Hamburg. Sie steht schon seit einem halben Jahr am Dreieichenweg. Doch das teure Gerät wird hier wohl auch in Zukunft niemals in Betrieb gehen.

Immer sonntags spaziert der Bergedorfer Jochen Gipp mit seiner Freundin eine Runde durchs Villenviertel – und wundert sich seit Monaten über die neue Ladesäule für E-Autos am Dreieichenweg. „Die wurde schon im Frühjahr aufgestellt und ich habe mich schon damals gefragt, ob sie sich hier im Villengebiet überhaupt rechnen wird, wo die meisten Bewohner Ihre E-Autos doch auf dem eigenen Grundstück laden. Und tatsächlich ist diese Säule bis heute auch nie in Betrieb gegangen“, sagt der 72-Jährige.

Das wird sie aller Voraussicht nach auch nicht mehr: Aktuell ist die Säule mit zwei Ladepunkten mit einem rot-weißen Absperrband umwickelt: „Sie wurde nicht wie geplant installiert“, lässt Viktor Holter, Marketingchef von Wirelane, über eine PR-Agentur ausrichten. Das Unternehmen Wirelane mit Sitz in München ist als Betreiber der Säule für die Beseitigung der Fehler übrigens selbst verantwortlich. Was genau hier falsch installiert wurde, lässt Wirelane aber offen – und weitere Nachfragen unbeantwortet.

Verkehr Hamburg: Ladesäule für E-Autos des Betreibers Wirelane liefert keinen Strom

Spaziergänger Jochen Gipp kann sich vorstellen, dass es etwas mit dem Standort im Villengebiet zu tun. „Ich habe mich von Anfang an darüber gewundert, dass die Säule auf dieser Seite des Dreieichenwegs aufgestellt wurde“, sagt der Journalist im Ruhestand. „Die andere Straßenseite hätte viel mehr Sinn gemacht“, sagt er. Denn dort stellten die Anwohner gewohnheitsgemäß ihre Fahrzeuge ab. Würde nun plötzlich auf beiden Seiten im Dreieichenweg geparkt, wäre die Durchfahrt blockiert. Dafür sei die kleine Straße im Villenviertel schlicht zu eng.

Die fragliche Stelle am Dreieichenweg in Höhe Hausnummer 9 hat sich Wirelane laut Bezirksamt selbst ausgesucht. „Den Standort wählen die Unternehmen, die Genehmigung oder Ablehnung erfolgt dann in Abstimmung mit der Wirtschaftsbehörde und dem Bezirksamt“, sagt Bergedorfs Bezirksamtssprecher Lennart Hellmessen. Und Viktor Holter von Wirelane ergänzt: „Der Standort ist auf der Basis von Bürger-Anfragen bedarfsgerecht ausgewählt und von der Stadt Hamburg genehmigt worden.“

Installation einer Ladesäule kostet den Betreiber bis zu 30.000 Euro

Die Säule am Dreieichenweg wurde sogar schon im November 2021 genehmigt, aufgestellt allerdings erst zweieinhalb Jahre später im Mai dieses Jahres. Eine solche Installation ist alles andere als günstig: „Je nach Aufwand für die Erdarbeiten rechnet man pro Säule zwischen 15.000 und 30.000 Euro“, weiß Aseel Yassin, Geschäftsführer von IO Mobility, einem jungen Unternehmen aus Hamburg, das selbst Ladelösungen für Privathaushalte, Genossenschaften und Unternehmen anbietet.

Die Kosten für die Prüfung des Standortes, Installation, Wartung und Service von öffentlichen Ladesäulen trägt Wirelane allein. Geld verdient das Unternehmen dann mit den Ladevorgängen. „Das Geschäftsmodell funktioniert nur, wenn die Firma die Säule entsprechend lange – auf 15 bis 20 Jahre - betreiben darf“, rechnet Aseel Yassin vor.

