Hamburg. Grüne und SPD fordern Ausweisung der Flächen bis 2027. Noch ist unklar, wo Standorte sein könnten. Im September soll es dazu Antworten geben.
Mit dem Ausbau der Windenergie in Hamburg beschäftigten sich gleich zwei Anträge, über die in der jüngsten Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft abgestimmt wurde. Die CDU-Fraktion um Dennis Gladiator forderte eine Abkehr vom sogenannten Windenergieflächenbedarfsgesetz, das einen deutlichen Ausbau der Flächen für Windkrafträder vorsieht: Bis Ende 2027 muss Hamburg 0,25 und bis Ende 2032 sogar 0,5 Prozent der Landesfläche für Windenergieanlagen (WEA) ausweisen.
Der andere Antrag, dem im Gegensatz zu dem CDU-Papier erwartungsgemäß zugestimmt worden ist, stammt von der Grünen- und der SPD-Fraktion. Sie fordern den Senat auf, bereits bis Ende 2027 die gesetzlich geforderten 0,5 Prozent der Hamburger Flächen als Windenergiegebiete auszuweisen. Zudem – und da stimmen die Regierungsfraktionen mit den Christdemokraten weitgehend überein – soll geprüft werden, wie die Bevölkerung finanziell und organisatorisch am Ausbau der Windkraft beteiligt werden kann. Wobei noch geheim ist, wo mögliche Standorte sein könnten. Die sollen im September der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Windkraft: Grüne und SPD favorisieren einen früheren Ausbau als vom Bund verlangt
SPD und Grüne wollen „soweit rechtlich und tatsächlich möglich zuerst bereits versiegelte Flächen nutzen“, fordern eine „Energiewende zum Anfassen“ mit Beteiligung der Menschen im Umkreis der geplanten Anlagen. Die CDU bezeichnet das Windenergieflächenbedarfsgesetz der Berliner Ampelregierung als paradox.
„Einerseits soll damit die Windenergie vorangetrieben werden, andererseits kommt es gar nicht auf die zusätzliche Stromproduktion an, sondern ausschließlich auf eine formale Ausweisung von Flächen.“ Der Hamburger Senat betreibe rücksichtslose „Symbolpolitik“, meinen die Christdemokraten und fragen, „wo es in Hamburg überhaupt Platz für den Ausbau von Windkraft gibt“.
CDU für eine länderübergreifende Kooperation
Hamburg werde als Stadtstaat mit der Flächenvorgabe „selbst mit reduziertem Flächenziel im Vergleich zu den Flächenländern vor eine besondere Herausforderung“ gestellt. Aufgrund der baulichen Dichte würden „Konflikte mit der betroffenen Bevölkerung provoziert“. Hamburg hätte nach Meinung der CDU eine länderübergreifende Kooperation mit Flächenländern schließen müssen, um dort die geforderten neuen Anlagen aufzustellen.
Die Frist für einen dafür notwendigen Staatsvertrag ist allerdings Ende Mai abgelaufen. Die Christdemokraten fordern nun eine Korrektur der „folgenschweren Fehlentscheidung“, möchten, dass sich der Senat in Berlin für eine Ausnahmegenehmigung und somit eine Fristverlängerung einsetzt.
Öffentlichkeit noch nicht über geplante Standorte informiert
„Berlin hat erfolgreich Kooperationen gesucht. Hamburg hat es ganz bewusst nicht einmal versucht“, betont Dennis Gladiator, Innenpolitischer Sprecher und Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Gladiator und seine Parteifreunde ärgern sich auch darüber, dass die Öffentlichkeit bisher nicht über die geplanten neuen Standorte für den Ausbau der Windenergie informiert worden ist.
„Die konkrete Planung liegt den Hamburger Regierungsfraktionen längst vor. Wir wissen allerdings nicht einmal, wann sie der Öffentlichkeit vorgestellt wird“, sagt er. Es sei „ein Unding“, dass die konkreten Pläne „bewusst vor den Bezirkswahlen geheim gehalten worden sind“.
