Hamburg. Viele Videos: Beste Spots für die Nordlicht-Suche. Wo sie in Norddeutschland schon zu sehen waren. Warum die Gelegenheit günstig ist.
Plötzlich ist es da. Über den endlosen Wäldern, die jetzt in der Nacht als schwarze Schatten erscheinen, leuchtet es intensiv grün, so hell, dass wir die einzelnen Baumspitzen erkennen. Atemlos stehen wir vor dem Ferienhaus und bestaunen das Wunder der Natur: Aurora Borealis, das Polarlicht.
Zum ersten Mal sehen wir mit bloßen Augen, was wir zuvor nur aus Filmen und von Fotos kannten. Milliarden geladener Teilchen treffen auf die Erdatmosphäre, reagieren mit dem Magnetfeld unseres Planeten und rufen so das grüne Leuchten hervor. Ein paar Minuten währt das Schauspiel, dann wird das Polarlicht schnell schwächer, und schließlich ist alles vorbei.
Polarlichter: Wer sie erleben will, muss jetzt aktiv werden
Diese Momente in einer lauen Spätsommernacht sind der Höhepunkt unseres Urlaubs. Erst später erfahren wir, was für ein Glück wir hatten. Denn hier in der Nähe von Amal am Vänersee in Südschweden sind Polarlichter selten. Man trifft sie eher in nördlicheren Gebieten an. Unser Vermieter erzählt uns später, er wohne schon seit Jahren in dem Häuschen mitten im Wald, aber Polarlichter habe er in der ganzen Zeit noch nie gesehen.
Wer die atemberaubende Erfahrung auch einmal machen möchte, für den bricht nun die beste Zeit an, den Wunsch in die Wirklichkeit umzusetzen. Denn in den kommenden Monaten ist die optimale Gelegenheit, sich auf die Jagd nach Polarlichtern zu machen. Einen Vorgeschmack haben wir in dieser Woche schon bekommen. In der Nacht zum Freitag waren Polarlichter über Hamburg, Kiel und an der Nordseeküste zu sehen.
Polarlichter: Wie sie entstehen, wie man sie findet
Wer sogar im kommenden Winter den Trip nach Norden wagt, wird wahrscheinlich Zeuge eines sehr viel länger andauernden und intensiveren Himmelsspektakels werden, als es uns vergönnt war. Denn die Mächte des Universums sind auf seiner Seite: Der Effekt, der das Naturphänomen hervorruft, ist in den kommenden Monaten so stark wie selten zuvor.
Polarlichter werden durch das Plasma des Sonnenwindes verursacht, das in einem weiten Bogen um das Erdmagnetfeld gelenkt wird. Die Intensität des Sonnenwindes steigt seit Jahren an, der Höhepunkt des aktuellen Sonnenzyklus wird für Juli 2025 erwartet. Doch so lange sollten Sie nicht warten. Die beste Zeit, um Polarlichter zu beobachten, ist der Zeitraum von September bis März. Dabei treten die Himmelserscheinungen im Januar besonders häufig auf.
Apps und Internetseiten weisen den Weg zum Himmelsspektakel
Während unser Erlebnis rein zufällig war, kann man sich auch von Tracking-Apps leiten lassen, die taggenau anzeigen, wo Polarlichter entstehen könnten. So kann man sozusagen den bunten Himmelslichtern hinterher reisen. Apple hat die umfangreiche Polarlicht-App Aurora auf den Markt gebracht, die Nordlicht-Warnungen abgibt, eine Polarlicht-Karte, Vorschläge für die besten Standorte sowie den Zugriff auf Webcams aus dem hohen Norden beinhaltet. Mit anderen Worten: das Rundum-Sorglos-Paket.
Es gibt aber auch Alternativen. Polarlicht-Tracker im Internet wie spaceweatherlive.com oder kachelmannwetter.com zeigen den genauen Verlauf der Sonnenwindaktivität an. Der variiert mitunter innerhalb weniger Tage stark. Während am Montag noch Polarlichter an verschiedenen Orten Russlands, Finnlands, Norwegens sowie in Umea und Lulea an der schwedischen Ostseeküste angezeigt wurden, war am Donnerstag in ganz Europa kein einziges dieser Wetterphänomene mehr zu finden. Und in der Nacht zum Freitag waren sie dann plötzlich überall.
