Reinbek. Reinbek. Eine Offenbarung hatte er nicht. „Mir war einfach immer klar, dass ich Pfarrer werde“, sagt Gerd Gerding. Nun geht’s in den Ruhestand.
. Pfarrer Gerd Gerding erkundet derzeit neues Terrain – die Welt der Möbelhäuser! Denn mit stolzen 73 Jahren bezieht der geweihte Priester seine erste eigene Wohnung. Am kommenden Sonntag verabschiedet sich Gerding von seiner Gemeinde Seliger Niels-Stensen, geht in den Ruhestand.
Bislang hat er immer in möblierten Pfarrhäusern gelebt, umsorgt von Haushälterinnen, die Essen gekocht und sein Zuhause in Ordnung gehalten haben. „Das Leben in einer eigenen Wohnung als Privatmann wird für mich eine neue Erfahrung. Es beginnt ein völlig neuer Lebensabschnitt. Teller, Besteck, Töpfe, Regale, ich muss mir jetzt alles erstmal kaufen“, sagt Gerding.
Der Abschied von seiner Gemeinde fällt ihm nicht leicht. „20 Jahre sind eine lange Zeit. Die schüttelt man nicht einfach so ab“, sagt der 73-Jährige. Besonders freut es ihn, dass der Ambulante Hospizdienst so erfolgreich geführt wird. Eine Hilfe von Mensch zu Mensch, der Inbegriff des Christlichen.
Mit 26 Jahren zum Priester geweiht
Geboren und aufgewachsen im katholisch geprägten Osnabrücker Land, verspürte er schon in jungen Jahren den Wunsch, sein Leben Gott zu widmen. „Andere hatten Eingebungen oder Offenbarungen. Damit kann ich nicht dienen. Für mich war das einfach klar“, sagt der großgewachsene Theologe lächelnd, der mit 26 Jahren zum Priester geweiht wurde.
Er gibt zu: „Wenn mir damals jemand gesagt hätte, ich würde später Pfarrer in einer Gemeinde sein, hätte ich wohl gesagt ,Nicht mit mir, das kann ich nicht’“, gibt Pfarrer Gerding zu. Jetzt, fast 50 Jahren später, weiß er: Mit Gottvertrauen, Engagement und wachsender Lebenserfahrung geht vieles, auch wenn man es sich selbst nicht zutraute.
Laufbahn begann als Religionslehrer
Seine Laufbahn begann er als Religionslehrer und StadtJugendseelsorger in Bremen und Lübeck. Als große Bereicherung hat er die Arbeit mit den jungen Leuten empfunden. „Ich wollte über das Fach Religion Gesprächspartner für die Schüler sein. Selbst Lehrer, die mit Kirche nichts am Hut hatten, fanden es gut, dass es Leute wie mich an der Schule gibt“, erinnert er sich. Insgesamt 25 Jahre hat der Schuldienst sein Leben bestimmt. Eine Zeit, die er „als Lehre“ für das Amt des Gemeindepfarrers bezeichnet.
Herausforderung: Pfarrer in einer Gemeinde
„Mir war zuerst mulmig, als ich von meiner neuen Aufgabe hörte“, gibt Pfarrer Gerding zu. In Reinbek führte ihn sein erster Weg in die Kirche, die er heute „liebenswert bescheiden“ nennt. Die Menschen, die er damals als erstes traf, arbeiten noch heute ehrenamtlich für die Kirche. „Ohne all diese engagierten Leute ist die Kirche nichts. Ihre Arbeit ist enorm wichtig“, sagt der Priester, der ein ganz eigenes Selbstverständnis mit nach Reinbek brachte.
Kirche steht im Mittelpunkt, nicht der Pfarrer
Keinesfalls wollte er wie ein Vater über die Gemeinde wachen, gar einen Personenkult um sich herum entstehen lassen. Sein Credo: Kirche muss aus sich heraus funktionieren. „Ich möchte, dass die Leute sagten, sie gehen zur Kirche und nicht ,Ich gehe heute zu Pfarrer Gerding’.“ Wer da sonntags auf der Kanzel stehe, sei egal, Hauptsache, derjenige verstehe sein Handwerk. Dass er mit dieser Einstellung nicht jeden für sich einnahm, hat er wohl bemerkt. „Bei einem Pfarrerwechsel steht ein Drittel der Gemeinde hinter einem, ein Drittel verhält sich neutral, ein Drittel wendet sich ab.“
Mehrere Pfarrer kümmern sich jetzt um die Gemeinde
Einen einzigen Nachfolger für Pfarrer Gerding soll es nicht geben. Nachdem im Jahr 2000 die Gemeinden Reinbek, Glinde und Trittau fusionierten, arbeite man nun an einem noch größeren pastoralen Raum, der auch Bergedorf und Lohbrügge mit einbeziehe. Demnächst werden sich mehrere Pastoren um die Reinbeker kümmern. Ein Konzept, das der Pfarrer begrüßt. Geht es doch noch mehr um die Sache, nicht um die Person.
45 Jahre als Pfarrer liegen hinter Gerd Gerding. Würde er denselben Lebensweg nochmal gehen? „Ja“, sagt der 73-Jährige aus Überzeugung. Kein anderer Beruf biete die Möglichkeit, so vielen Menschen so nah zu sein.
Wer Pfarrer Gerding in den Ruhestand verabschieden möchte, hat dazu am Sonntag, 31. Januar, 15 Uhr, in der Herz-Jesu-Kirche und anschließend im Pfarrhaus Gelegenheit.