Reinbek. Junge Menschen organisieren jedes Jahr ein Camp in den Sommerferien. Einer davon ist Paul Puhlmann – nominiert für den Bürgerpreis.
Wenn man Paul Puhlmann (27) und seiner Nachfolgerin Amelie Kraus (20) so zuhört, scheint ein Sommerzeltlager für 40 Kinder ein echtes Paralleluniversum zu sein. Es fallen Sätze wie: „Viel Schlaf bekommt man im Zeltlager leider nicht“, „ohne Strom und Handy“ oder sogar „Es gehört zum Zeltlagerfeeling dazu, dass die Füße stinken.“ Trotzdem gelingt es den beiden, ihre Interviewpartnerin mit ihrer Begeisterung für diese Ferienfreizeit anzustecken – obwohl diese alles andere als eine Campingfanatikerin ist. Fast ist man versucht, sich selbst anzumelden für das zweiwöchige Zeltlager der katholischen Kirchengemeinde in Reinbek.
Das gesamte Jahr sind die jungen Leute mit Vorbereitungen beschäftigt, zeitweise nimmt die Aufgabe so viel Zeit wie ein Vollzeitjob in Anspruch. Warum gibt sich das Organisationsteam so viel Mühe? Alle arbeiten auf die zwei Wochen in den Sommerferien hin. Auf jeden Fall ist Paul Puhlmann jetzt stellvertretend für den Einsatz des Teams für den Bürgerpreis der Volksbank und der Bergedorfer Zeitung nominiert.
Paul Puhlmann bereitet Kindern eine tolle Zeit
Der 27 Jahre alte Student der Medizintechnik war schon als Achtjähriger selbst Gast des Sommerzeltlagers der katholischen Kirchengemeinde in Reinbek und hat unvergessliche Erinnerungen daran, wie er erzählt. Jetzt hat er den Staffelstab des Organisationsteams gerade an Amelie Kraus weitergegeben. Im Gegensatz zu den meisten anderen im Team ist die Lehramtsstudentin „Quereinsteigerin“: „Ich war als Kind im Zeltlager einer anderen Kirche“, erzählt sie.
Während andernorts nach Ehrenamtlichen gesucht wird, konnte das Team aus 21 Betreuerinnen und Betreuern im Alter von 16 bis 26 Jahren für 41 Kinder diesen Sommer überhaupt nicht alle nach Fargau-Pratjau mitnehmen, ein kleiner Ort am Selenter See. „Das zeigt uns, dass wir alles richtig machen“, stellt Paul Puhlmann zufrieden fest.
Zeltlager für alle, egal welcher Konfession
Bei ihm schwingt ein bisschen Wehmut mit, denn für ihn war es dieses Jahr aus beruflichen Gründen das letzte Zeltlager, an dessen Vorbereitung er beteiligt war. 1994 hat Pfarrer Gerd Gerding das Zeltlager der katholischen Kirchengemeinde ins Leben gerufen, schon damals wurde er von Jugendlichen unterstützt.
Das Feriencamp ist ausdrücklich für alle Kinder gedacht ist, welcher Religion auch immer. „Ich beispielsweise bin weder Christ noch bin ich religiös“, erklärt Paul Puhlmann. „Wir probieren alle so zu nehmen, wie sie sein wollen.“ Amelie Kraus erzählt: „Ich bin Katholikin, aber das ist egal. Uns geht um gemeinschaftliche Werte. Wir wollen gemeinsam mit der Natur in Einklang leben.“
Kinder lernen sehr viel für ihren Alltag
Neben dem ausgetüfteltem Tagesprogramm aus Spielen, Ausflügen und Fantasie-Spielen, wie den beliebten Gruselnächten, gehört auch das gemeinschaftliche Lernen von Verantwortung und Pflichten für die Gemeinschaft zum Zeltlager dazu. Jeden Tag muss jedes Kind seinen eigenen Teller abwaschen, gemeinsam mit dem Betreuungsteam sind alle einmal dran, die Dixi-Klos zu putzen. Auch sonst helfen sie mit, beim Holzholen, Wasserholen, beim Kochen, Gemüseschnippeln oder beim Einkauf.
„Die Kinder lernen sehr viel bei uns für ihren eigenen Alltag“, sagt Paul Puhlmann. Amelie Kraus stimmt ihm zu: „Ja, wir achten natürlich auf die Sicherheit, aber das Zeltlager ist auch ein toller Ort, um sich auszuprobieren. Wir trauen den Lütten auch viel zu.“ Das stärke ihr Selbstwertgefühl.
