Hamburg. Eigentlich sollte seit Kurzem auf großen Anzeigetafeln an den Straßen auf die Märkte hingewiesen werden. Doch die Idee ist umstritten.
Hier flimmert bislang noch nichts. Weder an der Einmündung Nettelnburger Landweg/Rahel-Varnhagen-Weg noch am Curslacker Neuen Deich 66 oder an der Bergedorfer Straße 85: Auf den drei großen elektronischen Werbetafeln der Firma Ströer sollten eigentlich seit Kurzem die Öffnungszeiten der hiesigen Wochenmärkte (Bergedorf, Lohbrügge, Bergedorf-West, Neuallermöhe) für einige Sekunden aufleuchten. Doch die Idee aus der Bergedorfer Politik findet offenbar bei den immer weniger werdenden Marktbeschickern keine uneingeschränkte Zustimmung, wie im Ausschuss für Wirtschaft und Verbraucherschutz deutlich wurde. Ein Knackpunkt ist die Finanzierung.
In der Ausschusssitzung nannte der Chef des Verbraucherschutzamts, Jörn Schulz, die Kosten für die Werbezeiten auf den Ströer-Tafeln: 20.000 Euro im Jahr habe es auf Nachfrage geheißen, das entspreche 30 Cent pro laufendem Standmeter für jeden Markthändler. Wochenmarkthändler werden als Teil des privatwirtschaftlichen Systems angesehen, die wie andere Kunden für elektronische Werbung zahlen müssten. Eingeblendet würden die Öffnungszeiten an den entsprechenden Markttagen jeweils für drei bis vier Sekunden über einen Zeitraum von vier Stunden.
Digitalwerbung für Wochenmärkte: Echo unter Beschickern nicht einheitlich
„Ich halte das für vertretbar, zusätzliche Werbung ist gut“, meint der Präsident des Landesverbands des ambulanten Gewerbes und der Schausteller, Wilfried Thal, den der Ausschuss eingeladen hatte. Doch Thal muss auch einschränken – aus zweierlei Gründen: Da ist zum einen das Echo derjenigen, die er vertritt: „Ich kann nicht die Hand für alle Marktbeschicker heben“, gibt er die Stimmung der Händler wieder. Die sehen sich angesichts von zunehmender Bürokratie und Nachwuchssorgen in einem Existenzkampf, der durch Werbung nicht überwunden würde.
Zum anderen sieht der Gewerbepräsident auch den Bezirk Bergedorf in der Pflicht, sich und seine Vorzüge besser zu verkaufen und bekannter zu machen. Thal weiß, „dass Bergedorf viel zu bieten hat, was man auch kommunizieren sollte“. Ansonsten drohe aus seiner Sicht schnell der Eindruck, Bergedorf mutiere zu einem „Schlafort“. Im Sinne vieler Publikumsmagnete hält er es für vertretbar, dass der Bezirk für Werbezwecke selbst Geld in die Hand nehme: „Ich würde beim Betreiber der Tafeln versuchen, ein vielfältigeres Paket für den Gesamtbezirk zu erreichen.“
Welches Instrument der Reklame der Wirtschaftsförderin vorschwebt
„Den Gedanken, digitale Werbung für Markt-Werbezeiten in eine Bergedorfer Gesamtstrategie einzupreisen, kann ich nachvollziehen“, sagt Ernst Heilmann von den Linken, der sich dennoch wünscht, dass sich die Beschicker finanziell beteiligen. Deutlicher wird SPD-Mann Burkhard Stasik: „Mich bestürzt die Sparsamkeit des Verbands der Marktbeschicker. Für weniger Euro pro Händler kann man Werbung doch gar nicht bekommen.“ Ausschusschef Bernd Capeletti (CDU) bringt in Sachen Kostenübernahme das von Bundesmitteln geförderte Citymanagement „Bergedorf Now“ in die Debatte ein.
Doch das sei keine Option, weiß Bergedorfs Wirtschaftsförderin Marlene Sandecki, die einen solchen Betrag nicht nachträglich für 2024 in „Bergedorf Now“ einstellen könne. Bei der Bewerbung sowohl der Marktzeiten als auch von gesellschaftlichen, kulturellen und sonstigen Ereignisse in Bergedorf favorisiert Sandecki auch eher die „ganzheitliche Sicht“. Ihr Lieblingskind ist dabei ist der Aufbau eines „touristischen Leitsystems“ ebenfalls auf digitaler Grundlage. Wie das genau aussehen könnte, werde noch vorbereitet.
Wochenmärkte schrumpfen seit Jahren
Um unter anderem dem Bezirksamt noch Zeit für ein generelles Werbekonzept für den Bezirk zu gewähren, regte Capeletti an, das Werbe-Thema in der Juni-Sitzung des Fachausschusses nochmals aufzugreifen. Diese Meinung setze sich mehrheitlich durch. Obwohl es pressiert, denn die vier Bergedorfer Märkte kriseln weiter: Laut Bezirksamt ist die Auslastung 2020 bis 2023 am stärksten auf dem Lohbrügger Wochenmarkt an beiden Tagen (mittwochs von 77 auf 57 Prozent, sonnabends von 87 auf 66 Prozent) und in Bergedorf-West (donnerstags von 63 auf 46 Prozent) gesunken.
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Nicht zuletzt deshalb hat sich der Wirtschaftsausschuss in der zu Ende gehenden Legislaturperiode fünfmal mit der Situation der Wochenmärkte auseinandergesetzt. „Ich empfinde“, sagt Wilfried Thal, „diese Debatten zwischen Verwaltung und Politik generell als unheimlich wertvoll. Die Ausschussmitglieder zeigen damit, dass sie die Wertigkeit der Wochenmärkte verstanden haben.“
Denn die Krise der Wochenmärkte sei gut auf die allgemeine wirtschaftliche Situation projizierbar. Auch dort gebe es genügend kleinere und mittlere selbstständige Unternehmer, „die keine Berücksichtigung mehr in dieser Republik finden“, kritisiert Thal. Die größte Herausforderung sei es, Nachfolger für die heutigen Händler zu finden, den Job des Marktbeschickers „zukunftsträchtig“ zu halten. „Die junge Generation hat kein Interesse an diesem Beruf, an Ehrgeiz, Kreativität und Leistungsbereitschaft, die dafür notwendig sind.“