Hamburg. Ein Antrag wird in der Bezirksversammlung Bergedorf zur hitzigen Generaldebatte. Das Anliegen sollte Frauen in Notsituationen unterstützen.

Dieses eine Wort genügt, um die Emotionen hochkochen zu lassen: Auch in der Bezirksversammlung Bergedorf sorgte das Thema Schwangerschaftsabbrüche jetzt für eine hitzige Debatte. Dort hatten Die Linken und die Grünen in einem gemeinsamen Antrag gefordert, Informationsmaterialien zu Abtreibungen in möglichst allen öffentlichen Bereichen auszulegen. Der Zugang zu diesen wichtigen Informationen müsste für Schwangere erleichtert werden, so die Forderung.

Das sorgte reflexhaft für Widerspruch aus vielen Fraktionen, verbunden mit einigen Grundsatzreferaten zum Thema Abtreibung. Diese offenbarten erneut, wie unterschiedlich die Parteien auf das Thema blicken. Dass vor allem die AfD in ihrem Grundsatzprogramm fordert, dass die „einheimischen“ Frauen mehr deutsche Kinder produzieren sollen, wiederholte mehr oder minder direkt auch der hiesige Fraktionsvorsitzende Reinhard Krohn.

AfD Bergedorf schockt mit Statement zu Schwangerschaftsabbruch

Erst im Sommer 2022 war in Deutschland das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche von der Bundesregierung aufgehoben worden. Weil Frauen nicht zugetraut wurde, zwischen sachlicher Information und „Werbung“ für Abbrüche zu unterscheiden, war bis dahin jegliche Information verboten. Auch Ärzte durften auf ihren Webseiten nicht über Eingriffe medizinisch informieren. Mit der Aufhebung des Werbeverbots wurde das nun erlaubt. Sachliche Inhalte zum Thema sind inzwischen an vielen Stellen zugänglich.

Bezirksversammlung
AfD-Fraktionschef Reinhard Krohn rät Frauen, ihre Babys lieber auszutragen.  © bgz | Fabienne Schreier

Das war auch der Grund, weshalb die SPD keinen Handlungsbedarf für den Antrag sah. Alle diese Informationen seien schon da, „alle Beratungsstellen, alle Praxen, auch viele Ärzte“ seien in Hamburg problemlos zu googeln, stellte Christine Niemeyer (SPD) fest. Als „Papierverschwendung“ bezeichnete Erika Garbers (CDU) die Idee, die „niemanden weiterbringe“. Auch CDU-Fraktionschef Julian Emrich meinte, Frauen in der Situation sei durchaus zuzumuten, sich mit dem Thema zu beschäftigen und sich die nötigen Informationen zu beschaffen. Er bekräftigte außerdem die Haltung der Union, dass Abtreibungen nur „die Ausnahme“ sein sollten.

Grüne betonen: Die Uhr tickt für jede Schwangere

Doch die Uhr ticke für jede Schwangere, warb Lenka Brodbeck (Grüne) eindringlich für den Antrag: „Es geht um Zeit“. Weil ein Abbruch in Deutschland nur bis zur 12. Schwangerschaftswoche straffrei ist, die Frau vor der fünften Woche aber oft gar nichts von der Schwangerschaft bemerkt, bleiben inklusive der gesetzlich erforderlichen Beratung oft nur wenige Wochen bis zum Eingriff. Ein Stress für ungewollt Schwangere, die sich meist in einer emotionalen Notsituation befinden.

Nach dem Protest gegen den Paragraf 219a, hier in Berlin im Jahr 2019, wurde 2022 das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche aufgehoben. Sachliche Inhalte zum Thema sind inzwischen an vielen Stellen zugänglich.
Nach dem Protest gegen den Paragraf 219a, hier in Berlin im Jahr 2019, wurde 2022 das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche aufgehoben. Sachliche Inhalte zum Thema sind inzwischen an vielen Stellen zugänglich. © epd | Christian Ditsch

AfD-Fraktionschef Reinhard Krohn räumte ein, dass schwangere Frauen oft mit der Situation alleingelassen werden, weil sich Männer „einen schlanken Fuß machen“ und abhauen. Jedoch sah er ebenfalls keine Notwendigkeit für den Antrag. Nicht nur sei alles gesetzlich ja schon geregelt. Die Frauen seien auch gut beraten, die Kinder auszutragen. Im Alter sei man dann „nicht so einsam“, befand er. Und der Nachwuchs sei wichtig für das Land.

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Das Ausblenden der Notsituationen, in denen sich schwangere Frauen befinden können, brachte Mit-Antragstellerin Christin Feiler richtig auf die Palme. Die Linken-Fraktionsvorsitzende schoss scharf Richtung Reinhard Krohn: „Frauen, tragt die Babys aus, denn Deutschland braucht Fachkräfte: Das ist wirklich ein unglaublicher Beitrag!“, schäumte sie.

Den Antrag, überall in Bergedorf Informationen auszulegen, lehnte die Bezirksversammlung dann zwar mehrheitlich ab. Doch keine Frau beende eine Schwangerschaft aus „Jux und Dollerei“, bot Christine Niemeyer (SPD) vorher noch etwas Nachhilfe vorwiegend für die Männer. Sie hatte zudem ein paar Zahlen recherchiert. Nur ein Viertel aller nicht gewollten Schwangerschaften werde tatsächlich beendet, sagte sie. Und 60 Prozent dieser Frauen seien bereits Mütter.