Hamburg. Die traditionellen Wochenmärkte sind in der Krise. Welche Maßnahmen die Stadt ergreifen will und was die lokalen Händler davon halten.
Die Bergedorfer Wochenmärkte schrumpfen. Zuletzt ging die Zahl der Händler von 2018 bis 2023 um ein Viertel zurück. Der Bezirk ist allerdings nicht allein mit diesen Problemen. Überall in Hamburg beschäftigen sich Betroffene und Behörden mit der Frage: Wie kann der traditionelle Markt fit für die Zukunft gemacht werden? Im Bergedorfer Wirtschaftsausschuss verkündete Sören Lemke von der Wirtschaftsbehörde der Hansestadt zuletzt den aktuellen Stand der Pläne und machte klar: Es wird ein steiniger Weg.
„Wir können nicht einfach alle Märkte in Hamburg mit einem Gesetz retten“, betonte Lemke, der in der Hansestadt auch für Dom und Hafengeburtstag zuständig ist. Auch, weil nicht alle Entscheidungen zwischen Elbe und Alster getroffen werden. Der von vielen Händlern geforderte Abbau von Bürokratie müsste Lemkes Meinung nach eher in Berlin angestoßen werden. Der Mann aus dem Rathaus räumte außerdem ein, dass durchaus die These im Raum stehe, dass Wochenmärkte nicht mehr zeitgemäß sind.
Mehr Menschen sollen auf dem Bergedorfer Wochenmarkt einkaufen
Die Probleme sind bekannt: Die Kundschaft sei oft eher älter, die Öffnungszeiten zu begrenzt, die Besucher dem Hamburger Schmuddelwetter ausgesetzt. „Es wird außerdem einfach weniger gekocht und dafür frisch eingekauft“, so Lemke. Die Händler haben zudem Probleme, Nachfolger für ihre Stände zu finden. Der Vertreter der Wirtschaftsbehörde zog eine wenig ermutigende historische Parallele: „Früher haben auch alle den Tante-Emma-Läden nachgeweint und sind dann doch in den Discounter gegangen.“
Doch bei allen Herausforderungen gibt es auch eine andere Theorie. Demnach sind Märkte mit ihrem Fokus auf frische, saisonale und regionale Produkte eigentlich am Puls der Zeit und brauchen nur eine Frischzellenkur sowie geschickteres Marketing. Auch wenn noch keine konkreten Maßnahmen feststehen, ist es deshalb sehr wahrscheinlich, dass sich Hamburg für eine großangelegte Werbekampagne entscheiden wird. Sören Lemke warnt aber: „Keine Schnellschüsse“.
Bergedorfer Händler sieht Vorschläge der Behörde skeptisch
Höchstwahrscheinlich dürfte auch ein sogenannter „Kümmerer“ kommen. Ein Geschäftsführer, bei dem alle Fäden für sämtliche Märkte in der Hansestadt zusammenlaufen. Der könnte sich dann auch für Events zuständig fühlen, die neue Käuferschichten anlocken sollen, zum Beispiel durch einen Halloween-Markt. Eine weitere Idee sind „Frequenzbringer“, wie ein Fahrradreparaturservice, bei dem die Marktkunden ihre Drahtesel abgeben können, den Wocheneinkauf erledigen und das Rad dann abholen.
Grundsätzlich gute Ideen, findet Fischhändler Sebastian Baier aus Börnsen, der seit Jahren seine Ware auf dem Markt an der Chrysanderstraße verkauft. Doch dem Fachmann für Meeresgetier fehlt das Vertrauen, dass die Hamburger Behörden solche Vorhaben auch umsetzen können. „Es gibt einfach keinen langfristigen Plan“, kritisiert Baier. Marketingkampagnen in der Vergangenheit seien verpufft. Übriggeblieben sind in Bergedorf nur die Hinweisschilder, auf denen nicht einmal die Öffnungszeiten des Markts stimmen.
Fischhändler reagiert auf verändertes Einkaufsverhalten
Dabei bieten für Baier gerade die Bergedorfer Wochenmärkte viel Potenzial. „Wir sind das Mittelstück zwischen Stadt und Land“, sagt der Fischhändler. Die Stände seien Schaufenster für die Produkte aus den Vier- und Marschlanden. „Die Waren sind frisch und teils günstiger als im Supermarkt“, wirbt der Händler für sein Angebot und das seiner Kollegen. Von den Behörden wünscht sich Baier, auch kritisch über Vorschriften nachzudenken. Dass es in Bergedorf verboten sei, sein Rad über den Markt zu schieben, sei nicht mehr zeitgemäß. „Die Leute sollen das Auto stehen lassen, aber wo soll man hier dutzende Lastenräder abstellen, dafür ist kein Platz“, sagt Baier.
Die Geschäfte am Fischstand laufen weiterhin gut. Auch, weil sich Baier an die veränderten Zeiten und dem neuen Einkaufsverhalten angepasst hat. „Fischhändler, die hier immer noch den Karpfen geschlachtet haben, sind verschwunden“, betont er. Unter der Woche bieten Baier und sein Team viele Salate und vorbereitete Gerichte an, die Käufer nach der Arbeit nur noch aufwärmen müssen. „Am Wochenende kochen die Leute dann gern aufwendig. Dann muss man aber auch entsprechende Delikatessen im Angebot haben“, so Baier.
Spätere Öffnungszeiten könnten Chance für Wochenmärkte sein
Weil heute in vielen Familien beide Partner berufstätig sind, plädiert Baier für spätere Öffnungszeiten. „In Eppendorf laufen die Geschäfte bis 18 Uhr gut“, sagt der Fischhändler. Er hatte 2015 bei einem Modellversuch in Bergedorf gute Erfahrungen gemacht. Damals war mit anderen Ständen zusammen freitags bis 16 Uhr am Schlosspark vertreten. Sören Lemke hatte im Ausschuss allerdings klargemacht, dass längere Öffnungszeiten für Händler mit eigenem Bauernhof eine große Belastung seien.
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Auch die von vielen Kunden gewünschte bargeldlose Zahlung sei laut Lemke für so manchen Händler ein Problem. „80 Prozent der Beschicker möchten keine digitalen Zahlungsmittel einführen“, sagte er im Ausschuss. Sebastian Baier gehört nicht dazu. „Wir haben seit 15 Jahren EC-Geräte“, so der Fischhändler. Er habe aber auch beobachtet, dass gerade in Bergedorf an vielen Orten noch Bargeld Trumpf sei.
Auch Martin Elsner, der seit 32 Jahren auf den Bergedorfer Wochenmärkten Südfrüchte und Obst verkauft, macht sich keine Illusionen: „Bargeldlose Zahlung muss man anbieten.“ Der Börnsener gibt aus Altersgründen zum Jahresende seinen Stand auf. Eine Nachfolgerin ist allerdings schon gefunden. Die Geschäfte liefen auch zuletzt gut. „Im Sommer ist das hier ein Selbstläufer“, sagt Elsner. Schwieriger sei die kalte Jahreszeit. Sören Lemke schlug deswegen auch vor, die Märkte nach drinnen zu verlegen, zum Beispiel in ein Parkhaus. Für Elsner keine gute Idee. In Deutschland gebe es nicht so schöne Markthallen wie in Südeuropa. „Die Stammkunden kommen auch bei Regen“, sagt der Obsthändler.