Hamburg (dpa/lno). Eine Hamburgerin erstickt ihr neugeborenes Baby. Drei Monate später greift sie den Vater des Kindes mit einem Messer an. Dafür muss die 33-Jährige nun viele Jahre ins Gefängnis.
Ein Jahr nach dem gewaltsamen Tod ihres kleinen Babys ist eine Mutter wegen Totschlags, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung vom Hamburger Landgericht zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Gericht sah es am Dienstag als erwiesen an, dass die 33-Jährige am 22. Mai vergangenen Jahres ihren drei Wochen alten Sohn mit einem Kissen erstickte. Drei Monate später versuche die Deutsche am 18. August, ihren Lebensgefährten und Vater ihrer Kinder im Schlaf mit einem Messer zu töten. Der 37-Jährige sei jedoch aufgewacht, habe sich gewehrt, ihr das Messer entrissen und die Polizei gerufen, die die Frau festnahm.
Die Tat sei eine Verkettung von „unglücklichen und tragischen Umständen“ gewesen, sagte die Vorsitzende Richterin Jessica Koerner. Die Angeklagte, die an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung leide, sei dem Traum von einer Familie nicht gewachsen gewesen und „hätte rückblickend niemals eine Familie haben dürfen“. Die 33-Jährige, die bereits einen drei Jahre alten Sohn hat, sei mit der Mutterrolle nicht zurechtgekommen und habe sich von allen eingelassen gefühlt. Mit der Geburt des zweiten Sohnes sei die Belastung so stark geworden, dass sie das Kind tötete. Die Angeklagte - hellbraunes Haar zu einem Zopf gebunden, dunkle Brille - nahm das Urteil still weinend entgegen.
Laut psychiatrischem Gutachten leidet die Frau an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, die sich aus schizoiden und dependenten (abhängigen) Anteilen zusammensetzt. Dieser Persönlichkeitstypus zeige auf der einen Seite ein tiefgreifendes Muster von Zurückhaltung gegenüber sozialen Beziehungen, neige aber andererseits gegenüber nahestehenden Personen - in diesem Fall der Mutter - zu einem anklammernden und unterwürfigen Verhalten. Das habe bei der Angeklagten zu einer Überforderung geführt, „weil sie emotional zu einem eigenständigen Leben und den damit einhergehenden Rollen als Partnerin und Mutter nicht bereit war“, wie die Richterin sagte.
Auch zu dem Vater ihrer Kinder, der aus Somalia stammt und den sie über Facebook kennengelernt hatte, habe sie keine emotionale Beziehung aufbauen können. Mit ihm habe die Angeklagte ihre ersten sexuellen Erfahrungen gemacht und sei sofort schwanger geworden. Solange der Vater zu Hause war, sei aber alles noch gut gegangen. Als der 37-Jährige jedoch eine Arbeit aufnahm, habe er ihr nicht mehr so sehr helfen können. Als die 33-Jährige erneut schwanger wurde, habe sie an Abtreibung gedacht und sei sehr enttäuscht gewesen, weil es wieder ein Junge wurde. „Es geht mir beschissen. Ich komme mit dem Baby nicht klar. Er ist nur am Schreien“, soll sie einer Freundin per Whatsapp geschrieben haben, außerdem suchte sie im Internet nach „Plötzlichem Kindstod“.
In der Nacht zum 22. Mai tötete sie ihren drei Wochen alten Sohn, indem sie ihn mit einem Kissen erstickte und gleichzeitig die Nase zuhielt. Das habe das Obduktionsergebnis des Babys ergeben. Zunächst hatte die Mutter jedoch weinend die Feuerwehr angerufen und erzählt, dass sie das Baby „still und kalt vorgefunden habe“. Wenige Tage später wollte die Mutter sich umbringen. Als die Feuerwehr sie unter einem Bett fand, sagte sie, sie habe das Baby erstickt und könne mit der Schuld nicht mehr leben. Das Gericht glaubte diesen Aussagen, auch weil sie einer Retterin die Tat genau geschildert hatte: „Habe in seinen Augen das Leben heraus weichen sehen“.
Nach der Tat kam die Angeklagte zunächst in Untersuchungshaft, aus der sie am 11. August jedoch wieder entlassen wurde, weil der psychiatrische Sachverständige zu dem Schluss kam, dass von ihr keine Gefahr ausgehen würde. Eine Fehleinschätzung, wie sich später herausstellen sollte: Nur eine Woche später, am 18. August, versuchte die Angeklagte, den Vater ihrer Kinder mit einem Küchenmesser umzubringen, während er schlief. Dem 37-Jährigen gelang es jedoch, ihr das Messer zu entwenden und die Polizei zu rufen.
Die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten sei eingeschränkt, aber nicht aufgehoben gewesen, sagte die Richterin und begründete damit das Strafmaß von acht Jahren für beide Taten. Die Staatsanwaltschaft hatte elf Jahre und sechs Monate, die Verteidigung einen Freispruch gefordert. Der Verteidiger kündigte am Dienstag an, in Revision zu gehen.