klingt wie der perfekte Lokalpolitiker. Genau das sagt Sonja Jacobsen, ihre Bergedorfer Fraktionschefin, über Sie.
Perfekt? Sagen wir mal ,guter Lokalpolitiker’. Es ist wichtig, dass man Augen und Ohren offenhält und mitbekommt, wo den Leuten der Schuh drückt. Auch Kleinigkeiten können für Menschen total wichtig sein. Das ist zumindest meine Erfahrung. Wie am Beispiel der Kreuzung Süderquerweg/Kirchwerder Landweg. Da ging es einfach um Fahrbahnmarkierungen, damit weniger Unfälle geschehen. Da haben mich Bekannte angesprochen, wir haben einen Antrag dazu gestellt, der durchging – die Markierungen sind neu gemacht worden. Und dann gab es die Rückmeldung: „Hat gut geklappt.“
Tut der Politiker-Seele sicher gut.
Tatsächlich ist positives Feedback selten. Über Social Media wird häufig auf die Politik eingedroschen. Da denke ich manchmal: Eine Partei ist kein Closed Shop. Jeder könnte sich doch in der Politik engagieren. Ich sage das jetzt nicht, weil es sich gut anhört: Wir in der Bezirksversammlung können für die Menschen in Bergedorf viele Dinge positiv beeinflussen.
Welches Projekt wollen Sie im Privaten bis Jahresende erledigt haben?
(überlegt) Gesund zu sein und zu bleiben und das Miteinander wertzuschätzen. Corona hat uns gezeigt, wie wichtig und wertvoll das ist.
Welchen großen Wunsch haben Sie für die Welt?
Frieden. Ich finde es sehr, sehr schwer zu ertragen, was man aus der Ukraine jeden Tag sieht. Wir müssen den Frieden auch zu schätzen wissen und einsehen, dass er keine Selbstverständlichkeit ist.