Hamburg. Evokation des B-Planverfahrens verkündet: Mehrheit in der Bergedorfer Bezirksversammlung kann Projekt nicht mehr verhindern.
Die Spatzen pfiffen es schon länger von den Dächern, jetzt scheint der Hamburger Senat ernst zu machen. Am Dienstagnachmittag verkündete die Pressestelle, dass der Bebauungsplan für den „Stadtteil der Zukunft“ Oberbillwerder evoziert wird. Heißt konkret: Die Entscheidungen über das Riesenprojekt rund um den „Stadtteil der Zukunft“ würden auf Landes- und nicht länger auf Bezirksebene getroffen werden. Grund für diesen Vorstoß des rot-grünen Senats dürften die unsicheren Mehrheitsverhältnisse sein.
Denn in der Bergedorfer Bezirksversammlung haben seit den Bezirkswahlen im Juni 2024 bereits die Gegner von Oberbillwerder eine Mehrheit. CDU, Linke und AfD lehnen das Mammutvorhaben ab. Gemeinsam vereinen sie 24 von 45 Sitzen in der Bezirksversammlung auf sich. Eigentlich wäre der Bebauungsplan irgendwann zum Jahresende den Bergedorfer Politikern zur Abstimmung vorlegt worden – und dann sehr wahrscheinlich abgelehnt worden. Ein Umstand, der im Entwurf des Amts für Landesplanung und Stadtentwicklung offen benannt wird: „Derzeit kann nicht von einer anschließenden Beschlussfassung durch die Bezirksversammlung Bergedorf [...] ausgegangen werden.“
Oberbillwerder: Hamburger Senat will Bau jetzt erzwingen
Mit der Evokation will der rot-grüne Senat also sicherstellen, dass Oberbillwerder weiter geplant und schließlich gebaut wird. Dabei drängt die Zeit, denn am 2. März 2025 stehen in Hamburg Bürgerschaftswahlen an. Und der CDU-Spitzenkandidat, Dennis Thering, hatte zuletzt im Gespräch mit der Bergedorfer Zeitung klargestellt, dass Oberbillwerder „eines der zentralen Wahlkampfthemen“ der Christdemokraten werden soll. Mit einer eindeutigen Marschroute: „Wir werden Oberbillwerder beerdigen“, verkündete Thering im Juli. Vor einer möglichen Wahlniederlage will Peter Tschentschers Senat jetzt offenbar Tatsachen schaffen.
Kein Wunder, dass Dennis Gladiator, CDU-Bürgerschaftsabgeordneter aus Bergedorf, das Vorgehen des Senats scharf kritisiert: „Die Evokation ist undemokratisch und missachtet den Wählerwillen der Bergedorferinnen und Bergedorfer.“ Nach dem Ergebnis der Bezirkswahl hätte es der Anstand geboten, die Bezirksversammlung über den B-Planentwurf abstimmen zu lassen.
Julian Emrich, Fraktionschef der CDU in der Bezirksversammlung Bergedorf, sagt: „Die vielen Veranstaltungen mit Bürgerbeteiligung und Ausschusssitzungen waren nur ein Feigenblatt, hinter dem das gewünschte Ergebnis verborgen wurde.“ Mit einem Masterplan sei stattdessen von Anfang an vorgegeben worden, wie Oberbillwerder aussehen soll. Emrich betont außerdem: „Nicht ohne Grund werden B-Plan-Verfahren in den Bezirken geführt.“ Dort könne die Auswirkung von Bauprojekten für die Umgebung und die Menschen besser beurteilt werden.
Oberbillwerder: Scharfe Kritik von CDU und Linken
Auch Stephan Jersch, Bergedorfer Bürgerschaftsabgeordneter der Linken, findet deutliche Worte. „Der Senat macht sich jetzt zumindest ehrlich und beendet die absurde Realsatire einer vorgegaukelten Beteiligung von Bezirk und Bürgerinnen und Bürgern. Trotzdem ist diese Evokationskeule ein autokratisches Mittel, das echte Bürgerbeteiligung nicht ersetzen kann.“ Jersch befürchtet, dass schon die Androhung dieses Instruments zu Demokratieverdrossenheit führen könnte.
Der Linken-Politiker sagt außerdem: „In den letzten acht Jahren haben Senat und Bezirksamt es nicht geschafft, ökologische und auch wohnungspolitische Bedenken auszuräumen.“ Jersch appelliert an die Wähler, bei der Bürgerschaftswahl „nachzusteuern“ und empfiehlt: „Ein klares Votum für die demokratischen Partien, die das Projekt ablehnen, wäre ein weiteres deutliches Zeichen an die bisherigen Regierungsparteien.“
Bergedorfs SPD-Fraktionschefin Katja Kramer möchte den Entwurf noch nicht kommentieren. Die Sozialdemokratin bedauert, dass in Bergedorf bei der Bezirkswahl keine Mehrheit für Oberbillwerder erreicht wurde. „Wir können die Argumentationslinie der Gegner aber weiterhin nicht verstehen und sind offen für alle Wege, die derzeit geprüft werden. Schließlich sind wir von dem Projekt überzeugt“, sagt Kramer.
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Bergedorfs Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann (SPD) betonte, dass mit der bisherigen Arbeit des Bezirks Bergedorf sichergestellt worden sei, dass Bergedorfer Interessen berücksichtigt wurden. „Wichtig ist, dass wir die mit diesem Stadtteil verbundene Chance für die Entwicklung der Stadt wahrnehmen und so dazu beitragen, die Vorausetzungen für Leben und Arbeiten in Bergedorf zu sichern.“
Jetzt übernimmt die Stadtentwicklungsbehörde
Oberbillwerder soll der 105. Stadtteil der Hansestadt und eine Heimat für 15.000 Menschen werden und nördlich des bestehenden Stadtteils Neuallermöhe entstehen. Außerdem geplant sind 4000 Arbeitsplätze, ein Bildungs- und Begegnungszentrum, zwei Grundschulen und etwa 14 Kitas. Die Planungen waren jedoch zuletzt gehörig in Verzug geraten. Erst verkündete das Oberlandesgericht, dass der Schutz der bedrohten Feldlerchen nicht ausreichend berücksichtigt wurde, dann fanden sich Formfehler bei der öffentlichen Auslegung des B-Plans. Diese musste bis zum 2. September wiederholt werden.
Jetzt wird die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen beauftragt, das B-Planverfahren abzuschließen – nachdem die akteullen Stellungnahmen vom Bezirksamt Bergedorf ausgewertet wurden. In diesem Zuge soll die Kommission für Stadtentwicklung mit dem Bebauungsplan-Entwurf und den Abwägungsvorschlägen befasst werden.