Hamburg. Veterinär Sönke Allrich hilft kranken Tieren in der Wildtierstation Looki. Vereinschefin kritisiert hingegen die Stadt Hamburg.

Sönke Allrich ist der Arzt, dem wilde Tiere vertrauen. Bergedorfs Tierschützer von der Wildtierstation Looki freuen sich, dass sie nun mehrmals in der Woche kompetente Unterstützung von einem Tiermediziner erhalten, der sich um die Gesundheit der Bewohner der Wildtierstation kümmert. Doch es gibt auch ein Ärgernis, das die Lookisten als mangelnde Wertschätzung an ihrer Arbeit empfinden.

Zunächst zum Neuzugang: Im Alltag ist der 38-jährige Allrich Veterinär im Kreis Segeberg. Einem Großteil der Menschen in und um Bergedorf herum könnte der Mann noch als Spezialist für Wiederkäuer in einer Schwarzenbeker Großtierpraxis bekannt sein. Dort arbeitete Allrich bis Anfang 2024, bevor er sich neu aufstellte. Neben seiner Tätigkeit in Bad Segeberg hat er sich auch als mobiler Tierarzt ohne festen Praxissitz selbstständig gemacht.

Bergedorfs Tierschützer von Looki haben nun einen eigenen „Dr. Dolittle“

Den hat er quasi jetzt zu unbestimmten Zeiten an der A25 in der Wildtierstation von Looki. Deren Vereinsvorsitzende Vanessa Haloui nennt den „Neuzugang“ in der Station „unseren Dr. Dolittle“ und untermauert ihre Titulierung mit Beobachtungen aus der Praxis: „Wenn Sönke ein schreiendes Huhn auf die Hand nimmt, ist es plötzlich ruhig“. Diese friedvolle Ausstrahlung gebe es bei allen Kreaturen zu beobachten.

Wie auch beim aktuellen Patienten vom Wochenende: „Fiete“, ein junges Kamerunschäfchen, hat‘s erwischt. Lungenentzündung mit Fieber! Er meckert auch, als Allrich mit Abhörgerät und Antibiotika-Spritze ankommt, doch bei der Behandlung ist Fiete milde gestimmt. „Mit Stress“, sagt der Veterinär, „ist gar nichts zu erreichen. Fünf Minuten Nachdenken über das eigene Vorgehen ist eher angesagt.“ Dennoch kann sich auch der Ratzeburger seinen Erfolg bei den wilden Kreaturen nicht so recht erklären.

Minipraxis mit Nachbesserungswünschen im alten Container

Allrich ist weitestgehend abends und an Wochenenden vor Ort, schaut auch bei akuten Notfällen vorbei und hat mit dem Verein einen Betreuungsvertrag abgeschlossen, zusätzlich das Ganze als Apothekenstandort angemeldet. Weil seit Stationseröffnung 2017 Tierarztkosten von rund 150.000 Euro aufgekommen sind, hoffen sie bei Looki, mit ihrem „Dr. Doolittle“ diese Kosten abmildern zu können.

Allrich hat übrigens dort eine echte „Praxis“: Dank der Spende des Allermöher Bauugeräteverleihers Siloco wurde nun auf dem Stationsgelände ein acht Jahre alter Bürocontainer aufgestellt, der über zwei Zimmer, Behandlungszimmer und Quarantänestation, verfügt, alles noch im Aufbau. Ein Mini-Mikroskop ist schon Teil der Einrichtung, OP-Licht und Narkosegerät sollen noch über Spendengelder nachgerüstet werden.

Mediziner kümmert sich nur um die Tiere der Station

Allerdings: Der Ratzeburger Tiermediziner hat keine feste Sprechstunde in der Wildtierstation und kümmert sich ausschließlich um die dort untergebrachten 300 Tiere. Natürlich pflegt Looki aber weiterhin die guten Kontakte zu befreundeten Tierarztpraxen, weil Allrich zeitlich natürlich nur eingeschränkt parat steht. „Bei Wildtieren kann man relativ gute und schnelle Behandlungserfolge sehen, sie sind eben etwas robuster“, schätzt der Experte ein.

„Wir werden immer professioneller“, findet Vanessa Haloui, die sich mit aktuell 52 Ehrenamtlichen um das Wohlergehen von Waschbären, Laufenten, Krähen, Ziegen, Nutrias und natürlich in der Mehrzahl Igel (146) kümmern. Hört sich gut an – doch bei einem Thema fängt es bei der Looki-Chefin an zu brodeln. Basis ihres Ärgers ist die Kündigung des Kooperationsvertrages mit der Stadt durch den Hamburger Tierschutzverein. Der Tierschutzverein betreibt das Tierheim Süderstraße und nahm bis zuletzt ausgesetzte oder verletzte Tiere quasi als „Fundannahmestelle“ auf. Der Betrieb des Heims kostet jährlich sechs Millionen Euro, Hamburg gibt aber nur zwei Millionen dazu. Ein Ungleichgewicht, das für die Tierschützer einfach nicht kostendeckend ist.

Warum Waschbär und Meerschweinchen keine Nachbarn sein sollten

Nun hat die Stadt eine Ausschreibung gestartet, in dem sie eine Institution als „Auffanglager“ für alle Fundtiere sucht, egal ob Haus- oder Wildtiere. Alle Tierschutzvereine in Hamburg und der Umgebung sollen damit angesprochen werden. Doch allein schon diesen Passus kritisiert die Looki-Vorsitzende als nicht seriöses, artgerechtes Angebot – was für Haloui im Grundsatz Ausdruck der fehlenden Wertschätzung des Hamburger Senats an der Arbeit von Looki und Co darstellt.

Doch zunächst zum fachlichen: „Ich kann kein Meerschweinchen neben einem Waschbär-Gehege halten“, nennt die 40-Jährige ein Exempel, wie es sich die Ausschreibenden offenbar problemlos vorstellen – denn der Waschbär würde sich das wehrlose Nagetier schnappen und einverleiben.

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Haloui sieht in der Ausschreibung einen krassen Widerspruch gegen das Tierschutzgesetz, spricht von „Tier-Messietum“. Wer so etwas anbieten möchte, bräuchte gehörigen Raum, massenhaft qualifiziertes Personal und auch Futtermengen noch und nöcher. „Das ist, wenn die Stadt finanziell nicht vernünftig unterstützt, nicht realistisch und eine Farce“, so das Knallhart-Urteil von Haloui. Unterschwellig schwingt bei ihr auch der Vorwurf mit, dass Tierleiden in Kauf genommen werden: „Ich unterstelle der Stadt Absicht, dass das kein Tierschützer machen kann. Wer daran teilnimmt, ist aus den genannten Gründen kein Tierschützer.“