Hamburg. Neue Schau im Schloss dokumentiert Historie von rund 500 Vereinen der Region. Mit geselligen Männerrunden fing einst alles an.
Im Korkenclub „Spätlese“ aus Zollenspieker verlangt die Aufnahmeprüfung den Verzehr von 100 Gramm Schokolade, eines doppelten Korns, eines halben Liters Wein sowie das Aufrauchen einer ganzen Zigarre binnen 15 Minuten.
Mitglieder führen einen Korken in Auto oder Hosentasche bei sich. Versäumnisse und Satzungsverstöße werden mit Strafgebühren geahndet. Die Einnahmen fließen in Ausfahrten, den Korkenball und Knobelabende.
Neue Ausstellung: „Vereine in Bergedorf – bist Du dabei?“
Der Zollenspieker Verein ist nicht der einzige Korkenclub in den Vier- und Marschlanden. Der erste gründet sich 1886 in Tatenberg, 1976 und 1983 folgen weitere. Zweck dieser jeweils reinen Männervereine ist laut Satzung die gemütliche Zusammenkunft bei alkoholischen Getränken.
„Geselligkeitsvereine“ wie diese bilden nur eines von einem guten Dutzend Kapiteln der neuen Ausstellung, die ab sofort im Bergedorfer Schloss besucht werden kann. Unter dem Titel „Vereine in Bergedorf – bist Du dabei?“ präsentieren Museums-Chefin Dr. Schanett Riller und ihr Team mehr als 500 frühere oder – überwiegend – noch heute bestehende Vereine aus dem Großraum Bergedorf.
Illustre Namen: Vom Krieger-Verein bis zur Bürgerbühne
Von Abflug (Stand-Up-Paddler am Hohendeicher See) bis Zornrot (Beratung und Information bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche) finden sich so illustre Namen wie der Bergedorfer Radfahrerverein von 1892, Geesthachter Krieger-Verein von 1876, der Gabelsberger Stenographenverein Bergedorf von 1898, Quartettverein, dazu aber auch die Lohbrügger Bürgerbühne oder der Rudolf-Steiner-Schulverein Bergedorf.
„Als sich im 19. Jahrhundert mit Einführung der Versammlungsfreiheit deutschlandweit Vereine gründen, finden sich auch in Bergedorf begeisterte Aktivisten“, beschreibt Schanett Riller. „Turnvereine, Bürgervereine und Liedertafeln entstehen neben Militär- und Schützenvereinen. Mit dem Aufkommen von mehr Freizeit bildet sich eine auf Vereinen beruhende Geselligkeitskultur rund um Schützenfeste, Singspiele und Straßenumzüge oder Hobbys wie Tierzucht und Briefmarkensammeln.“
„Das Vereinsleben hat sich gewandelt“, aber von Aussterben keine Spur
Doch wie steht es 150 Jahre später um das gesellschaftliche Phänomen Verein? Schrecken Vereine heute junge Menschen ab? Stirbt diese alte Organisationsform aus? Oder sind Vereine noch in Mode?
„Das Vereinsleben hat sich gewandelt, aber von Aussterben kann in Bergedorf keine Rede sein“, sagt Riller und nennt als Beispiele das Genre Heimatverein in den Vierlanden. Doch „Unser Dorf erhalten e.V.“ in Ochsenwerder konzentriert sich nicht wie frühere Heimatvereine auf die Pflege historischen Kulturguts, sondern verfolgt lokalpolitische Ziele.
Besucher können interaktiv an der Ausstellung mitwirken
Im interaktiven Teil bittet die Ausstellung gleich zu Beginn um Mithilfe bei der Suche nach weiteren Vereinen aus der Region. „Wer einen früheren oder heutigen örtlichen Verein kennt, der nicht hier bei uns gelistet ist, kann dessen Namen auf einem Zettel notieren und in die Box werfen“, bittet Riller. Ein Blick ins heutige Vereinsregister garantiere nämlich keine Vollständigkeit, weil dieses hamburgweit sortiert ist und oft keine Hinweise auf den Heimatbezirk eines Vereins gebe.
Jeder dritte Bundesbürger ist nach ihren Worten Mitglied in einem Verein. Über 600.000 Vereine existieren in Deutschland heute, in Hamburg waren es im Jahr 2016 genau 9788.
Mehr als großflächige Vereinsbanner im Fundus
Wie viele Vereinsmitglieder sich unter den Besuchern der Ausstellung befinden, versucht in der oberen Etage ein Zählwerk mit roten und blauen Kugeln zu ermitteln (rot für die Damen, blau für die Herren). Sie können von den Gästen wahlweise in den Boxen „Vereinsmitglied ja“ oder „Vereinsmitglied nein“ platziert werden.
Mehr als 50 großflächige Vereinsbanner befinden sich im Fundus des Museums. Sie alle im Original zu zeigen hätte den räumlichen Rahmen der Ausstellung bei Weitem gesprengt. Stattdessen hat das Museums-Team sie im Dia-Format abfotografiert und projiziert diese nun in Endlosschleife an die Wand. „Das Banner war für viele Vereine ein kleines Heiligtum“, schildert Riller. „Manche gaben dafür ein ganzes Jahresvermögen aus und zelebrierten dann eine Bannerweihe.“
Als noch in Kneipen und Gaststätten geturnt wurde
Spannend ist auch der Blick auf die früheren Vereinslokale in der Region – Gasthof Achterdiek in Altengamme oder Gaststätte „Zum Dornbusch“ in Zollenspieker. Die Mehrzahl der Vereine hatte und hat auch heute kein eigenes Vereinshaus. Schanett Riller: „Bevor es Turnhallen gab, wurde sogar im Vereinslokal geturnt.“