Hamburg. Gretel-Bergmann-Schüler performen mit dem Rap-Song „Kann man das noch sagen?“ Die Siebtklässler zeigen Gesicht gegen Rassismus.

Die Kinder stehen vor einem Globus und halten ihre Pässe in die Kamera: „Überall sind wir ein ihr“, singen die Schüler aus der Klasse 7c der Gretel-Bergmann-Schule in Neuallermöhe. Hier lernen 25 Kinder aus 16 Nationen – und sie haben sich für ihr Video das Thema Rassismus ausgesucht. Denn damit haben leider schon viele der Zwölf- und 13-Jährigen Erfahrungen gesammelt.

Anfangs wollten sie gar nicht so gern darüber sprechen, aber es brodelte in der Seele: Der einzige Junge ohne Migrationshintergrund schaffte es im AfD-lastigen Neuallermöhe tatsächlich, alle zu provozieren, wenn er abfällige Witze über Afrika machte, gegen russische Mitschüler hetzte oder die „Hundesprache“ im Koran belächelte. Das alles musste mal beim Klassenrat besprochen werden, gemeinsam mit beiden Lehrerinnen und einer Sozialpädagogin.

Neuallermöhe: Internationale „Superklasse“ dreht Video gegen Rassismus

Da geht es um Religionen und – mitten in der Pubertät – natürlich auch um Äußerlichkeiten: „Schminkfresse“ ist nicht gerade ein Kompliment. Auch nicht die Bemerkung, das Mädchen, das bauchfrei trägt, sei zu dick. Ein Mädchen aus Aserbaidschan wurde mal von einer muslimischen Mitschülerin gefragt, wann sie denn endlich ein Kopftuch trage.: „Die hatte wohl großen Druck von zu Hause und wollte nicht die einzige in der Klasse mit Kopftuch sein“, meint Lehrerin Sahar Afzali (29), deren Familie aus Afghanistan stammt.

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„Und dann war da noch im Oktober dieser Vorfall in Billstedt, wo eine junge Frau wegen ihres Kopftuchs mit einem Messer bedroht wurde“, erinnert sich die 13-jährige Sunay. Ein Grund mehr für die Klassensprecherin, sich als „Superklasse“ zu bewerben bei dem Projekt, das die Techniker Krankenkasse mit Hamburgs Stadtentwicklungsgesellschaft (steg) anbietet, um die Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen aufzubauen und zu stärken, ihre Talente zu fördern.

Klasse aus Neuallermöhe bewirbt sich um den Hamburger Bertini-Preis

Sieben Wochen lang ging es professionell an die Arbeit, im Tonstudio von Annette und Neil Quinton, wo zunächst das Lied „Weck mich auf“ von Samy Deluxe gehört wurde. Dann machten sich die Siebtklässler selbst daran, Lyrics zu schreiben, Szenen zu proben und den Raps-Song „Kann man das noch sagen?“ einzustudieren. Heraus kam ein genau 4,29 Minuten langer Videoclip mit Gänsehautfeeling: Die coolen Siebtklässler singen von Klischees und Vorurteilen und vom rechten Hass gegen „die Ausländer“.

„Warum bestimmt die Hautfarbe, was ich erreichen kann?“, fragt der zwölfjährige Emmanuel aus Ghana. Auch seine Mitschüler wollen sich als einzigartige Persönlichkeiten sehen: „Die Deutschen aus Bayern sind ja auch anders als die in Halle“, heißt es im Song, der nicht zuletzt ehrlich die Frage stellt: „Was wäre eigentlich, wenn es keine Ausländer mehr gäbe in Deutschland?“

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Auf jeden Fall würde einiges fehlen, wissen die Stadtteilschüler, die sich zuletzt alle im Lohbrügger Döner-Laden von Sunays Papa trafen und sich darüber freuten, dass ihr YouTube-Video schon fast 2000-mal geklickt wurde. Das macht Mut, und so bewarben sie sich jetzt auch um den Hamburger Bertini-Preis für junge Menschen mit Zivilcourage. Auch hier geht es darum, Ausgrenzung zu überwinden. Das passt, denn: „Ablehnung führt zu Verunsicherung und Ängsten“, heißt es im Abspannung des Videoclips.

Der wird übrigens auch beim Tag der offenen Tür am 6. Dezember gezeigt. An dem Freitag sind zwischen 16 und 18 Uhr viele Gäste im Von-Moltke-Bogen 40 willkommen – gern auch Menschen, die internationales Flair genießen.