Hamburg. 45 Wasserretter trainieren im Regattazentrum Allermöhe die Rettung von Menschen bei einer Hochwasserkatastrophe. Wie die Übung ablief.
Schwerverletzte liegen in verschiedenen Stockwerken in von Wassermassen umschlossenen Häusern. Sie schreien vor Schmerzen. Einige Hundert Meter weiter sind in einem weiteren Gebäude ebenfalls Personen vom Wasser eingeschlossen. Sie haben zwei Hunde im Haus. Retter ziehen auch ihnen Schwimmwesten an, bevor Menschen und Tiere durch die Fenster über Steckleitern in Rettungsboote geholt.
Neben den Teams in sechs Rettungsbooten sind auch Taucher im Einsatz. Zwei Drohnen suchen von der Luft aus nach weiteren Menschen, die aus dem von Wasser umschlossenen Stadtteil gerettet werden müssen. Eine Großübung unter sehr realistischen Bedingungen: Auf der etwa zwei Kilometer langen Regattastrecke am Allermöher Deich probte die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) Hamburg jetzt den Ernstfall.
Ein Stadtteil im Wasser eingeschlossen: DLRG probt in Allermöhe den Ernstfall
75 Menschen waren den ganzen Tag über im Einsatz – 45 Einsatzkräfte von DLRG-Bezirken in ganz Hamburg, zehn Organisatoren und Beobachter des gemeinnützigen Vereins und 20 Probanden, die Verletzte und hilfebedürftige Menschen darstellten. Die Start- und Zieltürme des Hamburger Landesruderverbandes und die hölzernen Türme der Schiedsrichter mitten in der Dove-Elbe stellten die sechs Wohnhäuser dar, aus denen die Menschen während einer Hochwasserkatastrophe gerettet werden mussten. Auf dem Gelände des Landesleistungszentrums am Allermöher Deich standen neun Einsatzfahrzeuge, darunter die Wagen der DLRG-Bereiche Logistik und Technik sowie die mobile Einsatzzentrale.
Von ihr aus wurden die zahlreichen Rettungseinsätze koordiniert: In dem Einsatzleitwagen, einem Mercedes Sprinter, hatten die Retter auf einem großen Bildschirm eine auf Google Maps basierende Lagekarte, auf der die Positionen aller Rettungsteams und aller Einsatzstellen markiert waren. „Wir sind per Funk mit allen Teams verbunden, bekommen ständig Rückmeldungen von ihnen und geben immer neue Einsatzbefehle an die Gruppenführer“, sagte der zuständige Zugtruppführer Mark Koops.
Retter müssen Toten aus der Uferböschung bergen – zum Glück nur eine Puppe
Sara Lüllmann und Marco Dubbert vom DLRG Altona gehörten zu den Drohnenpiloten, die für die Überwachung des Gebietes zuständig waren. Sie suchten mit den mit Kameras ausgestatteten Fluggeräten auf der Wasseroberfläche, am Rande der Uferböschungen und in der Umgebung der Gebäude nach Opfern und Hilfesuchenden. So mussten sie ihre Kollegen in den Rettungsbooten unter anderem anweisen, einen leblos wirkenden Körper am Ufer gegenüber dem Zentrum der Ruderer anzusteuern. Der Tote, den die Retter bargen, wurde von einer Puppe verkörpert.
Taucheinsatzführer Lasse Urban und seine Leute kamen erst spät im Wasser zum Einsatz: Sie mussten unter Wasser in ein Gebäude eindringen. Eine Bootsgarage der Ruderer am Ufer diente als Einsatzort. Bevor sie ihre Tauchausrüstung anlegten, arbeiteten die vier Spezialisten als Teil der Besatzung der Rettungsboote mit. „Die Hamburger DLRG hat insgesamt 19 Taucher. Im Katastrophenfall würde eine Gruppe von zehn Teammitgliedern ausrücken. Krankheitsbedingt können an der heutigen Übung nur wenige Taucher teilnehmen“, sagte Urban.
