Bergedorf. Die Bundesregierung möchte die Droge 2024 legalisieren. Doch noch sind Fragen offen. Eine Bergedorfer Firma steht in den Startlöchern.
In den Regalen reihen sich grüne Fläschchen aneinander, daneben Gläser und kleine Kartons. Es ist hell und übersichtlich – Robert Reed steht hinter dem Tresen seines kleinen Geschäfts. Seit 2021 leitet er den Budwerk Partnershop an der Bergedorfer Schlossstraße. Der 39-Jährige verkauft hier sämtliche Produkte mit Hanf und dessen Wirkstoff Cannabidiol (CBD).
Viele Studien belegen, dass der Stoff unter anderem eine schmerzlindernde und beruhigende Wirkung hat. Die Forschungen dazu sind zwar noch nicht abgeschlossen, doch Reed ist überzeugt: „Mit unserem Angebot konnte ich schon sehr vielen Menschen helfen, verschiedenste Beschwerden zu lindern.“ Umso mehr beschäftigt ihn daher ein weiteres Thema: Die Cannabis-Legalisierung in Deutschland.
Cannabis-Legalisierung: Das ist der Plan der Bundesregierung
Denn während seine Hanf-Produkte frei verkäuflich sind, gilt das aus den Hanfblüten gewonnene Marihuana bisher als illegales Rauschmittel. Das liegt vor allem an dem darin enthaltenen Stoff THC. Doch das Gesetz soll sich ändern: Seit dem 12. April 2023 steht fest, dass Cannabis legalisiert werden soll.
Wann das Gesetz in Kraft tritt und wie genau es aussehen wird, ist jedoch noch offen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nannte als Start-Zeitpunkt zuletzt 2024. Bei der Einführung von Cannabis soll es nach den Plänen der Bundesregierung ein Zwei-Säulen-Modell geben.
Zwei Säulen: Social Clubs und Verkauf in Modellregionen
Die erste Säule basiert auf der Idee der Social Clubs, die es auch schon in anderen Ländern (z. B. Spanien) gibt. Grob zusammengefasst: In diesen nicht-gewinnorientierten Vereinigungen dürfen Mitglieder gemeinschaftlich und unter klaren Regeln Cannabis für den Eigenkonsum anbauen. Die Mitglieder müssen mindestens 18 Jahre alt sein. Wer dabei ist, darf höchstens 25 Gramm am Tag, beziehungsweise 50 Gramm im Monat erhalten. Unter 21 Jahren gibt es nur 30 Gramm im Monat.
Die zweite Säule sieht „regionale Modellvorhaben“ vor. Dafür sollen, zunächst für fünf Jahre, kommerzielle Lieferketten eingerichtet werden, die bestimmte Abgabestellen versorgen. Die Verkaufsstellen gibt es dann jedoch nur in einzelnen Städten oder Kreisen. Mehrere Städte haben bereits Interesse bekundet, Bayern und NRW lehnen sie allerdings ab.
Bergedorfer Unternehmen sieht in Legalisierung große Chancen
Obwohl es bis zur Umsetzung eines neuen Gesetzes noch dauern kann, sieht der Wahl-Hamburger Robert Reed darin eine große Chance. „Ich bin eher ein Freund von Micro Dosing, also von Konsum in geringen Mengen“, sagt Reed. Dennoch: Alle Cannabis-Produkte, die dann in Deutschland legal und für ihn „moralisch vertretbar“ wären, würde er gern verkaufen.
„Mit Rezept wird Cannabis ja bereits jetzt verabreicht. Ich denke schon, dass es vielen Menschen gesundheitlich helfen könnte“, so Reed. Schließlich würden der Verkauf und der Anbau dann staatlich kontrolliert. Und Reed ist sich sicher: Überdosierte Produkte mit unverhältnismäßig viel THC wären dann vermutlich kaum noch erhältlich.
Hoffnung, dass „verunreinigte“ Produkte vom Schwarzmarkt verschwinden
„Auf dem Schwarzmarkt wird viel ,verunreinigtes’ Gras verkauft, das mit synthetischen Cannabinoiden eingesprüht wird. Es ist schwer einzuschätzen, wie das dann wirkt“, sagt Robert Reed. Nach der Legalisierung würde man solche Produkte nur noch selten finden, meint er.
Doch auch legal gekauftes Cannabis könne natürlich missbraucht werden. Reed betont daher: Ein ganz freier Verkauf wäre keine gute Lösung.
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Idee: „Cannabis-Führerschein“ für den sichereren Konsum
Neben den von der Bundesregierung angedachten Alters- und Mengenbegrenzungen plädiert er für eine Ausweitung der Suchtprävention. Vor dem Kauf der Droge sollten die Menschen seiner Meinung nach in einer Beratungsstelle einen Test machen.
„Praktisch wie ein Einbürgerungstest, der die wichtigsten Fakten zu Cannabis, der Wirkung und den Risiken abfragt“, so der Hamburger. Dort sollten sie dann einen „Cannabis-Führerschein“ bekommen, der im Laden vorgezeigt wird. So könne man sichergehen, dass gerade junge Menschen bewusster kiffen.
Nach der Legalisierung schreibt Reed seinem Bergedorfer Laden gute Chancen zu, eine der Verkaufsstellen zu werden. Denn das Unternehmen Budwerk produziere seine Produkte selbst in Stuttgart, sei aber Tochterunternehmen eines anderen Konzerns. Dieser habe bereits jetzt Lizenzen, um auf dem griechischen Festland THC-haltiges Cannabis für medizinische Zwecke zu produzieren. „Ich hoffe daher auf gute Voraussetzungen, wenn es so weit ist“, sagt Reed.
