Hamburg. Ralph Ottensmeyer eröffnete seine „Schreibkultur“ im Sachsentor vor der Pandemie. Seine Strategien gegen diese und andere Krisen.
„Wir hatten es uns einfacher vorgestellt“, sagt Ralph Ottensmeyer. Vor annähernd drei Jahren, im August 2020, eröffnete er gemeinsam mit seiner Ehefrau das Fachgeschäft „Schreibkultur“, trat damit am selben Ort die Nachfolge von Papyrus im Sachsentor in Bergedorf an. Vier Monate später, mitten im Weihnachtsgeschäft, musste der Einzelhandel coronabedingt schließen – ein schwerer Schlag für Ottensmeyer, der sich fünf Monate lang mit „Call and Collect“-Handel mit Behelfstresen an der Ladentür behelfen musste.
Gleichwohl zieht er gegen Ende seines dritten Jahres in Bergedorfs Einkaufsmeile eine überwiegend positive Bilanz: „Die staatlichen Hilfen haben uns damals über die Durststrecke gebracht.“Als Neuling in der Branche brauchte Ralph Ottensmeyer ein ganzes Jahr, bis er einigermaßen herausgefunden hatte, mit welchem Sortiment er bei den Bergedorfer Kunden punkten kann.
Einzelhändler im Sachsentor: Seine Strategien gegen die Krisen
Er musste aber auch feststellen, dass Corona nicht das einzige Problem des stationären Einzelhandels ist. „Dass die Schließung von Staples am Curslacker Neuen Deich uns nicht ein bisschen Auftrieb verschafft hat, fand ich schon überraschend“, beschreibt der studierte Chemiker, der sich mit „Schreibkultur“ erstmals selbstständig gemacht hat. Er musste feststellen: „Einfache Artikel wie Druckerpapier oder Einmal-Kugelschreiber kaufen die Kunden heute im Internet und nicht mehr im Geschäft. Staples hatte nicht ohne Grund das Geschäft aufgegeben.“
Wenn Du mit Deinem Fachgeschäft bestehen willst, darf Dein Sortiment nicht von der Stange sein, erkannte er. Und Du musst das Einkaufen für D^eine Kunden als Erlebnis inszenieren. „Mit Artikeln, die man vor dem Kauf gern anfassen möchte, erfreut man die Kunden“, sagt Ottensmeyer und weist inmitten Hunderter Schreibgeräte, Grußkarten, Geschenkartikel, Blocks und Hefte (insgesamt knapp 2000 Artikel auf 100 Quadratmetern Ladenfläche) auf einen formschönen Magnetkalender, auf dessen Rundungen man täglich Kugeln für Wochentag, Datum oder Monat versetzt. „Damit spielt man gern herum.“
Das A und O: Beratung, Beratung, Beratung
Auch hochwertige Füllfederhalter oder Kugelschreiber nimmt der Kunde nach Ottensmeyers Worten vor dem Kauf lieber mal in die Hand. „Da bieten wir einfach mehr Einkaufsqualität als das Internet.“ Und natürlich: Beratung, Beratung, Beratung. Die ist beim Kauf von Schreibgerät ebenso gefragt wie bei der Ausstattung von Schulanfängern – auch wenn „Schreibkultur“ sein Sortiment an Schulranzen in diesem Jahr komplett aufgegeben hat: „Zu wenig Platz. Da können wir mit dem Angebot von Hartfelder am Kupferhof nicht mithalten.“
An das vor Kurzem angelaufene Citymanagement, das gemeinsam mit einem Künstler- und Handwerkerhaus in der früheren „Only“-Filiale nahe dem Bergedorfer Markt einziehen soll, hat der Einzelhändler keine hohen Erwartungen: „Was da passieren soll, klingt mir alles noch sehr unkonkret. Die beiden Damen brauchen doch mindestens ein Jahr, bis sie sich orientiert haben. Und insgesamt läuft ihr Vertrag nur zweieinhalb Jahre.“ Wer sich auf Hilfe von anderen verlässt, ist am Ende selbst verlassen, findet Ottensmeyer. „Man muss schon selbst etwas in Bewegung setzen.“ Damit meint er etwa die leckeren Dips, die er beim letzten verkaufsoffenen Sonntag vor dem Geschäft serviert hat. Auch fürs nächste verkaufsoffene Wochenende am 1. und 2. Juli steht bei ihm einiges auf dem Programm: Füllerüberprüfung und -reinigung durch die Firma Lamy, Schulanfänger-T-Shirts, Malwettbewerb, Dosenwerfen für Kinder, Ballontiere drehen, Seifenblasen.
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Mit kleinen und großen Kunden ins Gespräch kommen, ihnen positiv gegenübertreten - das ist Ralph Ottensmeyers Rezept. „Der Umgang mit Menschen ist einfach etwas Schönes. Wenn ich sie anstrahle, strahlen sie zurück.“ Demnächst spendet er Einkaufsgutscheine in Höhe von 300 Euro an den Kindergarten Mohnhof. „Dann finden die Kinder schon mal den Weg in unser Geschäft.“ Weitere Kitas in Bergedorf und Umgebung sollen folgen.“