Bergedorf. Barbara Wiese wurde als Teamleiterin der Gruppe für den Bürgerpreis Bergedorf vorgeschlagen – und erzählt aus dem Alltag in der Klinik.
„Das ist ja nicht so wie im Fernsehen, dass wir uns laufend um blutverschmierte Menschen kümmern würden. Auch nicht in der Notaufnahme.“ Da möchte Barbara Wiese doch gern ein bisschen realistisch bleiben: „Wir sprechen die Patienten einfach sanft an und fragen, ob sie etwas brauchen.“ Und das passiert im Bethesda-Krankenhaus meist auf Station, im Wartezimmer oder bei Überbelegung auch mal auf dem Flur.
Im nächsten Jahr können die Grünen Damen ihr 20-jähriges Bestehen in der Klinik am Glindersweg feiern. Stellvertretend für die fleißigen Ehrenamtlichen der Grünen Damen und Herren wird nun ihre Einsatzleiterin als Kandidatin für den 23. Bürgerpreis Bergedorf vorgeschlagen. Er ist mit 6000 Euro dotiert und wird am 21. September im Spiegelsaal des Rathauses verliehen, gemeinsam von der Volksbank Bergedorf und der Bergedorfer Zeitung.
Bürgerpreis Bergedorf: 20 Jahre Grüne Damen im Bethesda-Krankenhaus
Im Juni vor nunmehr 18 Jahren hatte Barbara Wiese in der bz über die Grünen Damen gelesen und sich sofort einarbeiten lassen – obwohl sie noch als Vorstandssekretärin tätig war. 2011 wurde sie zur Einsatzleitung gewählt und löste die 75-jährige Ursula Schilakowski ab. Drei Jahre später übernahm sie auch noch die Verantwortung im Hamburger Landesteam.
Aber was bitte genau macht ihre Gruppe im Agaplesion Bethesda Krankenhaus Bergedorf? Alles außer Pflege: Manchmal brauche es bloß eine aktuelle Zeitung oder ein paar Kekse. Oder jemand vermisst seine Brille, die er bewusstlos im Garten verloren hatte. „Auch haben wir schon ein Gebiss gebracht oder daheim die Katze versorgt. Oft geht es ja sehr unvermittelt in die Klinik“, erzählt die 67-Jährige, die sich natürlich immer eine Erlaubnis unterschreiben lässt, bevor ein Wohnungsschlüssel ausgehändigt wird. Wie wichtig der Datenschutz und die Schweigepflicht sind, lernen alle schon bei der Basisschulung.
Alles außer Pflege: Wie Grüne Damen Krankenhaus-Patienten helfen
Mancher Patient braucht dringend mal frische Luft und lässt sich im Rollstuhl durch den Garten schieben. Dann kommt es auch zu schwierigen Gesprächen: „Bei einer schlimmen Krebsdiagnose will man erst einmal genau wissen, wie es weitergehen kann – bevor man seine Angehörigen belastet“, weiß Barbara Wiese, die auch Gespräche mit einem den beiden Seelsorger vermittelt.
„Wir haben immer Zeit und können zuhören“, betont die Kandidatin für den Bürgerpreis Bergedorf, deren Team sich pro Schicht eine Station mit 15 Zimmern vornimmt – „aber wenn Redebedarf ist, bleiben wir auch mal zwei Stunden lang in Zimmer drei, tragen das ins Tresenbuch ein und machen am nächsten Tag weiter“. Oft sind es bloß Kleinigkeiten, die ein Lächeln ins Gesicht zaubern können: Da gibt es den Senior, der sein Handy nicht bedienen kann. Oder jemand bittet, eine neue Flüssigkeit für seine Kontaktlinsen zu kaufen. „In der Geriatrie hat sich eine Dame mal sehr gefreut, dass ich ihr die Kopfhörer für das Fernsehen angeschlossen habe“, sagt die Ehrenamtliche, die zeitgleich drei Jahre lang als Kinesiologin (Bewegungslehre) selbstständig war.
Grüne Damen und Herren brauchen dringend Verstärkung
Bis zu 15 Wochenstunden ist sie als Grüne Dame beschäftigt, ihre Kollegen arbeiten meist drei bis vier Stunden pro Woche – und brauchen dringend Verstärkung. Denn Corona hat ein großes Loch gerissen: Von ehemals 42 sind jetzt noch 24 Ehrenamtliche aktiv, davon drei Grüne Herren – alle im Alter zwischen 54 und 78.
„Dabei waren wir das einzige Krankenhaus in Hamburg überhaupt, wo die Grünen Damen zu Corona noch arbeiten durften.“ Sieben Ehrenamtliche kümmerten sich täglich zwei Stunden um die Patienten, die ansonsten von jeglichem Besuch abgeschnitten waren. „Können Sie unsere demente Mutti bitte mal fotografieren? Wir vermissen sie so sehr“, bat damals eine Bergedorferin.
In der Corona-Zeit haben viele Ehrenamtliche aufgegeben
„Durch Corona haben wir deutschlandweit viele Helfer verloren, die sich dann wohl ein anderes Ehrenamt gesucht haben. 5092 sind wir nur noch, es waren mal 11.000“, erzählt Barbara Wiese. Aber es gebe auch einen anderen Grund: Wer mitmachen will, muss seit fünf Jahren einen Förderbeitrag an den Dachverband bezahlen. „Das sind zwar nur 24 Euro im Jahr, aber es gab 5000 Austritte, denn das sehen viele Leute im Ehrenamt einfach nicht ein“, weiß die 67-Jährige und betont: „Die Kliniken zahlen aber auch 500 Euro beim Einsatz von bis zu 15 Grünen Damen. Und 1000 Euro, wenn es bis zu 49 Ehrenamtliche sind.“
Nicht zuletzt gibt es noch einen dritten Grund: Die Senioren von heute sind mobiler: „Sie fahren halt gern ihre Enkelkinder besuchen oder machen einen Kurzurlaub am Strand“, erzählt die Frau aus dem Landesteam, das derzeit 187 Grüne Damen in neun Häusern zählt. Natürlich wollen da auch Hamburger Regionaltagungen organisiert sein, dazu Einsatzleitertreffen zu bestimmten Themen wie Vorsorge oder Demenz.
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Wer sich ebenfalls für den Einsatz als Grüne Dame oder Herr interessiert, kann sich an gern per E-Mail an Barbara.Wiese@t-online.de wenden. Und wird sofort lächelnd erfahren, dass dieses Ehrenamt auch Geduld erfordert – etwa wenn der angespannte Husten-Patient noch „mal eben eine rauchen geht“ oder der Psychiatrie-Patient um Geld für eine Cola bettelt. „Da müssen wir aufpassen. Denn es kam schon vor, dass jemand um Süßes für die Enkelin bat, wir aber vom Pflegestützpunkt erfuhren, dass es sich um einen Diabetiker handelt“, erzählt Teamleiterin Barbara Wiese augenzwinkernd.