Bergedorf. Im Bergedorfer Krankenhaus soll die Ausbildung zur Pflegefachkraft praxisnäher werden. Was Patienten an dem Projekt sehr schätzen.
Mehr Diagnosen, mehr Praxisstunden, mehr eigene Zeitgestaltung, mehr Teamfähigkeit… mehr Selbstbewusstsein im Gespräch am Krankenbett. Schließlich auch eine höhere Identifikation mit dem Arbeitgeber: Das Agaplesion Bethesda Krankenhaus hat jetzt eine Ausbildungsstation. Sieben soeben gestartete Auszubildende zur Pflegefachkraft sind dann die Hauptprotagonisten auf Station 8 (Innere Medizin) und kümmern sich um die gesundheitliche Versorgung von insgesamt 14 Patienten. Kein Risiko, aber eine Chance, den Pflegeberuf weiter zu pushen.
Der Gedanke der Azubistation ist im Bergedorfer Krankenhaus länger gereift. Schon 2018, weiß Silke Lehmann, Leiterin der praktischen Ausbildung im Bethesda, sei die Idee vor allem im Kopf von Pflegedirektorin Juliane Niemeyer entstanden, „Azubis bewusster auszubilden“. Wie das geht? Durch mehr Verantwortung im Alltäglichen So wurde seinerzeit ein erstes Pilotprojekt auf Station 7 initiiert. Dort kümmerten sich die Azubis um Anamnesen, pflegerische Aufgaben und organisatorische Dinge wie das Schreiben von Dienstplänen. Auch hier operierte die Pflegedienstleitung aus der zweiten Reihe, aber: „Eigentlich haben unsere Azubis schon diese Station geschmissen“, sagt Lehmann. Die Zäsur folgte dann durch Corona, das Experiment wurde zunächst abgebrochen.
Agaplesion Bethesda Krankenhaus öffnet eine Ausbildungsstation
Bis zum Ausbildungsstart im April 2023: „Jetzt wird die komplette Station 8 mit maximal 14 Patienten dauerhaft zur Ausbildungsstation“, sagt Silke Lehmann. Patienten sollen nun im Idealfall von der Aufnahme bis zur Entlassung begleitet werden. Auf Station 8 fällt alles an, was internistisch versorgt werden muss wie Gallen- oder Nierenerkrankungen bis hin zu Lungenentzündungen. Aber auch Tumor- und Krebspatienten sind hier untergebracht. Ein Auszubildender bekommt nie mehr als vier feste Patienten gleichzeitig und ebenso feste Ansprechpartner im etablierten Pflegepersonal.
„Somit bleibt für den einzelnen Patienten mehr Zeit“, erklärt Melanie Müller aus der Stationsleitung. Diese teilt sie sich mit Melissa Kleinschmidt, die ergänzt: „Die Auszubildenden sind personell ,on top’ geplant und werden in ihren Diensten immer von Praxisanleitern betreut. Sie werden fest ins Team mit eingebunden, ernst- und wahrgenommen.“ Stationsleiterin Kleinschmidt spricht von einem „Wohlfühlort“ für Behandelte und Behandelnde, im dem sich Azubis auch einmal „Dinge trauen“ sollen.
Positive Stimmen für das Experiment vonseiten der Patienten
Ein Risiko, dass sich kranke Menschen in die Hände von Berufsneulingen begeben? Dem widersprechen alle Beteiligten, denn die erfahrenere Fachkompetenz kann jederzeit aus dem Hintergrund eingreifen. Was das Bergedorfer Krankenhaus bestärkt, ist auch das Feedback von Patienten aus 2018 – das war sehr positiv: „Die waren hochzufrieden mit den Leistungen unserer Azubis und fühlten sich damals wohl“, erinnert sich Juliane Niemeyer. Besonders gut angekommen sei, dass die Pflegeschüler sich besonders viel Zeit genommen hätten, um einzelne Krankheitsbilder zu verstehen.
Und eine ganze Station für sich zu haben, zieht offenbar: „Unser jetziger Azubijahrgang hat sich bewusst für das Bethesda entschieden, weil wir eben jetzt ein solches Angebot machen“, sagt Niemeyer. Anders als im Boberger BG Klinikum, wo Pflegeschüler unmittelbar vor dem Examen einige Wochen eine Station managen, sind die Bethesda-Azubis häufiger in ihrer dreijährigen Ausbildung auf Station 8 gefordert. Dreimal über unterschiedlich lange Zeiträume sollen die sieben Auszubildenden dort übernehmen. Zunächst ab Juli 2023 für wenige Wochen im Orientierungseinsatz, dann im stationären Akutpflegeeinsatz für vier bis sechs Wochen und nochmals für einige Wochen direkt vor der Examensprüfung im sogenannten Vertiefungseinsatz im Frühjahr 2026. Das trug in der Vergangenheit schon Früchte, betont die Pflegedirektorin: „Unsere Damaligen haben dann auch sehr gute Examen abgelegt.“
Was sich das Bergedorfer Krankenhaus auf lange Sicht verspricht
Ziel ist, durch eine Ausbildung mit mehr Verantwortung und größeren Erfolgserlebnissen weitere topqualifizierte Mitarbeiter zu bekommen, die sich bestens in den Abläufen des Hauses auskennen und langfristig in der Klinik am Glindersweg bleiben möchten. Auch eine höhere Patientenzufriedenheit soll durch intensivere Behandlung am Patienten erreicht werden. Die Einrichtung der Auszubildendenstation schafft auch Freiräume für die fest angestellten Pflegekräfte auf Station 8, die sich im Idealfall um weniger Patienten kümmern müssen und so die Betreuung für die Azubis intensivieren, etwa Schwächen und Unsicherheiten beseitigen können.
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Bis zur Übernahme der Station 8 haben Marie-Sophie Lorenzen, Mulugeita Hanes, Haval Tammi, Linda Bosselmann, Yassin Bakhshi, Dennis Koszewski und Angelina Stuff noch bis Anfang Juli 2023 Zeit, besuchen zunächst die Berufsschule. Im Bergedorfer Bethesda-Krankenhaus soll es weitere Stationen geben, die sich eine Azubi-Verantwortlichkeit vorstellen können. Denkbar sei in Zukunft auch eine Auszubildendenstation im operativen Bereich – falls Station 8 gut laufen sollte.