Moorfleet. Fachklinik für suchtkranke Jugendliche am Moorfleeter Deich um Villa in Tonndorf erweitert. Corona erschwert die Therapie.
Das „Come In!“ wurde in mehrfacher Hinsicht erweitert: Im Rehabereich der Fachklinik für suchtkranke Kinder und Jugendliche am Moorfleeter Deich 341 können nun 26 statt bisher 20 Klienten betreut werden. Außerdem gibt es eine neue Dependance in Tonndorf.
In dem Wandsbeker Stadtteil stehen in einer Villa sechs weitere Betten zur Verfügung. Das Haus trägt den Namen „Get Out!“. Dort finden Kinder und Jugendliche ein Zuhause, die auf der letzten Stufe vor der Selbstständigkeit stehen, erläutert Dr. Milan Perkusic (45), Leiter der Fachklinik.
Nach der Drogentherapie im „Come In!“ geht es jetzt ins „Get Out!“
Nach einjährigem Umbau steht die frühere Beratungsstelle der Therapiehilfe gGmbH, dem Träger des des Come In!, seit Januar für Wohnzwecke zur Verfügung. Von den sechs Betten sind derzeit zwei belegt – von Jugendlichen, die von Moorfleet nach Tonndorf gewechselt sind.
Im Come In! werden die Jugendlichen auf ihr „get out“, ihren Ausstieg zurück ins normale Leben, vorbereitet. „In Moorfleet haben die Jugendlichen eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung. In der Wohngemeinschaft in Tonndorf leben sie viel eigenständiger“, sagt der stellvertretende Come-In!-Leiter Dominique Dahlmann (40). Auch dort sind Drogen und Alkohol strikt verboten. Ein Sozialpädagoge ist als Ansprechpartner nur zu bestimmten Zeiten vor Ort.
Von den 26 Betten im Come In! sind derzeit 23 belegt
Die Erweiterung des Rehabereichs war möglich, nachdem die Therapiehilfe mit Kostenträgern wie den Krankenkassen die Finanzierung finalisiert hatte. „So konnte der Personalschlüssel erhöht werden“, sagt Perkusic.
Von den 26 Betten im Rehabereich des Come In! sind derzeit 23 belegt. Die Patienten durchlaufen eine stationäre Drogentherapie. Sie dauert acht Monate.
Speed, Ecstasy, Kokain, Cannabis und Alkohol
Danach besteht die Möglichkeit, in den zweiten Bereich, die Reintegration/Jugendhilfe, umzuziehen. Wer dort wohnt, der geht in der Regel zur Schule, macht eine Ausbildung oder hat Arbeit. Die jungen Menschen werden weiter von Pädagogen begleitet. Dort gibt es zehn Betten, von denen aktuell drei belegt sind. „In diesem Bereich haben die Jugendlichen die Möglichkeit, ein neues Leben anzufangen“, sagt Dominique Dahlmann.
Die Bewohner sind 14 bis 20 Jahre alt. „In der Regel ist das Verhältnis Dreiviertel Jungs und ein Viertel Mädchen“, sagt Dahlmann. Viele der jungen Menschen haben eine lange Drogensucht hinter sich – Speed, Ecstasy, Kokain, Cannabis und Alkohol, nicht selten wild durcheinander. Wer ins Come In! kommt, hat einen Entzug bereits hinter sich.
Patienten aus dem gesamten Bundesgebiet kommen nach Moorfleet
Weil es nur wenige Einrichtungen wie das Come In! gibt, leben junge Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet am Moorfleeter Deich. Knapp die Hälfte von ihnen schließt die erste Therapie erfolgreich ab. „Die anderen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit schnell rückfällig“, sagt Milan Perkusic.
Von denen kehren wiederum einige zurück, um eine zweite Therapie zu beginnen. Die meisten der jungen Menschen hätten neben ihrem Suchtproblem psychische Begleiterkrankungen, etwa Persönlichkeitsstörungen, Depressionen und Traumata, berichten die Einrichtungsleiter.
Neues Leitungsduo ist seit rund eineinhalb Jahren im Einsatz
Die Jugendlichen haben alle ihre bewegte Geschichte – und die lässt auch die Profis nicht kalt. Deshalb gibt es für die Mitarbeiter einmal im Monat ein Gesprächsangebot durch einen externen Fachmann.
Perkusic und Dahlmann sind als neues Leitungsduo seit eineinhalb Jahren am Moorfleeter Deich im Einsatz. Perkusic ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Dahlmann ist Diplom-Pädagoge.
Corona-Zeit erweist sich auch in der Therapie als große Herausforderung
In Come in! und Get Out! sind 40 Mitarbeiter in Voll- und Teilzeit beschäftigt, darunter Psychologen, Mediziner, Krankenschwestern und -pfleger, Therapeuten und Verwaltungskräfte. Die jungen Klienten bekommen viel ehrenamtliche Unterstützung: der Verein Licht im Schatten spendet häufig Geld, Privatpersonen opfern ihre Freizeit.
Corona stellt für alle Beteiligten im Come In! eine große Herausforderung dar. Schon Anfang März 2020, noch vor dem ersten Lockdown, wurde das Haus von der Außenwelt abgeschottet. Besuche wurden gestrichen, Ausflüge wurden abgesagt, die Jugendlichen durften nicht mehr raus. Perkusic: „Wir wägen sorgfältig ab, welche Besuche therapeutisch relevant sind.“
Besuche im Haus bleiben verboten, Telefonzeiten sind ausgeweitet
An den Weihnachtstagen wurde eine Ausnahme gemacht und Familienbesuche zugelassen. Auch an ihren Geburtstagen dürfen die Jugendlichen für einige Stunden ihre Familie besuchen. Ansonsten seien die gesetzlich erlaubten Ein-Personen-Besuche in dem Haus mit seinen vielen Bewohnern nicht zu koordinieren, betonen die Leiter. Dafür wurden die Telefonzeiten erweitert. Die Jugendlichen verfügen nicht über eigene Handys.
Inzwischen gibt es Corona-Schnelltests im Haus. Wenn Jugendliche ausreißen und wieder zurückkehren müssen sie einen Test machen. Sie müssen dann auch ausnüchtern und in die mehrtägige Corona-Isolation. Die Gesamtsituation schlage den Jugendlichen aufs Gemüt, betonen die Leiter. „Doch keiner hat deshalb abgebrochen“, stellt Perkusic anerkennend fest.