Wirelane sucht bereits nach einem neuen Standort für die Säule in Bergedorf

Über 2500 Säulen betreibt Wirelane nach eigenen Angaben bereits in deutschen Kommunen. Es dürften bald noch viel mehr sein. Denn im vergangenen Jahr hat das Unternehmen laut Bericht der Tageszeitung „Die Welt“ den Ladesäulenspezialisten On Charge aus Köln übernommen. Auf einen Schlag erhielt Wirelane so 1500 neue Genehmigungen für 3000 Ladepunkte in knapp 450 Kommunen.

Ob zukünftig das Laden von E-Autos im Dreieichenweg möglich sein wird, ist offen. „Wir sind aktuell mit der Stadt Hamburg im Austausch, um einen neuen Standort abzustimmen. Noch ist unklar, wann und wie die Ladesäule umgestellt wird“, sagt Wirelane-Mitarbeiter Viktor Holter. Den Abbau einer Ladesäule schätzt Ladeexperte Aseel Yassin auf eine höhere vierstellige Summe.

Wirtschaftsbehörde plant 232 öffentliche Ladepunkte für E-Autos im Bezirk Bergedorf

Aktuell sind laut Bundesnetzagentur allein im Stadtteil Alt-Bergedorf (Postleitzahlen-Bereich 21029) insgesamt 23 öffentliche Ladesäulen in Betrieb. Laut Behörde für Wirtschaft und Innovation sollen in den nächsten Jahren viele weitere hinzukommen: „Als Stadt sind wir an einer Flächendeckung mit Ladeinfrastruktur interessiert. Daher soll der Ausbau in Bergedorf weitergehen. Es ist eine Vielzahl neuer Ladepunkte in Bergedorf geplant“, sagt Behördensprecher Dominic Völz. Der weitere Aufbau von Ladeinfrastruktur folge einem Standortkonzept. Dieses sehe feste Ausbaugebiete vor, in denen die Betreiber zum Aufbau von Ladesäulen verpflichtet seien.

Die Ausbaugebiete seien das Ergebnis einer datenbasierten Analyse mit dem Ziel eines bedarfsgerechten und gleichzeitig flächendeckenden Ausbaus der Ladeinfrastruktur. Unter anderem wurde dabei die Siedlungsstruktur des Bezirks berücksichtigt. „Erfahrungsgemäß wird in Einfamilienhausgebieten häufig von der Installation einer eigenen Wallbox Gebrauch gemacht, öffentliche Ladeinfrastruktur wird dann weniger genutzt“, sagt Völz. Für den gesamten Bezirk Bergedorf sieht das Konzept laut Geoportal einen Bedarf von weiteren 232 öffentlichen Ladepunkten vor.

Wirelane will am Ausbau der Bergedorfer Ladesäulen-Infrastruktur mitwirken

Für ganz Hamburg prognostiziert der Senat bis Ende 2030 einen Bedarf von rund 10.000 Ladepunkten im öffentlichen Raum. Bislang gibt es laut Bundesnetzagentur Stand 1. September 3000 öffentliche Ladeeinrichtungen. Auch Wirelane beteiligt sich weiter an dem Ausbau der Ladeinfrastruktur in der Hansestadt und kündigt in einer älteren Pressemitteilung an, im ersten Quartal dieses Jahres mit 60 neuen öffentlichen Ladesäulen in Hamburg aktiv zu werden.

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Das Laden an den Wirelane-Säulen ist einfach: „Jeder kann mit einer Roaming App, der Wirelane App, per RFID-Karte, kontaktlos mit Giro- und Kreditkarten oder auch mit Google sowie Apple Pay die Lademöglichkeit nutzen“, informiert das Unternehmen. Die Kosten je Kilowattstunde liegen laut dem Internetportal www.goingelectric.de bei 49 Cent zuzüglich 59 Cent Startgebühr.

Allerdings sind E-Autofahrer aktuell nicht sonderlich zufrieden mit den Wirelane-Ladestationen. Die Kundenzufriedenheit erreicht auf dem Online-Bewertungsportal trustpilot.com gerade mal 2,9 von 5 Sternen.