Hamburg. Die Einrichtungen der Hansestadt kommen an ihre Kapazitätsgrenzen. Doch die neuen Pläne der Sozialbehörde treffen auf Kritik.
Im Herbst 2024 ist der Platz in den Unterkünften für Geflüchtete in Hamburg wieder knapp. Weil die Auslastung schon fast wieder 98 Prozent beträgt, will die Sozialbehörde der Hansestadt Notfallkapazitäten schaffen. Eine Sprecherin der Behörde bestätigte, dass am Standort Curslacker Neuer Deich 80 in Bergedorf zum Jahresende sieben Zelte aufgebaut werden sollen. So sollen bis zu 70 zusätzliche Menschen untergebracht werden können.
„Aufgrund des anhaltenden Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine sowie weiterer ungelöster Krisen und Konflikte wird davon ausgegangen, dass die Unterbringungsbedarfe auf dem aktuellen Niveau bleiben oder weiter steigen“, sagte die Behördensprecherin. Zwar seien die Zahlen im Vergleich zum Jahr 2023 zuletzt spürbar gesunken. Gerade der Krieg in der Ukraine bereite den Verantwortlichen aber große Sorgen. Die gezielten Angriffe Russlands auf die Energieinfrastruktur könnte dazu führen, dass weitere Menschen aus dem Land fliehen.
Flüchtlingsunterkunft ist fast voll: Jetzt sollen Zelte aufgebaut werden
Die sieben Zelte sollen in etwa vier Wochen aufgebaut werden und könnten ab Januar 2025 einsatzbereit sein. Die Unterbringungsmöglichkeiten sind laut Sozialbehörde beheizbar und wintertauglich. Wichtig ist dabei, dass diese Kapazitäten nur im äußersten Notfall in Anspruch genommen und belegt werden und dass der bestehende Standort damit nur geringfügig erweitert wird. Derzeit sind laut offiziellen Angaben der Stadt Hamburg 636 Menschen am Curslacker Neuer Deich untergebracht.
Nach Informationen der Bergedorfer Zeitung sollen vier Zelte im nördlichen und drei im südlichen Teil der Unterkunft aufgebaut werden. In beiden Bereichen werden außerdem zusätzlich sechs Container aufgestellt – je zwei Küchen-, zwei Sanitär- und zwei Aufenthaltscontainer. In den Zelten sollen vorwiegend Einzelpersonen und kinderlose Paare wohnen. Es könnte sich dabei sowohl um Schutzsuchende aus der Ukraine, Asylsuchende oder obdachlose Menschen handeln. Die Aufenthaltsdauer in den Zelten soll so kurz wie möglich sein.
Scharfe Kritik von Bergedorfer FDP-Politikerin
Das Personal im Management der Unterkunft soll entsprechend aufgestockt werden. Über die Notwendigkeit zum Einsatz eines Sicherheitsdienstes soll individuell entschieden werden. Die aufgebauten Zelte sollen als Reserveplätze am Curslacker Neuer Deich bleiben, solange der Standort für eine Unterkunft genutzt wird. Die Sozialbehörde hat die Bezirksversammlung Bergedorf über den Aufbau der Zelte informiert. Die Maßnahme soll aber nach bz-Informationen im Rahmen der Gefahrenabwehr nach dem Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung umgesetzt werden.
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FDP-Bezirksabgeordnete Sonja Jacobsen kritisiert das Vorgehen der Sozialbehörde: „Die Anweisung ist ein kommunikatives Desaster und deutet auf einen Kontrollverlust hin.“ Die Tatsache, dass die „Bezirke in einen Würgegriff genommen werden“, sei ein verheerendes Signal. Stattdessen wünscht sich Jacobsen eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen der Sozialbehörde und den Hamburger Bezirken.
In den zwölf Unterkünften des Bezirks Bergedorf sind derzeit 3677 Menschen untergebracht. Dazu kommen noch einmal 940 Personen, die in Hotels in Bergedorf und den Vier- und Marschlanden leben. Von den insgesamt 4617 Personen sind 4255 Zuwanderer. Die beiden größten Gruppen stellen weiterhin Menschen aus Afghanistan (1199) sowie aus der Ukraine (1106). Mehrere Hotels wie das Hotel Sachsentor, das Motel Bergedorf oder das my-bed.eu Kurfürstendeich sind vollständig oder fast vollständig mit Personen belegt, die dort von der Sozialbehörde untergebracht wurden.
Flüchtlingszahlen gingen zuletzt gegenüber 2023 zurück
Trotz der nahezu erschöpften Kapazitätsgrenzen: Die Hamburger Sozialbehörde betont gegenüber der Bergedorfer Zeitung, dass die Zugangszahlen im Vergleich zum Jahr 2023 sogar spürbar rückläufig sind und derzeit unterhalb der zuletzt vorhergesagten Werte liegen. Im September 2023 hätte die Hansestadt zum Beispiel 500 Menschen mehr unterbringen müssen als in diesem September. „Dennoch bleibt das Zugangsniveau sehr hoch“, so die Behördensprecherin. Die Befürchtung: Der Winter in der Ukraine könnte neue Menschen in Not nach Deutschland treiben.
An der Straße An der Twiete in Lohbrügge soll weiterhin eine Unterkunft für 350 Geflüchtete und Obdachlose entstehen. Weitere neue Anlagen sind im Bezirk Bergedorf nicht geplant.