Hamburg. Die meisten neuen XXL-Windkraftanlagen sollen in Bergedorf gebaut werden, damit Hamburg die bundesweiten Vorgaben erfüllt.
Das sogenannte Windenergieflächenbedarfsgesetz, kurz WindBG, sieht einen deutlichen bundesweiten Ausbau der Flächen für Windkrafträder vor. Bis Ende 2027 – fünf Jahre früher als gefordert – will Hamburg 0,5 Prozent der Landesfläche, was etwa 378 Hektar entspricht, für Windanlagen ausweisen.
Wo die zuständigen Behörden Potenzial sehen, wollen sie am Montag, 16. September, 18 Uhr, im Emporio Hamburg (Dammtorwall 15) präsentieren. Ein Jahr lang haben Bevölkerung und Politik von da an Zeit, sich an den Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans und des Landschaftsprogramms zu beteiligen. Dann sollen die Ergebnisse umgesetzt werden. Unserer Redaktion liegen exklusiv Informationen zu den Flächen-Vorschlägen vor.
Windenergie in Hamburg: Auf welchen Flächen Windräder entstehen könnten
Mehr als 50 Prozent der neuen Windräder, für die es keine pauschale Höhenbegrenzung mehr gibt, sollen in den Vier- und Marschlanden aufgestellt werden, heißt es aus verlässlicher Quelle. So wird zur Diskussion gestellt, in Ochsenwerder zwischen Marschbahndamm und Landscheideweg neue Anlagen aufzustellen. Auch auf einer Grünfläche in Moorfleet, zwischen Autobahn 25 und Moorfleeter Deich, etwa in Höhe der Hausnummern 411 bis 415, soll mindestens ein neues Windrad aufgestellt werden.
Zudem seien weitere Windräder in Curslack geplant, nahe der bestehenden XXL-Anlagen, teilt der Informant, der anonym bleiben möchte, mit. Weitere Vorbehaltsflächen seien am Kiebitzdeich in Neuengamme, an den Fischteichen angrenzend an das Naturschutzgebiet Kirchwerder Wiesen und in Altengamme. Landschafts- und Naturschutzgebiete seien nicht betroffen.
In Bergedorf gibt es viele freie Flächen, deshalb war dieses Ergebnis zu erwarten
Konfrontiert mit diesen Informationen, äußert sich Nils Potthast, Fraktionsvorsitzender der Grünen, verständnisvoll: „Die Verantwortlichen haben alle Flächen, auf denen die Aufstellung neuer Anlagen möglich wäre, sehr genau und ideologiefrei geprüft. In Bergedorf gibt es viele freie Flächen, deshalb war dieses Ergebnis zu erwarten.“ Wichtig sei, dass wirtschaftlich vernünftig, aber auch für den Bürger verträglich und im Konsens mit dem Naturschutz vorgegangen werde. Ebenfalls um eine Stellungnahme gebeten, kritisiert Jörg Froh (CDU), dass alte Pläne für sogenannte Vorbehaltsflächen „nun wieder aus der Schublade gezogen“ wurden, obwohl sie längst als ungeeignet eingestuft worden seien.
Angesprochen auf den aktuellen Planungsstand, äußert Paul Veit (SPD): „Die meisten erstmal erkannten Potenzialflächen liegen in Bergedorf. Wir sind schließlich der grünste Bezirk.“ Veit fügt hinzu: „Wichtig ist, erst Potenzialflächen in Harburg und vor allem in den urbaneren Bezirken auszuschöpfen, bevor man den restlichen Flächenbedarf wieder in Bergedorf deckt.“ Und: „Bevor neue Flächen benannt werden, ist es wichtig, die alten Flächen so effektiv wie möglich auszuschöpfen.“
Öffentlichkeit hätte längst informiert werden müssen
Er findet es gut, „dass die Behörde mit ihrem frühen Informationsstand an die Öffentlichkeit geht“, sagt Veit. Das ermögliche Politik und Bürgern, „darauf Einfluss zu nehmen, dass Bürger-Strom-Modelle und andere Aspekte, die die lokale Akzeptanz erhöhen, berücksichtigt werden“.
