Hamburg. Bau wird zur unendlichen Geschichte. Umweltsenator Jens Kerstan informiert über Sachstand im Landgebiet. Wut über Enteignungen.
Für den Hochwasserschutz an der Elbe und die Entwässerung der Vier- und Marschlande braucht es leistungsfähige Schleusen und neue Schöpfwerke. Letztere sind seit zwölf Jahren in Planung. Bisher hakte es vor allem an scheiternden Grundstückskäufen, um die für die Baumaßnahmen notwendige Flächen zu erwerben. Dass die Zeit drängt, war auf der jüngsten Info-Veranstaltung am Sonnabend, 19. Oktober, im Fährhaus Tatenberg zwar nicht das Thema. Aber es gab Fragen genug.
Auf Einladung der Bergedorfer Grünen-Fraktionsvorsitzenden Jennifer Jasberg informierten Sonja Lattwesen, Sprecherin für Stadtentwicklung und Katastrophenschutz, und Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan im Fährhaus Tatenberg über den Planungsstand an Schleusen, an der zweiten Deichlinie und den anvisierten Schöpfwerken an der Stromelbe.
Hochwasserschutz in Hamburg: Die Wasserstände steigen und die Zeit drängt
Einen Haken setzte Kerstan an die Tatenberger Schleuse, deren technische Ertüchtigung so gut wie abgeschlossen ist. Damit ist die bedarfsgerechte Absenkung des Siels bei Sturmflutwarnung gesichert. „Das Deichsiel Tatenberg kann heute sehr viel größere Mengen an Wasser in sehr viel kürzerer Zeit ableiten als noch vor wenigen Jahren“, so Kerstan. Ohne konkrete Zahlen zu nennen, verwies er auch darauf, dass die Ertüchtigung der Schleuse und die laufenden Modernisierungsmaßnahmen am Siel eine „sehr viel größere Kapazität“ für den Hochwasserschutz mit sich bringe als ein Schöpfwerk.
Für den Schöpfwerkbau am Neuengammer Hausdeich, auf Höhe Zollenspieker und in Neudorf brachte Kerstan den Zeitplan auf Stand. Die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (Bukea), nach dem Landesbetrieb Brücken und Gewässer (LSBG) und dem Bezirksamt Bergedorf seit 2020 für den Erwerb der fehlenden Grundstücke zuständig, hat inzwischen alle Flächen für das erste Schöpfwerk erworben. Am Hausdeich wie am zweiten Standort Zollenspieker rechnet Kerstan mit einer Fertigstellung bis 2028, Neudorf soll 2030 folgen.
Stadt darf für den Bau von Schöpfwerken keine Flächen enteignen
In Verhandlung ist die Bukea aber noch mit Grundstückseigentümern an den Zulauf-Gewässern zum Schöpfwerk. Wenn die bis Anfang 2025 nicht erfolgreich abgeschlossen sind, müssen die Planungen mit Verzicht auf diese Flächen aktualisiert werden. Anders als bei der ersten Deichlinie darf die Stadt für den Schöpfwerkbau keine Flächen enteignen. Mit Verzögerungen ist also weiterhin zu rechnen.
Das war das Stichwort für Jörg Froh (CDU). Ein neues Planfeststellungsverfahren, so Froh, werde den Bau erneut um mindestens ein bis zwei Jahre verzögern, weil dann auch die naturschutzrechtlichen Belange durch eine einjährige Vegetationsphase neu geprüft werden müssen.
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Einige der rund 50 Besucherinnen und Besucher machten ihrer Wut über „kalte Enteignung“ von Häusern auf der zweiten Deichlinie Luft. Der Hamburger Senat habe diese Häuser, so Sonja Lattwesen, durchaus auf dem Schirm. Vorkäufe und Zahlungen des Senats werden von der Kommission für Bodenordnung überwacht, gleichzeitig sei man angesichts der großen Wohnungsnot inzwischen bemüht, mehr Immobilien mit Enddatum „zwischen“ zu vermieten.
Hitzige Diskussionen über zunehmende Versiegelung und Pegelstände in den Gräben
Im weiteren Verlauf wurde hitzig über Pegelstände in den Gräben, heiß laufende Drainage-Pumpen in Wohngebieten, die Kontroll-Routinen der Pumpwerke, sinnvolle Fördermaßnahmen und die zunehmende Versiegelung der Vier- und Marschlande diskutiert. Bestenfalls kam es dabei zu erhellenden Einsichten und Lösungsvorschlägen. Sonja Lattwesen für den Katastrophenschutz und Torsten Riecken vom Ent- und Bewässerungsverband der Vier und Marschlande zeigten sich von Wissensstand und Detailkenntnis der Besucher beeindruckt. Sie luden dazu ein, unbedingt im Gespräch zu bleiben.