Zeltälteste übernehmen schon Verantwortung
Sogenannte „Halbleiter“ und „Halbleiterinnen“ im Alter von 14 und 15 Jahren unterstützen als Zeltälteste die Betreuenden. „Für die Kinder sind sie ein bisschen wie ältere Geschwister“, erklärt Kraus. „Sie treffen sich jeden Tag einmal mit den Betreuenden und besprechen, ob Spiele geändert werden müssen, ob die Kinder Spaß haben oder ob es Probleme gibt.“ So wachsen schon die Jugendlichen in eine erste Verantwortung hinein und einige von ihnen werden später Teil des Organisationsteams. „Ansonsten gibt es bei uns eigentlich keine Hierarchie“, sagt Amelie Kraus. Die Aufgaben werden heute auf viele Schultern verteilt.
Während des Camps halten nachts immer zwei Leute Wache. Sie bewachen das Lager und stehen bereit, falls ein Kind Heimweh hat. Am Morgen sind sie auch diejenigen, die das Frühstück zubereiten. Dafür dürfen sie auch diesen Tag über schlafen, solange sie mögen. Dreimal am Tag wird die Glocke zu den Mahlzeiten geläutet: Dann müssen alle Kinder möglichst schnell zusammenkommen. Treffpunkt ist ein Kreis aus Bretterbänken, in dem auch gegessen wird. Nach dem Frühstück gibt es den ersten Programmpunkt, beispielsweise singen mit Begleitung auf der Gitarre, dann folgen weitere Programmpunkte. „Wir überlegen und Aufgaben, Rätsel und Spiele“, erzählt Kraus.
Highligts der Kinder: Die Fantasy- und Gruselnächte
Ein besonderer Höhepunkt seien die Grusel- und die Fantasynacht. „Wir verkleiden uns und denken uns passend dazu wieder Aufgaben und Spiele aus“, sagt Paul Puhlmann. Seine Nachfolgerin ergänzt: „Als Kind kann man wundervoll in diese Fantasien eintauchen und sich in alles einfühlen.“ Es gehöre dazu, sich auch mal für andere zum Affen zu machen, in andere Rollen zu schlüpfen. Puhlmann stellt fest: „Ja, Außenstehenden ist dieses Zeltlager-Feeling schwer zu erklären.“
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Es sei wohl dieser Mix aus Freiheit, Mitbestimmung, Gemeinschaftsgefühl und Verantwortung für das gemeinsame Gelingen des Alltags und der Spiele, der den Reiz des Zeltlagers ausmache. Dieses Gefühl auch den Kindern von heute zu schenken, das sei auch der Antrieb des ehrenamtlichen Teams, sagt Paul Puhlmann. Aber die vielfältigen Rollen und Aufgaben seien nicht nur für die Kinder wichtige Erfahrungen, erläutert Amelie Kraus, „Sie sind es auch für uns Leitende.“
Ehrenamtliche Arbeit gibt es auch außerhalb der zwei Wochen Ferien
Nach dem Zeltlager ist vor dem Zeltlager: Nicht nur einige Tage vor, sondern auch einige danach sind die Helfer damit beschäftigt, die Wiese herzurichten beziehungsweise wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Die Zelte, die Wasserkanister müssen abgebaut, der Abtransport der Dixi-Klos organisiert werden. Darauf folgt ein Nachbereitungswochenende und im Winter steht bereits wieder das erste Vorbereitungswochenende an, an denen alle Ehrenamtlichen zusammenkommen, alles besprechen. „Die einzelnen Spiele plant jeder individuell vor dem Zeltlager“, erzählt die 20-jährige Campleiterin.
„Ein großer Teil der Aufgaben besteht in der Vorbereitung, vor allem in der Außenkommunikation“, berichtet Paul Puhlmann, der dankbar dafür ist, dass seine Nachfolgerin diesen Part übernommen hat. Die täglichen Anfragen der Eltern per E-Mail zeitnah zu beantworten, die Online-Anmeldungen zu bearbeiten, Rundbriefe zu schreiben und nehme immer mehr Zeit in Anspruch.
Das war Paul Puhlmanns letztes Zeltlager als Campleiter
Paul Puhlmann, der seit 2013 Campleiter war, ist jetzt nicht mehr dabei. Er sagt: „Ich habe im Zeltlager gelernt, mich selbst zu reflektieren. Das Wichtigste ist die Kommunikation und das wertschätzende Miteinander.“ Lachend erzählt der 27-Jährige, manchmal habe er noch zwei Wochen später den Impuls zu fragen: „Wollen wir noch etwas spielen oder singen?“ „Es gibt keine Grenzen der Kreativität in diesen zwei Wochen, das ist verrückt!“, sagt Puhlmann. Seine Freundin wundere sich dann etwas.
Schon jetzt weiß er: „Am meisten werde ich es vermissen, mit 50 oder 60 Menschen abends zusammenzusitzen, zu singen und bei Sonnenuntergang den Himmel zu sehen.“ Dafür werde er jetzt mehr Zeit für Musik haben, neben der Gitarre spielt er auch E-Bass und Tuba. Und er liebt das Segeln auf einem kleinen Boot seines Vaters.