Dennis Gladiator, Innenpolitischer Sprecher und Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Bürgerschaftsfraktion, und seine Parteifreunde ärgern sich wiederum darüber, dass die Öffentlichkeit nicht längst über die geplanten neuen Standorte informiert worden ist. „Die konkrete Planung liegt den Hamburger Regierungsfraktionen längst vor“, sagte Gladiator. Es sei „ein Unding“, dass die konkreten Pläne „bewusst vor den Bezirkswahlen geheim gehalten worden sind“.
Ernst Heilmann: Hamburg betrachtet das Landgebiet grundsätzlich als Flächenreservoir
Ernst Heilmann (Die Linke) plädiert dafür, bei der Nutzung regenerativer Energien Solarenergie nicht aus dem Blick zu verlieren. Seine Partei sei deshalb bereits im Gespräch mit der Landwirtschaftskammer: „Wir prüfen, ob Landwirtschaft auch unter aufgeständerten Solarmodulen betrieben werden kann, etwa in Form von Tierhaltung.“ Man müsse „sich das Gesamtkonzept anschauen“, betont der Politiker. „Schließlich stehen Bauen, Landwirtschaft und Energie, was Flächen betrifft, in Konkurrenz zueinander. Zudem will man die Kulturlandschaft erhalten. Es stellt sich die Frage: Wie viel von was ist insgesamt möglich?“
Es sei ein grundsätzliches Problem, dass Hamburg das Landgebiet als „Flächenreservoir für alles“ betrachte. Heilmann kann sich neue Windräder gut entlang von Autobahnen vorstellen. Wichtig ist ihm auch, sich „endlich Gedanken über Speicherkapazitäten“ für die grüne Energie zu machen. „Sonst blasen wir die gewonnene Energie unnötig raus.“
Bezirksamtsleiterin betont, dass für die Verwaltung ein Konsens mit der Bevölkerung wichtig ist
Die Bergedorfer Verwaltung, federführend für alle Hamburger Bezirksämter in der Arbeitsgemeinschaft vertreten, „befürwortet den Ausbau der Windenergie und ist zudem an einer Lösung interessiert, die das Orts- und Landschaftsbild der Vier- und Marschlande berücksichtigt und Windenergieanlagen möglichst konzentriert“, betont Lennart Hellmessen, Sprecher des Bezirksamtes.
Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann (SPD) stellte in der jüngsten Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses klar, dass für das Bezirksamt Umwelt- und Naturschutz sowie der Erhalt der Kulturlandschaft und ein Konsens mit der dort lebenden Bevölkerung von großer Bedeutung seien. In dem Ausschuss hatten hochrangige Vertreter der Arbeitsgemeinschaft die bisherigen Planungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorgestellt.
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Unter anderem präsentierten die Projektentwickler einen abgearbeiteten Prüfkatalog, in dem es unter anderem um Natur- und Landschaftsschutzbelange und Einflugschneisen von Flugzeugen geht. „Doch werden auch die vielen nicht offiziell genehmigten Storchennester im Landgebiet berücksichtigt?“, fragt sich Froh. Er fürchte, dass die Horste auf der Strecke bleiben könnten, dass nur denen Bestandsschutz oder Ersatz gewährt werde, für die eine Baugenehmigung vorliegt.
Planunterlagen werden nach dem Info-Abend im Internet veröffentlicht
„Dabei wollen wir doch die Natur schützen. Außerdem sind die Nester eine Touristenattraktion.“ Froh ärgert sich darüber, dass der Auftakt der Bürgerbeteiligung in der Hamburger City sein wird: „Warum nicht in den Vier- und Marschlanden, wo die meisten Menschen betroffen sind?“ Auch sei der Termin sehr kurzfristig angekündigt worden, betont er. Medienvertreter wurden sogar erst am Freitag, 13. September, eingeladen.
„Bürgerinnen und Bürger haben die Möglichkeit, Fragen zu stellen und sich im Anschluss an die Präsentationen an verschiedenen Informationsständen vertieft über die Planungen mit Mitarbeitenden der beteiligten Behörden auszutauschen“, teilt die Pressestelle des Senats mit. Die Planunterlagen werden vom 17. September bis zum 6. Oktober im Internet veröffentlicht: bauleitplanung.hamburg.de.