Vorschläge für neue Flächen sollen im September präsentiert werden
Jens Heidorn, Geschäftsführer der NET Windenergie GmbH in Bergedorf, die seit 1991 Windkraftanlagen im Bezirk betreibt, weiß, dass die Pläne „voraussichtlich im September“ veröffentlicht werden sollen. Dies hätten die zuständigen Behörden, die Umwelt- und die Stadtentwicklungsbehörde, längst öffentlich mitgeteilt. Es handle sich um „Flächen-Vorschläge“, die nach der Präsentation erst einmal von der Politik diskutiert und schließlich abgesegnet werden müssten.
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Heidorn ist auch stellvertretender Vorsitzender des Hamburger Landesverbandes des Bundesverbandes WindEnergie e. V. „Unser Landesverband hat bereits vor fast zwei Jahren Vorschläge gemacht und an die Behörden gereicht“, sagt er. „Seit September 2022 gibt es eine behördenübergreifende Arbeitsgemeinschaft zu dem Thema. Leider sind wir darin als Verband nicht vertreten.“
Bürgermeister Peter Tschentscher kann sich Windkraftanlagen auch in Naturschutzgebieten vorstellen
Heidorn: „Ein Großteil der neu auszuweisenden Flächen wird sich vermutlich in den Vier- und Marschlanden befinden, denn so viele große freie Flächen – außerhalb von Naturschutzgebieten – gibt es in Hamburg ja nicht.“ Heidorn sei selbst gespannt, welche Vorschläge seines Verbandes berücksichtigt werden sollen und wo die Hamburger Verwaltung die Aufstellung neuer Windkraftanlagen für richtig hält. Naturschutzgebiete seien für ihn tabu – im Gegensatz zu Hamburgs Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher (SPD). „Der hat ja bereits mehrfach geäußert, dass er sich auch das Aufstellen von Windkraftanlagen innerhalb von Naturschutzgebieten vorstellen kann“, sagt Heidorn.
Dass die Hamburger CDU nach wie vor auf eine Kooperation mit Flächenländern drängt, kann Heidorn nicht nachvollziehen: „Dann würde die Stadt ihre Verantwortung abschieben.“
Landesverband WindEnergie fordert dringend eine Änderung des Strommarktdesigns
Der Landesverband WindEnergie bekräftigt wiederum seine Forderung, endlich für eine Beschleunigung bei der Genehmigung neuer Windenergie- und Solarfreiflächenanlagen zu sorgen. „Auch wenn die Senats-Fraktionen der Grünen und der SPD jetzt richtigerweise das Thema Bürgerbeteiligung bei der notwendigen Klima- und Energiewende als Prüfauftrag auf die Tagesordnung setzen: Dadurch wird in Hamburg keine einzige neue Windenergie- und Solarfreiflächenanlage in Betrieb genommen und werden keine klimaschädlichen CO2-Emissionen reduziert. Hier bedarf es dringend einer Beschleunigung der Genehmigungsverfahren“, sagt Heidorn und fügt hinzu: „Es bedarf dringend einer Änderung des Strommarktdesigns und einer Umstellung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf ein Mengenmodell.“ Sonst könne auch beteiligten Bürgern keine attraktive Verzinsung garantiert werden, betont Heidorn.
Dass SPD und Grüne nun in ihrem Antrag Beteiligungsmodelle für den Bürger als Schwerpunkt behandeln, wundert Heidorn: „Es macht den Eindruck, als hätten sie Beteiligungsmodelle gerade erst erfunden. Dabei gab es bereits seit 1997 unterschiedlichste Beteiligungsangebote in Hamburg.“ Die von den Senats-Fraktionen geforderte Beschleunigung der Ausweisungsflächen hält der Experte für sinnvoll: „Wenn man den Flächennutzungsplan mit Blick auf 2027 nun sowieso anfassen muss, dann sollte gleich die 0,5-Prozent-Vorgabe umgesetzt werden.“ Schließlich sei eine Änderung des Flächennutzungsplans ein sehr aufwendiges Verfahren.