Bergedorf. „Wirtschaftsförderung ganz neu aufstellen“: CDU und SPD wollen mehr Gestaltungsspielraum. Auch Tourismus wird ein Schwerpunkt.
Noch ist es bloß eine Ein-Frau-Show: Bergedorfs Wirtschaftsförderung besteht mit Marlene Sandecki seit Jahren nur aus einer einzigen Planstelle. Hamburgs Zentralisierungswellen haben dafür gesorgt, dass ansiedlungswillige Unternehmen, ja selbst expansionsfreudige Bergedorfer Betriebe gewöhnlich von übergeordneten Behörden betreut werden und nicht vom hiesigen Bezirksamt. Ein Werben für die Vorzüge Bergedorfs bei Firmengründern fällt damit flach, selbst neue innovative Anbieter für die Fußgängerzonen können nicht aktiv angesprochen werden.
Ein Defizit, das die neue CDU-SPD-Mehrheit in der Bezirksversammlung jetzt angeht. Und zwar grundsätzlich: „Wir wollen nicht bloß eine Verschiebung von Ressourcen, sondern eine komplette Neuaufstellung der Wirtschaftsförderung in unserem Rathaus“, machte CDU-Fraktionschef Julian Emrich in der jüngsten Sitzung des Bezirksparlaments deutlich. Damit Bergedorfs Ruf in den einschlägigen Netzwerken der Jungunternehmer sexy wird, soll dort künftig ein eigener Start-up-Koordinator auf Messen, im Internet und anderswo für die Vorteile einer Ansiedlung an der Bille im Osten Hamburgs werben.
Sexy Bergedorf: So soll der Bezirk Firmen an die Bille holen
Gleiches gilt für die Bergedorfer Innenstadt der Zukunft, unterstrich SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Kramer: „In Sachsentor, Alter Holstenstraße und ihrem Umfeld wollen wir neuen und kreativen Ideen viel Raum geben. Dazu können Tanzflächen und Film-Nachmittage gehören, ebenso wie neue Treffpunkte, Sport auf entstehenden schattigen Flächen und natürlich neue Geschäftsideen.“ Hier müsse ein zweiter Schwerpunkt der künftigen Bergedorfer Wirtschaftsförderung liegen, die im Bezirksamt zudem den direkten Draht zu den Genehmigungsinstanzen und möglichen Fördertöpfen knüpfen werde.
Der angeschlagene Zustand der Bergedorfer Einkaufsstraßen trotz mittlerweile weit geöffneten Fördertöpfen bis hin zum millionenschweren Rahmenprogramm integrierte Stadtteilentwicklung (Rise) macht auch der Präsidentin der Bezirksversammlung Sorgen: „Die eigenständige Bedeutung unserer Innenstadt als Oberzentrum in Hamburgs Osten könnte verloren gehen und damit Wirtschaftskraft aus der Hansestadt abwandern“, weist Stephanie Pelch (CDU) auf die Bedeutung von Sachsentor & Co. für die Steuereinnahmen der gesamten Metropole hin. Es gelte schnellstmöglich gegenzuhalten, „durch ein proaktives Standortmarketing, das Bergedorfs Markenkern entwickelt und ihn mit dem angelaufenen Stadtmanagement, den Rise-Förderungen und den ansässigen Geschäftsleuten sowie deren Institutionen zusammenbringt“.
Bergedorfs Tourismus von „läuft nur nebenbei“ zum Förderschwerpunkt machen
Doch damit nicht genug: Neben dem Start-up-Koordinator und dem zentralen Fokus auf die Innenstadt soll auch der Tourismus ein Kernelement der Bergedorfer Wirtschaftsförderung werden. „Die Förderung des Fremdenverkehrs, vor allem der Attraktivitätssteigerung Bergedorfs für Tagesgäste, die zum Beispiel mit dem Fahrrad aus Hamburg kommen, läuft bisher nur nebenbei“, attestiert Stephanie Pelch. Als Kritik an Marlene Sandecki will sie das aber nicht verstanden wissen, ganz im Gegenteil: „Sie macht wirklich gute Arbeit. Aber mit nur einer einzigen Stelle ist unsere Wirtschaftsförderung heute personell schlicht mangelhaft ausgestattet.“
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Der gemeinsame Antrag von CDU und SPD wurde von der Bezirksversammlung mit großer Mehrheit beschlossen – einzig die Grünen enthielten sich. Aus Sicht ihres Stadtentwicklungsexperten Jan Vlamynck hat der Bergedorfer Vorstoß zur Dezentralisierung der Wirtschaftsförderung beim Senat wenig Chancen, Gehör zu finden: „In Hamburg gibt es viele Beratungen und Angebote für Neugründer, die nach unserer Einschätzung auch schlagkräftiger sind, als es das Bezirksamt selbst mit der geforderten Koordinierungsstelle wäre.“ Und beim auch aus Grünen-Sicht dringend erforderlichen Turbo für Bergedorfs Innenstadtentwicklung sei es besser, vor seinem Zünden Ideen und Erfahrungen aus anderen Bezirken und Städten einzuholen.
Tatsächlich wärmt das schwarz-rote Votum zumindest beim Start-up-Koordinator nur einen Bezirksversammlungsbeschluss vom August 2023 auf. Bis heute – immerhin ein Jahr später – hat der Senat darauf noch immer nicht reagiert. Das wollen CDU und SPD jetzt nicht mehr hinnehmen: Noch vor Weihnachten soll Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann im Wirtschaftsausschuss berichten, wie weit die jetzt ja komplette Neuaufstellung der Bergedorfer Wirtschaftsförderung gediehen ist.