Lohbrügge. Stadtteilschülerin (18) lädt Schulsenator nach Lohbrügge ein, um über die „soziale Ungleichheit im deutschen Schulsystem“ zu sprechen.
Um nichts Geringeres als um das soziale, ökonomische und kulturelle Kapital von Schülern ging es bei dem Referat, das Leila Rahimi in der Lohbrügger Stadtteilschule halten wollte. Nicht nur vor ihren 25 Mitschülerinnen: „Ich bin bei den Jusos aktiv und habe einfach mal meinen Genossen, den Schulsenator, eingeladen“, meint die 18-Jährige grinsend. Diese Einladung nahm Ties Rabe (SPD) gern an und dankte „für den Mut, einfach mal zu fragen“.
Die „soziale Ungleichheit im deutschen Schulsystem“, beschäftige sie schon seit der vierten Klasse, erklärte die Reinbekerin, die „als einzige in meiner Klasse keine Gymnasialprognose bekommen habe“. Ihre Lehrerin damals dachte wohl, das Kind werde daheim nicht genügend unterstützt, die aus Afghanistan stammende Mutter würde kein Deutsch sprechen. „Ich hatte aber dieselben Voraussetzungen wie die anderen, bloß meine Mutter traute mir das Gymnasium nicht zu“, erinnert die junge Frau und betont, wie wichtig eine bessere Elternarbeit sei, um die Bildungsarmut abzuschaffen.
Eltern des Schulsenators haben Realschulabschluss in Lohbrügge gemacht
Das alles habe indes wenig mit der Nationalität der Eltern zu tun, vielmehr mit deren Bildungshintergrund, so Rabe: „Wenn jemand in Afghanistan studiert hat, wird sein Kind es leichter haben als ein deutsches Kind, dessen Eltern einen Hauptschulabschluss haben“, sagte der Senator und erzählte, dass seine Eltern beide in Lohbrügge einen Realschulabschluss gemacht haben: „Wichtig ist vor allem, die Neugierde aufs Lernen zu wecken. Und das klappt laut Wissenschaftlern nun mal besser in Haushalten mit mehr als 90 Büchern.“
Es werde besser, so der 62-Jährige: Während zu seiner Zeit nur 15 Prozent aller Schüler das Abitur ablegten, seien es heute immerhin 54 Prozent. Dennoch bleiben große Unterschiede, zeigte Leila anhand des sogenannten Bildungstrichters für Deutschland: 79 von 100 Akademikerkindern (mit mindestens einem studierten Elternteil) beginnen ein Studium, sechs promovieren sogar. Von den anderen Kindern nehmen bloß 27 ein Studium auf, nur zwei promovieren.
Hamburger sprachlich deutlich schlechter als Studenten aus Schleswig-Holstein
Was können hier Lösungsansätze sein? „Die individuelle Förderung an Stadtteilschulen ist gut, auch das Ganztagsangebot“, lobt Leila Rahimi, die sich indes mehr Kunst- und Kulturprogramme wünscht – „und Unterrichtsmethoden für unterschiedliche Lernrückstände“. Bei den Gymnasiasten würden einfach mehr Talente gefördert – „und die können sich dann fachlich besser ausdrücken, wenn sie zur Universität kommen“, meinen die Mitschülerinnen.
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Die Fachsprache sei „tatsächlich ein Problem“, hatte sich erst kürzlich Hamburgs Uni-Präsident bei Ties Rabe beklagt: „Die Hamburger seien sprachlich deutlich schlechter als die Studenten aus Schleswig-Holstein“, erfuhr der Senator. Schlussfolgerung: „Es ist wichtig, dass man beinhart lesen lernt. Das sind meist mindestens 80 Seiten am Tag, plus die Zeitung.“ An den Grundschulen wolle er nun verpflichtend einführen, dass täglich 20 Minuten lang gelesen wird.
Aber von nichts kommt nichts: Bildungserfolg brauche Konzentration, Anstrengung und Ausdauer, so Ties Rabe. Es sei auch eine Frage der Haltung: „Ihr müsst den Anspruch behalten, dass jede von euch ein Mozart oder Mahatma Gandhi werden kann. Ihr könnt viel mehr als ihr denkt!“