Bergedorfer DLRG-Aktive hatten sich die verschiedenen Rettungsszenarien ausgedacht
Zwar hatten die Ehrenamtlichen Glück mit dem Wetter – Sonnenschein, kein Regen- oder Schneefall –, trotzdem waren die Bedingungen hart: Sie mussten viele Stunden bei nur wenigen Plusgraden draußen arbeiten und sich selbst mit heißem Tee und belegten Brötchen versorgen. „Wir stellen vor Ort keine Verpflegung zur Verfügung“, sagte Markus Klampe, Leiter Einsatz der DLRG Bergedorf. „Auch im Ernstfall muss sich jeder Retter bis zu zwölf Stunden lang autark versorgen. Erst dann wird eine Versorgung aufgebaut.“
Klampe war der Gesamtkoordinator der Großübung, die von den Bergedorfern organisiert worden war. Die Bergedorfer DLRG war mit einem Team (zehn Akteure) im Einsatz. Der 50-Jährige hatte sich das katastrophale Geschehen auf der Dove-Elbe gemeinsam mit Henrik Ohl von der DLRG Bergedorf ausgedacht – widerspenstige Hausbewohner, die sich nicht evakuieren lassen wollen, inklusive. Die Rettungsszenarien der beiden Bergedorfer mussten Schritt für Schritt abgearbeitet werden. Dabei liefen keine Stoppuhren, kam es nicht so sehr auf die Geschwindigkeit an. „Das hier ist kein Wettbewerb. Es werden keine Punkte vergeben. Uns kommt es darauf an, dass die Kameraden genau wissen, was im Ernstfall zu tun ist“, sagt Klampe. Durch solche Übungen solle auch die Zusammenarbeit der verschiedenen DLRG-Bezirke und der unterschiedlichen Einsatzbereiche, von den Tauchern bis zur Technik, optimiert werden.
Die letzte Großübung der Hamburger DLRG ist mehr als fünf Jahre her – wegen Corona
Mit dem Verlauf der Großübung auf und an der Dove-Elbe waren die Organisatoren zufrieden: „Alles Wesentliche hat gut und reibungslos funktioniert. Natürlich gibt es Details, die verbessert werden können – aber dafür machen wir solche Übungen ja auch“, sagt Klampe. Nach getaner Arbeit trafen sich alle Beteiligten zu einer Abschlussbesprechung mit Grillwürsten auf dem Gelände der Bergedorfer DLRG am Ladenbeker Furtweg.
Weitere News aus Bergedorf
- Weihnachtsmarkt Bergedorf: Skandinavischer Winterzauber mit vielen neuen Food-Highlights
- Verplant? Ladesäule für E-Autos liefert keinen Strom
- Altengamme: Im alten Fährhaus reisen Gäste in längst vergangene Zeiten
Vor Corona trainierte der Wasserrettungszug der Hamburger DLRG jährlich bei großangelegten Übungen in ganz Norddeutschland verschiedene Rettungsszenarien, auch in Kooperation mit Rettern aus anderen Bundesländern. Doch die letzte Großübung war vor Ausbruch der Pandemie 2020. Nach Corona kamen die Ehrenamtlichen nicht mehr in ihren alten Rhythmus, stagnierte das gemeinsame Übungsgeschehen, bis zur jetzigen Aktion in Allermöhe. Eine Übung aller Hamburger DLRG-Bezirke im Bereich des Regattazentrums gab es bisher noch nie, berichtet Klampe. „Wir machen aber auch regelmäßig kleinere Übungen, an denen weniger Einsatzkräfte beteiligt sind. Dann wird übers Wochenende etwa die Rettung per Leiter und das Abseilen von Menschen trainiert.“
Unterstützung durch den Landesruderverband, der auch Motorboote zur Verfügung stellte
„Der Landesruderverband unterstützt uns maßgeblich“, sagt Klampe. Neben dem Gelände mit seinen Gebäuden, die für die Übung genutzt wurden, stellten die Sportler den Organisatoren auch zwei Motorboote zur Verfügung. „Mit ihnen haben wir beispielsweise die Probanden auf die Häuser im Wasser verteilt. Es mussten ja bis zu acht Menschen aus bis zu dreistöckigen Gebäuden gerettet werden“, sagt Klampe.