Hamburg. In Hamburg dürfen Mitglieder Freiwilliger Wehren bei Alarmierung keine Sonderrechte nutzen. Und müssen auch Umwege in Kauf nehmen.

Autofahrer wurden vom Kirchwerder Marschbahndamm verbannt. Die Straße ist plötzlich ein Fuß- und Radweg. Betroffen ist der Abschnitt zwischen Kirchwerder Mühlendamm und Kirchenheerweg. Nicht nur Anwohner ärgern sich über eine „Nacht-und-Nebel-Aktion“. Betroffen ist auch die Freiwillige Feuerwehr Krauel, deren Feuerwehrhaus sich am Kirchwerder Marschbahndamm 259 befindet, nicht weit entfernt von dem nun für Autos gesperrten Abschnitt.

Vier der 37 Mitglieder der Einsatzabteilung müssen jetzt deutliche Umwege in Kauf nehmen, um nach der Alarmierung mit ihren privaten Pkw zum Feuerwehrhaus zu gelangen. Im Ernstfall kann so wertvolle Zeit verloren gehen, bevor die Retter an den Einsatzort ausrücken können.

Freiwillige Feuerwehr Hamburg: Fehlende Sonderrechte bremsen die Retter

Die Hamburger Polizei verweist auf Anfrage der Bergedorfer Zeitung auf Paragraf 35 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Er besagt, dass die Feuerwehr und der Katastrophenschutz von den Vorschriften der StVO befreit sind, soweit dies zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Bei der Freiwilligen Feuerwehr trifft diese Aussage einen Nerv.

Marschbahndamm
Der Kirchwerder Marschbahndamm darf neuerdings zwischen Kirchwerder Mühlendamm (Foto) und Kirchenheerweg nur noch von Fußgängern, Radfahrern sowie wenigen Landwirten und Anwohnern vom Kirchwerder Mühlendamm aus befahren werden. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

Denn anders als in manch anderen Bundesländern, etwa in Schleswig-Holstein, können sich in der Hansestadt Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren nicht auf Paragraf 35 StVO berufen. Die Innenbehörde untersagt den Rettern die Inanspruchnahme von Sonderrechten. Heißt: Ob Tempo-30-Zone oder Durchfahrtsverbot, auch auf dem Weg zu einem Einsatz müssen sich die Feuerwehrleute in ihren Privatwagen an alle Regeln halten.

Hamburger Innenbehörde sieht „unverhältnismäßig hohes Unfallrisiko“

Die Innenbehörde hat dies im Dezember 2000 gegenüber dem „Feuerwehr-Magazin“ mit der gleichzeitigen Alarmierung von Einheiten der Berufsfeuerwehr begründet. Daher bestehe keine zwingende Notwendigkeit zur Inanspruchnahme von Sonderrechten mit Privatfahrzeugen. Dies wäre in Hamburg „schon aufgrund der hier bestehenden hohen Verkehrsdichte und der Häufigkeit der Alarmierungen mit einem unverhältnismäßig hohen Unfallrisiko verbunden“, teilte die Behörde damals mit.

Doch fast alle Vierländer Wehren sind Erstversorgungswehren, die parallel zur Berufsfeuerwehr alarmiert werden – und das aus gutem Grund: In Hamburg soll der Rettungsdienst innerhalb von acht Minuten am Einsatzort eintreffen. Doch diese Vorgabe kann die in Bergedorf stationierte Berufsfeuerwehr aufgrund der Entfernung nicht immer einhalten, wenn es um Notfälle in den weitläufigen Vier- und Marschlanden geht. Im Gegensatz zu den Freiwilligen Wehren, die oft früher eintreffen und deshalb die Erstversorgung leisten.

