Hamburg. Reifeprüfung soll bundesweit vergleichbarer werden. Wird jetzt der Notenschnitt schlechter? Was die Schulbehörde im Einzelnen plant.

Für Hamburgs Abiturientinnen und Abiturienten steigen die Anforderungen: Nicht nur fallen vom kommenden Jahr an die pandemiebedingten Erleichterungen weg. Auch eine ganze Reihe von Vorgaben ändern sich, damit die Reifeprüfung deutschlandweit vergleichbarer wird. Leichter wird das Abitur damit in der Hansestadt nicht – eher im Gegenteil. In Hamburg könnten sich die Änderungen auf den Abitur-Schnitt auswirken, der zuletzt bei 2,28 lag. Jeder dritte Hamburger Abiturient schafft in Hamburgs bisher ein Einser-Abitur.

Was die Schulbehörde im Einzelnen plant, teilte sie exklusiv auf Anfrage des Abendblatts mit. Es geht um die Zahl der Kurse, die in die Abiturwertung eingebracht werden müssen, um die Zahl und Gewichtung von Klausuren in der Oberstufe sowie Festlegungen zu natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Fächern. Auch einige Profile, die die Schulen der Hansestadt in der Oberstufe anbieten, werden verändert werden müssen.

Der Hintergrund: Die Kultusministerpräsidentenkonferenz (KMK) hatte sich kürzlich auf neue gemeinsame und verbindliche Regeln für die Reifeprüfung verständigt. „Wir haben die Anforderungen für das Abitur zwischen allen Ländern jetzt deutlich angeglichen“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD). So werden die Rahmenbedingungen für die Oberstufe einheitlicher gestaltet. Was sich im Einzelnen für die Hamburger Schülerinnen und Schüler ändern wird, konkretisiert die Schulbehörde auf Abendblatt-Anfrage.

Schule Hamburg: Abiturienten dürfen weniger schwache Kurse streichen

Zentraler Punkt: Die Abiturientinnen und Abiturienten werden 36 statt wie bisher mindestens 32 Kursnoten (und höchstens 40) aus der Oberstufenzeit in die Wertung einbringen. Dies könne, so heißt es aus der Schulbehörde, „in einzelnen Fächern zu sehr marginalen Notenverschlechterungen“ im Abitur führen. Das dürfte wohl noch untertrieben sein. Denn die Abiturprüfungen selbst machen nur rund ein Drittel der Abiturnote aus – zwei Drittel entfallen auf die Kursleistungen in der Oberstufe. Und hier gab es, anders als bei den Abiturprüfungen, bisher keine einheitliche Regelung unter den Bundesländern. Bayerische Schülerinnen beispielsweise müssen 40 Kursergebnisse in die Wertung einbringen, die Hamburger eben nur mindestens 32. Maximal 40 sind auch in der Hansestadt möglich – aber wer halbwegs clever ist, streicht so viele schwache Kurse wie möglich weg.

Schulsenator Ties Rabe will die Abiturregeln in Hamburg zum Schuljahresbeginn 2025 ändern.
Schulsenator Ties Rabe will die Abiturregeln in Hamburg zum Schuljahresbeginn 2025 ändern. © Marcelo Hernandez

Dass Hamburger Schülerinnen und Schüler bisher eben mehr schwache Kursergebnisse aus der Wertung fürs Abitur streichen dürfen als ihre Altersgenossen in anderen Bundesländern, gilt als einer der Gründe, warum die Abiturienten in der Hansestadt bei den Noten besonders gut abschneiden. Hier machen rund 54 Prozent eines Jahrgangs den höchsten Schulabschluss. Die neuen Regeln sollen voraussichtlich vom Schuljahresbeginn im Sommer 2025 an gelten – für alle Jugendlichen, die dann in die Oberstufe kommen, so die Schulbehörde. Sie hat vor Kurzem die Schulleiterinnen und Schulleiter zunächst mündlich informiert. Schriftliche Anweisungen sollen folgen.

Schriftliche Klausurergebnisse fallen bei Notengebung stärker ins Gewicht

Mehr ins Gewicht fallen zudem die Klausurergebnisse aus der Oberstufe: Ihre Zahl und Gewichtung wird künftig verbindlich geregelt. So sei die Klausurleistung mit 50 Prozent bei der Gesamtnote zu berücksichtigen, wenn in einem Halbjahr zwei Klausuren geschrieben werden. Wird nur eine Klausur im Schulhalbjahr geschrieben, ist diese mit mindestens einem Drittel bei der Gesamtnote zu berücksichtigen.

Beide Regelungen betonen etwas stärker die schriftlichen Klausurergebnisse bei der Notenfindung für den gesamten Kurs, so die Schulbehörde. In den Fächern mit erhöhtem Anforderungsniveau, in den Kernfächern und mindestens in den Abiturprüfungsfächern mit grundlegendem Anforderungsniveau werden in den ersten drei Semestern der Qualifikationsphase jeweils ein bis zwei Klausuren pro Schulhalbjahr geschrieben, im vierten Semester kann eine Klausur geschrieben werden.

