Hamburg. Beim Regionalausschuss kam erneut Ärger über die häufig rücksichtslosen Radsportler hoch. Ein Urteil dazu überraschte die Teilnehmer.

Der Marschbahndamm zwischen Tatenberg und Altengamme gehört zu den beliebtesten Ausflugsstrecken in den Vier- und Marschlanden. Dort, wo früher die Schienen der Kleinbahn verliefen, sind vor allem in den wärmeren Monaten zahlreiche Spaziergänger und Radfahrer unterwegs – allerdings nicht immer im angemessenen Tempo. Denn auch Rennradfahrer haben die etwa 33 Kilometer lang Strecke längst für sich entdeckt und würden dabei nicht immer mit der nötigen Rücksicht unterwegs sein.

„Es gibt dort massive Probleme“, kritisierte Anwohner Karsten Paulssen aus Ochsenwerder im jüngsten Regionalausschuss. Selbst ältere Damen würden dann schon mal rigoros zur Seite geklingelt werden, könnten sich Spaziergänger nur noch durch einen Sprung in die Büsche retten, wenn Rennradfahrer rücksichtslos mit hohem Tempo an ihnen vorbeirauschen, schilderte Paulssen seine Eindrücke. Er regte an, das Winterhalbjahr zu nutzen, um sich etwa zu überlegen, wie man das Problem in den Griff bekommen könnte.

Diskussion um Maßnahmen gegen rasende Rennradfahrer

Es sei keinesfalls so, dass nicht bereits Maßnahmen ergriffen werden, betonte Björn Schramm, Leiter der Bergedorfer Verkehrspolizei. Vor allem nachdem im vergangenen Jahr ein Rennradfahrer bei einem Unfall auf dem Hauptdeich tödlich verletzt wurde, habe die Polizei ihre Bemühungen noch einmal intensiviert, erklärte Schramm. Allerdings würden ihre Mittel vornehmlich in der Prävention und Aufklärung liegen. Das Empfinden für die Gefahren müsse in die Köpfe kommen, betonte Björn Schramm.

Dass das nachhaltig klappt, sei fraglich, solange Rennradfahrer sich auch noch regelmäßig selbst gefährden, meint Schramm. Das sei auf dem Hauptdeich noch wesentlich ausgeprägter als auf dem Marschbahndamm: Allein im ersten Halbjahr 2024 hatte es sechs Unfälle auf der Hauptdeichlinie gegeben, bei denen Radfahrer auf geparkte Autos geknallt waren und sich dabei zum Teil schwer verletzten. Im September folgten zwei weitere Unfälle innerhalb von nur einer Woche.

Einsatz von Tempo-Messgeräten oder weiterer Halbschranken gefordert

Daher sei fraglich, ob durch das Aufstellen weiterer Schilder am Marschbahndamm sich wirklich an dem Verhalten etwas ändern würde, meint der Verkehrspolizeichef. Und Sanktionen seien nur möglich, wenn ein Fehlverhalten von der Polizei direkt beobachtet werden würde. Das allerdings erfordere Kraft, Ausdauer und viel Manpower, gibt Schramm zu bedenken. Nichtsdestotrotz werde man sich dem Thema verstärkt widmen und die Bemühungen intensivieren.

Auch das Aufstellen von Tempo-Messgeräten oder weiteren Halbschranken könnten Mittel sein, um die Rennradfahrer „auszubremsen“, meint der Ausschuss. Jörg Froh (CDU) regte an, einen Referenten der Verkehrsdirektion in den Ausschuss einzuladen, um zu klären, was als Rennradfahrer erlaubt ist und was eben nicht. Den Blick während der Fahrt zu senken, ist jedenfalls nicht erlaubt. So lautet zumindest ein Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg, auf das Heinz Jarchow (SPD), selbst Rechtsanwalt, im Ausschuss verwies.

Oberlandesgericht urteilt: Mit gesenktem Blick sind 0 Stundenkilometer erlaubt

In dem Prozess hatte ein Rennradfahrer Schadensersatz gefordert, nachdem er auf ein Auto aufgefahren war, dessen Fahrer am Fahrbahnrand angehalten hatte, um zu telefonieren. Nachdem bereits das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, hatte auch die Berufung am Oberlandesgericht keinen Erfolg. Demnach liege die erlaubte Höchstgeschwindigkeit eines Rennradfahrers, der den Blick gesenkt hat, bei 0 Stundenkilometern, da die übersehbare Strecke 0 Meter beträgt.

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Ein Parkverbot entlang des Deiches werde es in jedem Fall nicht geben: Denn bei den Verkehrsunfällen im Zusammenhang mit Rennradfahrenden, die auf haltende oder parkende Autos bei zumeist weit vorausschaubaren Straßenverläufen auffahren, handele es sich laut der Verkehrsdirektion um sogenannte Eigenunfälle, die keine Begründung für eine solche Maßnahme wären. Zugleich kann es Rennradfahrern aber auch nicht verboten werden, dort zu trainieren.

Weder Halteverbot auf dem Deich noch Radfahrverbot können eine Lösung sein

Schließlich sind die Deichstraßen von allen Verkehrsarten nutzbar und unterliegen damit dem Gemeinverbrauch, erklärt die Polizeipressestelle. Das bedeute im Umkehrschluss, wenn eine bestimmte Verkehrsart wie Radfahrende ausgeschlossen werden sollen, müsste die Straße umgewidmet oder teilentwidmet werden. Das würde aber nicht nur die Rennradfahrende, sondern alle Fahrradfahrende von diesen Straßen ausschließen. „Das als gerichtsfeste Maßnahme anordnen zu können, ist nach fachlicher Einschätzung unwahrscheinlich“, teilt die Polizei mit.