Hamburg. Kulturbehörde findet Häuserensemble an Vierlandenstraße/B5 bedeutend für Bergedorf. Darum muss die Bille nun auf Abstand gehen.
Es ist oft laut und stinkt, und selten sieht man ein geöffnetes Fenster. Menschen, die an der Kreuzung Vierlandenstraße/Bergedorfer Straße wohnen, zahlen hoffentlich keine zu hohen Mieten. Aber ob ihnen auch bewusst ist, dass sie in einem schützenswerten Denkmal wohnen?
Holger Diesing jedenfalls hat dies eher zufällig erfahren. Er leitet die Umgestaltung des alten Verwaltungsgebäudes der Baugenossenschaft Bergedorf-Bille. Wie berichtet, sollen an der Bergedorfer Straße 118 sogenannte Cluster-Wohnungen entstehen, in denen sich die Bewohner ab Mitte 2026 generationsübergreifend eine Küche und das Wohnzimmer teilen. Bei dem Umbau, der die klimaschonende Wiederverwendung von recycelten Baumaterialien im Blick hat, muss eine weitere Besonderheit beachtet werden, die nicht ganz so modern erscheint.
Immobilien: Mehrfamilienhaus in Bergedorf steht seit 2013 unter Denkmalschutz
Denn das angrenzende Eckhaus zur Kreuzung steht bereits seit 2013 unter Denkmalschutz. Das mag bislang niemandem groß aufgefallen sein, aber: „Wir müssen deshalb jetzt einen Abstand von knapp fünf Metern einhalten und planen stattdessen eine Dachterrasse“, erklärt der Diplom-Architekt.
Wie kann eine Kreuzung unter Denkmalschutz stehen? Es sei nicht die Straße selbst, aber alle Gebäude an der Kreuzung Vierlandenstraße/Bergedorfer Straße stünden unter Denkmalschutz, erläutert Claudia Preiksch aus der Behörde für Kultur und Medien: „Die Randbebauung der Kreuzung mit Klinkerbauten aus den 1930er-Jahren bildet ein Denkmalensemble, das zu erhalten ist. Die Bebauung als auch die Kreuzung geben seit 1929 die Entwicklung der Bergedorfer Straße vor und haben eine große städtebauliche Bedeutung für den Stadtteil.“
Immerhin fungiere die Vierlandenstraße als Hauptverbindungsstraße zwischen dem Bergedorfer Stadtkern und den Vier- und Marschlanden: „Ihr Bau ist ein Zeichen der damaligen Verstädterung Bergedorfs, als auch der wirtschaftlichen Entwicklung Ende der 1920er Jahre“, so die Begründung der Kulturbehörde.
Architekt Hermann Distel wohnte im Bergedorfer Villenviertel
Nun, heute gibt es da neben Wohnungen auch einen Bestatter, einen Rollo-Verkäufer und einen Friseur. Die Eigentümer der Häuser sind von der städtebaulichen Denkmalpflege angehalten, „dass das ausgewiesene Denkmalsensemble in besonderem Maße von Elementen freizuhalten ist, welche die Baudenkmäler wesentlich beeinträchtigen und übertönen könnten“, erklärt Claudia Preiksch.
Hoffentlich haben sie ein bisschen Verständnis für Architektur, denn die beiden nördlichen Gebäude mit den Hausnummern 115 und 117 wurden immerhin von August Grubitz und Hermann Distel entworfen. Grubitz (1876-1946) zeichnet etwa auch für den Umbau des Bühnenhauses der Hamburger Staatsoper verantwortlich und für den Erweiterungs-Neubau des Israelitischen Krankenhauses auf St. Pauli.
Sein Studienfreund Hermann Distel mag den Bergedorfern weit mehr bekannt sein, zumal dieser 1945 in Bergedorf starb, in seinem Haus an der heutigen Hermann-Distel-Straße 31. Außerdem machte sich Distel 1913 und 1914 Gedanken über das Pastorat der Bergedorfer Kirchengemeinde St. Petri und Pauli. Auch plante er 1916 die Nitrozellulosefabrik der Dynamitfabrik und den Krümmeler Wasserturm in Geesthacht, entwarf dazu im Jahr 1930 den Seegrenzschlachthof in Moorfleet.
Mieten für die Clusterwohnungen stehen schon fest
Ob der angrenzende Umbau der Bergedorf-Bille-Genossenschaft irgendwann einmal unter Denkmalschutz stehen wird, ist natürlich mindestens fraglich. Aber immerhin haben die Planer mit den historischen Nachbarn kein Problem, betont Holger Diesig: „Wir halten eben Abstand und planen neben der Dachterrasse noch ein Gründach samt Luftwärmepumpen und Photovoltaikanlage.“
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Der Bauantrag ist übrigens längst eingereicht: Für die Clusterwohnungen in den insgesamt vier Obergeschossen können sich 28 Interessenten (zunächst Bille-Mitglieder) ab Mitte 2025 bewerben. Die Preise stehen schon ungefähr fest: Wer samt Balkon 26 Quadratmeter mietet, dazu die Gemeinschaftsflächen, zahlt eine Kaltmiete von 520 Euro.