Einige Schulen werden ihre Profil-Angebote umbauen müssen

Weitere Änderung: Einige Schulen werden ihre Profil-Angebote umbauen müssen. Bei den Profilen handelt es sich um Fächerverbünde. Den inhaltlich thematischen Schwerpunkt des Profils bildet bisher mindestens ein Fach, das mindestens vierstündig auf erhöhtem Anforderungsniveau unterrichtet wird (profilgebendes Fach, im weitesten Sinne vergleichbar mit früheren Leistungskursen). Möglich sind auch Profilbereiche mit mehr als einem profilgebenden Fach.

Aber: Künftig können die Länder nur noch zwei oder drei Fächer auf erhöhtem Anforderungsniveau / Leistungskurse vorsehen – bisher waren es zwei bis vier. Da zwei Kernfächer – dazu zählen Deutsch, Mathe und Englisch – auf erhöhtem Anforderungsniveau für alle Schülerinnen und Schüler Pflicht sind, werden einige Schulen bestimmte Fachkombinationen, eben die genannten Profilbereiche, umbauen müssen, wenn sie bisher zwei Profilfächer auf erhöhtem Niveau anbieten und nicht eines davon ein Kernfach ist. Welche Profile geändert werden müssen, sollen die Schulleitungen jetzt prüfen.

Oberstufe: Gesellschaftswissenschaftliche Fächer werden gestärkt

Darüber hinaus werden die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer gestärkt, indem nun mindestens sechs Schulhalbjahre (statt bisher vier) zu belegen sind – also beispielsweise vier Kurse in Geschichte und noch zwei weitere Kurse in einem anderen gesellschaftswissenschaftlichen Fach. Hamburger Schülerinnen und Schüler müssen bisher mindestens vier Semester in einem der Fächer Geschichte, Geografie oder PGW absolvieren.

Die naturwissenschaftlichen Fächer auf grundlegendem Anforderungsniveau müssen zukünftig in dreistündigen Kursen angeboten werden. Bislang sind zwei-, drei- oder vierstündige Kurse möglich. Alle anderen Fächer auf grundlegendem Anforderungsniveau dürften künftig nur zwei- oder dreistündig unterrichtet werden. Bisher waren auch vierstündige Kurse möglich.

Kultusminister ringen seit Jahren um Einheit – aber keiner wollte nachgeben

Um möglichst gemeinsame Regeln und Standards für das Abitur ringen die Kultusminister der Länder seit vielen Jahren. Einig sind sie sich schon lange, dass die Vorgaben einheitlicher und die Abschlüsse somit vergleichbarer werden sollen. Allerdings meinten viele Ländervertreter damit, dass die eigenen Regeln zum bundesweiten Standard werden sollten, und waren weniger kompromissbereit bei der Übernahme der Vorgaben anderer. Ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Vergleichbarkeit war der gemeinsame Aufgabenpool, aus dem die Länder in vielen Fächern die Klausur-Fragestellungen entnehmen konnten.

Mit der Angleichung der Regelungen der gymnasialen Oberstufe reagierte die Kultusministerkonferenz jetzt auf die Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach einer höheren Vergleichbarkeit des Abiturs. „So viel Einheitlichkeit bei den Abiturprüfungen und Abiturzeugnissen gab es wirklich noch nie zuvor“, sagte Schulsenator Rabe. Gerade im Vergleich zu anderen Bildungsabschlüssen und im Vergleich zu den Schulabschlüssen vor 20 Jahren habe man ein bisher noch nicht erreichtes Maß der Übereinstimmung und Gerechtigkeit erlangt.

Schule Hamburg: Ab wann die neuen Abi-Regeln gelten

„Hamburg wird die neuen Regelungen rechtzeitig umsetzen, aber nicht mehr in diesem Schuljahr“, kündigt Rabe an. Bei der Umsetzung gelte: Sorgfalt vor Geschwindigkeit. „Der Jahrgang, der im Sommer 2024 in die Oberstufe eintritt, wird noch zu den bisherigen Bedingungen lernen.“ Die Änderungen betreffen den folgenden Jahrgang. Zuvor werden Eltern-, Lehrer- und Schülerkammer damit befasst, weil die entsprechende Ausbildungs- und Prüfungsordnung Allgemeine Hochschulreife angepasst werden muss. Am Ende entscheidet der Senator aber über die Anpassung.

Die Erleichterungen als Zugeständnis an die erhöhte Belastung durch die Corona-Pandemie fallen im kommenden Jahr ohnehin weg. Ein letztes Mal standen den rund 9600 Abiturientinnen und Abiturienten in diesem Jahr bei den Klausuren, die sie bis Anfang Mai geschrieben haben, 30 Minuten mehr Zeit zur Verfügung, auch wurden die Themen zuvor stärker präzisiert als zuvor und die Auswahlmöglichkeit unter den Aufgaben im Fach Mathematik erhöht. In Umsetzung eines Beschlusses der KMK werden die Abschlussprüfungen in allen Schulabschlüssen wieder entsprechend den vor Corona geltenden Regeln durchgeführt werden, kündigte Rabe an. Angesichts der Corona-Erleichterungen hatte sich der Abiturschnitt in Hamburg zuletzt merklich verbessert – von Durchschnittsnoten zumeist zwischen 2,36 und 2,46 auf 2,27 und 2,28 in den vergangenen beiden Jahren. Hier soll es eine Rückkehr zur Normalität geben.