Headshop Brainstorm: Team macht sich Gedanken über Legalisierung
Auch das Team von Brainstorm am Sander Damm hat sich bereits ausführlich mit dem Thema auseinandergesetzt. In dem Geschäft gibt es jegliches Zubehör für den Konsum von Cannabis (daher auch Headshop genannt). Von Feinwaage bis Bong (spezielle Wasserpfeife) ist hier alles zu bekommen. Aber wie bei Robert Reed stehen hier auch CBD-Öle und Cremes in den Regalen.
1996 eröffnete der Inhaber den kleinen Laden, heute leitet der 71-Jährige das Geschäft mit seinem Sohn. Namentlich möchten die beiden nicht genannt werden. Doch die Hamburger sind sich einig: Die Legalisierung von Cannabis wäre ein großer Fortschritt – gerade um junge Menschen aus der Kriminalität zu holen.
„Es ist nicht fair, wenn Jugendliche wegen zwei Gramm in der Tasche ein Verfahren bekommen“, so der Inhaber. Andere würden aus Neugier auf einer Party an einem Joint ziehen – wenn sie Tage später ins Auto stiegen, sei der Konsum noch immer nachweisbar. Dann sei der Führerschein schnell weg – trotz des langen zeitlichen Abstands. „Natürlich sollte niemand im Rausch fahren, aber die aktuellen Regelungen sind auch nicht richtig.“
Verkauf erfordert womöglich professionell geschultes Personal
Optimistisch sind die beiden jedoch nicht, dass sich bald etwas ändern wird: „Es sind noch zu viele Fragen offen.“ So sei etwa unklar, wie der Verkauf ganz konkret ablaufen sollte und vor allem, wer überhaupt verkaufen darf – gerade nach der Modellphase. Auch wie das Thema „Cannabis-Konsum und Autofahren“ reguliert werden soll, sei bisher ein Rätsel.
Das Team bezweifelt zudem, dass Brainstorm eine Verkaufsstelle werden könnte. Eine der Hürden: Es werde wahrscheinlich professionell geschultes Personal gebraucht. Das könnten sie sich nicht leisten. „Das ist schade, weil wir mit unserer Erfahrung sicherlich gut beraten könnten.“ Aber der Prozess sei einfach zu teuer und zu kompliziert.
Suchtberatung Bergedorf: Legalisierung ist eine Chance
Doch die Perspektive der Bergedorfer CBD-Geschäfte ist nur eine Seite: Auch das Team der Suchtberatung Kodrobs Bergedorf diskutiert viel über die Legalisierung. Bianca Kunze leitet die ambulanten Suchtberatungsstellen in Hamburg. Sie weiß, wie Drogen das Leben vieler Menschen prägen.
Kunze ist der Meinung: Cannabis zu entkriminalisieren, sei eine große Chance, die Risiken dürften aber nicht auf die leichte Schulter genommen werden. „Da muss der Staat schon jetzt Geld in die Hand nehmen und die Suchtpräventions und -beratungsstellen vorbereiten. Auch mit mehr Personal“, so Kunze. Aktuell sei die finanzielle Lage in vielen der Einrichtungen prekär.
Die Zahlen der Jugendsuchtberatung in Bergedorf zeigen: Viele Jugendliche haben hier ein Problem mit Cannabis. 44,7 Prozent der Klienten unter 21 Jahren benannten die Droge als ihr „Hauptproblem“. Unter den Älteren seien es hingegen nur 15 Prozent.
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Das sei auch problematisch, weil das Wachstum des Gehirn noch bis zum Alter von etwa 25 Jahren anhalte, so Kunze: „Bis dahin ist das Risiko, eine Psychose zu bekommen, erheblich größer.“ Beim Konsum von Cannabis bestehe immer die Möglichkeit, eine solche psychische Störung davonzutragen – auch schon nach einmaligem Konsum. „Man kann nie sagen, wie ein jemand auf die Stoffe reagiert. Jeder Körper ist anders“, sagt Bianca Kunze.
Cannabis-Legalisierung: Jugendschutz muss Priorität haben
Nach Ergebnissen der Schulbusstudie zum Suchtverhalten liege das durchschnittliche Erstkonsumalter von Cannabis in Hamburg bei 14,8 Jahren. Es sei also besonders wichtig, dass bei einer Legalisierung der Jugendschutz konsequent eingehalten werde. „Auch wenn Eltern Pflanzen haben, muss natürlich gesichert sein, dass die Kinder keinen Zugang haben.“
Dennoch: In erster Linie wäre die Legalisierung ein richtiger Schritt und ein regelrechter „Paradigmenwechsel in der Sucht- und Drogenpolitik“, so Kunze. Es würde vielen Menschen aus der Kriminalität helfen. „Wenn jemand abhängig ist und dann zusätzlich noch ein Verfahren bekommt oder sogar inhaftiert wird, hilft ihm das sicherlich nicht aus der Sucht.“
Schon jetzt formieren sich in Deutschland erste Social Clubs, um vorbereitet zu sein, wenn es soweit ist. Bis dahin werden alle, die legal kiffen wollen, dafür in andere Länder reisen müssen. Oder zunächst mit den milderen CBD-Produkten vorlieb nehmen.