Im Zelt am Ende der Welt den Tanz der Lichter über sich genießen
Natürlich hat die Tourismus-Industrie die Jagd nach Polarlichtern auch längst für sich entdeckt. Wer also auf Nummer sicher gehen möchte, kann sich auch einfach an einen der Nordlicht-Hotspots begeben und wird dort bereits eine entsprechende Infrastruktur vorfinden. Der Geheimtipp in Schweden ist ein 400-Seelen-Dorf namens Porjus, etwa 60 Kilometer nördlich des nördlichen Wendekreises gelegen. Hier im absoluten Niemandsland stören keine künstlichen Lichter den Blick in den Himmel. Wer mag, kann sich dort ein Zelt mieten, auf freier Fläche biwakieren und den Tanz der Nordlichter über sich genießen.
Porjus ist nicht nur per Auto, sondern von nahe gelegenen Städten wie Kiruna oder Lulea aus auch per Bus oder Bahn erreichbar. Lulea ist eine 40.000-Einwohner-Stadt am Bottnischen Meerbusen, Kiruna mit 22.000 Einwohnern die nördlichste Stadt Schwedens. Auch in diesen beiden Städten sind Polarlichter sehr regelmäßig zu beobachten. Wer extreme Erfahrungen liebt, findet 20 Autominuten von Kiruna entfernt das 500-Seelen-Kaff Jukkasjärvi, in dem jedes Jahr im Dezember ein Hotel eröffnet wird, das komplett aus Eis besteht.
Ein Dinner bei Gefrierschrank-Temperaturen unter leuchtendem Himmel
Und schließlich gibt es 100 Kilometer westlich von Kiruna noch den Abisko National Park in Lappland, der für die Tourismusseite visitsweden.com die „beste Chance, Polarlichter zu sehen“ darstellt. Dort werden von November bis März geführte Touren zur Aurora Sky Station angeboten, inklusive Dinner bei Gefrierschrank-Temperaturen unter dem Polarlichthimmel.
Was für den zufälligen Beobachter nur eine zauberhafte Himmelserscheinung ist, hat der Wissenschaft lange Rätsel aufgegeben. Den Begriff „Aurora Borealis‘ gibt es seit 1621. Er wurde von dem französischen Naturwissenschaftler Pierre Gassendi (1592-1655) eingeführt, der als Professor für Philosophie in Aix-en-Provence lehrte und sich nebenbei mit Astronomie beschäftigte. Doch noch hatte man keine Ahnung, was das rätselhafte Leuchten am Himmel hervorrief.
Warum sind Polarlichter grün, rot, blau oder violett?
Der Franzose Jean Jacques de Mairan (1678-1771) vertrat die Theorie, dass es etwas mit der Sonne zu tun haben könnte. Man nahm an, Eiskristalle in der Atmosphäre würden das Licht spiegeln und so den Effekt hervorrufen. Dann aber müssten die Nordlichter in den Spektralfarben strahlen, und das tun sie nicht. Meistens sind Polarlichter grün bis weißgrün, manchmal auch rot, violett oder blau.
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Entscheidend ist, welche Elemente in der Atmosphäre angeregt werden. Grünes, rotes und violettes Licht ist ein Nachleuchten von Sauerstoffatomen, blaues das Nachleuchten von Stickstoffmolekülen. Dass dabei das Magnetfeld der Erde eine wichtige Rolle spielte, wies der Norweger Kristian Birkeland (1867-1917) mit den Terrella-Experimenten nach. Mit Hilfe künstlicher Magneten gelang es ihm, künstliches Polarlicht zu erzeugen.
Bis ans Ende des Sonnenwindes: die Raumfähren Voyager 1 und Voyager 2
Doch noch wusste man nichts von der Existenz des Sonnenwindes. Eine Million Teilchen pro Sekunde strahlt die Sonne ab. Erst 1951 sagte ein Deutscher die Existenz des Sonnenwindes voraus: Ludwig Biermann (1907-1986), der Direktor des Max-Planck-Instituts in München, war der Erste, der eine solche Möglichkeit in Betracht zog. Bereits 1958 gelang der Nachweis, dass er recht hatte.
Doch wie weit reicht der Sonnenwind ins All hinaus? Ungefähr 100 Astronomische Einheiten weit, also 100 Mal so weit, wie die Erde von der Sonne entfernt ist. Das wissen wir dank der 1977 gestarteten Raumsonden Voyager 1 und Voyager 2, die nach drei Jahrzehnten die Grenze der Heliosphäre erreichten und von dort aus immer noch funkten. Nun fliegen sie ewig weiter durch die Dunkelheit in die Endlosigkeit des Weltalls.