Bundesländer behandeln das Thema Sonderrechte unterschiedlich

Von der Hamburger Feuerwehr soll es auch eine entsprechende Anweisung geben, die die Dienstanweisung der Innenbehörde unterstreicht. Harald Burghart, Landesbereichsführer, will sich dazu nicht weiter äußern und verweist an die Pressestelle der Feuerwehr. Die erklärt, sie müsse sich erst noch „mit der Geschäftsstelle der Freiwilligen Feuerwehr abstimmen und Rücksprache halten“. Dies erfordere noch einige Tage Zeit, sei kurz vor dem Jahreswechsel nicht möglich, zumal es sich um ein komplexes Thema handle.

Die Durchführung der StVO sei eine Angelegenheit der Bundesländer, hatte der damalige Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) im Jahr 2001 betont, als er um eine Stellungnahme zu dem Problem gebeten wurde. Er bat damals um Verständnis dafür, „dass es in diesem Zusammenhang in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Auffassungen geben kann“.  

Nutzung der Sonderrechte muss stets „dringend geboten“ sein

So sind die Freiwilligen Feuerwehrleute in Schleswig-Holstein mit den Sonderrechten des Paragrafen 35 nicht nur bei Fahrten mit privaten Wagen zum Einsatzort oder zum Feuerwehrstützpunkt ausgestattet. Sie können auch bei Übungsfahrten mit den Einsatzfahrzeugen Sonderrechte nutzen. Ein Hamburger Feuerwehrmann hält das für sinnvoll, schließlich müsse auch die Fahrt mit Martinshorn und Blaulicht trainiert werden.

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Auch in Bremen können laut einer Ausarbeitung der Feuerwehr-Unfallkasse Niedersachsen Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr im Alarmfall auf der Fahrt zur Einsatzstelle oder zum Feuerwehrstützpunkt die Sonderrechte gemäß Paragraf 35 Absatz 1 StVO in Anspruch nehmen. In jedem Fall gilt, dies muss „dringend geboten“ sein und ein Wegerecht (Recht auf „freie Bahn“) ist damit nicht verbunden. Kommt es zu einem Unfall, muss sich der Fahrer gegebenenfalls vor Gericht verantworten.

Kirchwerder Marschbahndamm: CDU drängt auf Rücknahme der Sperrung

Unterdessen drängt die Bergedorfer CDU auf einen Rückbau der neu aufgestellten Schilder am Marschbahndamm: „Selbst wenn dort Feuerwehrleute mit Sondergenehmigung in ihren Privatwagen unterwegs sein dürften, würde es Probleme mit Radfahrern und Fußgängern geben, weil die Einsatzkräfte ja nicht als Feuerwehrleute erkenntlich sind“, sagt Bernd Capeletti. „Ohne Blaulicht und Sirene sind sie ja nicht als solche zu erkennen.“

Der CDU-Mann fordert deshalb, dass der betreffende Abschnitt des Marschbahndamms wieder grundsätzlich für den Autoverkehr freigegeben wird. Über die Lösung des Problems – durch die frisch bezogene Stadtteilschule Kirchwerder an der Ecke Marschbahndamm/Kirchenheerweg sind deutlich mehr Schulkinder auf dem alten Bahndamm unterwegs – müsse an einem Runden Tisch mit Politik, Verwaltung, Verkehrspolizei, Feuerwehr und Anliegern diskutiert werden.

CDU hält Tempo 30 oder Freigabe nur für Anlieger für denkbare Lösung

„Denkbar ist beispielsweise, die Straße nur für Anlieger freizugeben oder dort Tempo 30 vorzuschreiben“, sagt Capeletti. Er wolle „nicht, dass die Polizei hier mit der Hauruck-Methode durchkommt“, betont der Christdemokrat. Schließlich sei der betreffende Marschbahndamm-Abschnitt nach dem Wegegesetz als öffentliche Verkehrsfläche gewidmet. „Das ist in der Flurkarte sogar entsprechend gewidmet“, sagt Capeletti. Ohne politische Zustimmung könne das nicht einfach geändert werden.