Hamburg. Schäden in Bergedorf gehen in die Millionen Euro. Besonders der abgerutschte Hang und die Flutwelle von der B5 bereiten große Sorgen.
Eigentlich können Jürgen Reiner Starkregenereignisse nicht schocken. Schließlich hat sich der heute 71-jährige Lohbrügger Bauingenieur viele Jahre seines Berufslebens mit dem Thema Hochwasserschutz befasst. Doch was er am 7. August in seinem Garten an der Billwerder Straße beobachtete, als Lohbrügge durch die Fluten von oben mal wieder untergegangen ist, das hat selbst den Profi schockiert: „Ganz plötzlich, als der heftige Regen bereits etwas nachgelassen hatte, sah ich aus dem Fenster eine echte Flutwelle, die von den Grundstücken am benachbarten Heckkatenweg zu uns schwappte.“
Von einem Augenblick auf den nächsten hatte die braune Brühe den Garten mit seinen vielen Blumen und der Parkbank mit dem Schriftzug „Relax“ in der Rückenlehne in einen hässlichen See verwandelt. Und was noch schlimmer war: Wasser und Schlamm fluteten auch den Anbau seines Hauses, zerstörten die gesamten 35 Quadratmeter Pitchpine-Dielen samt darunter liegender Dämmung.
Flutwelle von der B5 läuft über Heckkatenweg bis in die Gärten an der Billwerder Straße
Auch Möbel, Bücher und die große Schallplattensammlung waren betroffen, konnten durch das schnelle Eingreifen der Familie noch gerettet werden. Dennoch: „Ich schätze den Schaden auf 18.000 Euro, etwa so viel wie am Himmelfahrtstag 2018, als ganz Lohbrügge, Boberg und Oststeinbek untergegangen waren“, sagt Jürgen Reiner. „Damals musste ich alles selbst zahlen, jetzt habe ich eine Versicherung. Ich hoffe, die springt ein.“
Sein Problem: Gleich hinter Reiners Haus am westlichen Ende der Billwerder Straße liegt die tiefste Stelle der gesamten Umgebung. Und wenn eines der zuletzt häufigen Starkregenereignisse gut 200 Meter nördlich davon, auf der Fahrbahn Bergedorfer Straße/B5 den schon berüchtigten See entstehen lässt, dann ist es nur eine Frage der Zeit, wann der überläuft und sich eine Flutwelle über Heckkatenweg hinunter bis in seinen Garten brandet.
„Ich fühle mich mit diesem Problem von den Behörden völlig alleingelassen“, sagt der Bauingenieur stellvertretend für viele Nachbarn mit ähnlich tiefliegenden Grundstücken. „Das Bezirksamt hatte zwar nach dem Jahrhundertregen vom 10. Mai 2018 den damals abgesackten Heckkatenweg komplett neu aufgebaut. Doch die zusätzlichen Maßnahmen oben an der B5, wie etwa zusätzliche Versickerungsgräben und vor allem eine Anhebung der Senke samt der Veränderung der Fließrichtung über die Krusestraße zu den dortigen Sportanlagen, wurden zwar versprochen, bis heute aber nicht realisiert.“
Bezirksamt bestätigt: Abgerutschter Hang der Sander Tannen schlimmste der vielen Unwetterfolgem
Reiners Nachfragen dazu, zuletzt aus dem Jahr 2021, wurden vom Bezirksamt stets in die Zuständigkeit des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) verwiesen. Schließlich sei der seinerzeit mit der Sanierung des Heckkatenwegs befasst gewesen. Doch während der LSBG darauf verweist, keine weitergehenden Aufträge der Behörden zu haben, scheint jetzt der Starkregen vom Mittwoch vergangener Woche neue Bewegung in die gefährliche Seenbildung auf der Fahrbahn der B5 zu bringen.
Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann bestätigte am Donnerstag, dass hier großer Handlungsbedarf bestehe, weil die jüngsten Fluten einen Teil des benachbarten Hangs des Waldgebiets Sander Tannen auf die B5 abrutschen ließen: „Noch müssen wir schauen, woher die Finanzierung kommen kann, denn unsere Bezirksmittel reichen dafür nicht“, erinnert sie an den 2018 vom Senat mit zehn Millionen Euro aufgelegten Unwetterfonds Bezirke. Dass gehandelt werden müsse, stehe aber außer Frage, sagte sie in der Sitzung des Hauptausschusses der Bezirksversammlung. Dabei werde auch die Überflutung des Heckkatenwegs durch das abfließende Regenwasser von der Bergedorfer Straße ins Visier genommen.
Bilanz: Vier unterspülte Straßen, diverse zerfurchte Wanderwege, verschlammte Spielplätze
Die B5-Problematik sei aber längst nicht der einzige kostspielige Schaden, den das jüngste Unwetter auf öffentlichen Flächen angerichtet habe. Schmidt-Hoffmann zählte Unterspülungen der Straße Weidemoor, Unterberg und Am Langberg in Boberg sowie Höperfeld in Lohbrügge auf. Zudem seien diverse Wanderwege in allen Grünanlagen zerfurcht, unter anderem die Spielplätze An den Tannen und im Zuge des Bornmühlenbachs mit einer dicken Schlammschicht überzogen.
Die Reparaturkosten würden noch ermittelt, so die Bezirksamtsleiterin. Sie gehe aber mindestens von einer hohen sechsstelligen Summe aus, plus Beseitigung der B5-Überflutung. „Klar ist, dass wir das weder finanziell noch personell mit eigenen Ressourcen schaffen können“, geht Cornelia Schmidt-Hoffmann von Aufträgen an Garten- und Straßenbauunternehmen aus. Zudem lägen „die Maßnahmen auf der Bergedorfer Straße im Zuständigkeitsbereich des LSBG“. CDU-Fraktionschef Julian Emrich warb dafür, „gerade hier nichts mehr mit der heißen Nadel zu stricken, sondern eine wirklich zukunftsfähige Lösung zu schaffen“.
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Davon träumt auch der Tennis-Club Blau-Weiß Lohbrügge. Die Halle des Clubs am Ladenbeker Furtweg ist nach Mai 2018 jetzt wieder überflutet worden. Ob erneut eine Totalsanierung erforderlich ist, steht noch nicht fest. Auf der Homepage heißt es über einer sehr feuchten Bildergalerie samt Wassersauger und Trocknungsgeräten nur: „Schon wieder ist es passiert! Beim starken Unwetter vom 7. August 2024 ist wieder Wasser in unsere Tennishalle eingetreten.“