Hamburg. Zum zweiten Mal steht ein Abschnitt der B5 nach Starkregen unter Wasser. Der Schaden ist groß. Was Politik und Versorger zur Kritik sagen.
Langsam zieht sich der Himmel über Bergedorf am Mittwoch zu, bis am Nachmittag heftiger Regen einsetzt. Der Sturm lässt in Lohbrügge Äste auf Autos stürzten, die B5 muss zwischenzeitlich gesperrt werden. Ein Tankstellendach an der gleichen Hauptverkehrsader muss von der Feuerwehr gesichert werden, weil sich das Wasser darauf sammelt und der Einsturz droht. Wie schon am 27. Juni dieses Jahres überfordern die Wassermassen erneut Abflusssysteme, zahlreiche Straßen werden überschwemmt.
An der Leuschnerstraße pflügen Autos durch die Fluten, dort wird das Wasser sichtbar durch die Gullys an die Oberfläche gedrückt. Auch an der Ecke Habermannstraße/Beckerstraße laufen Rückhaltebecken über und bringen den Verkehr zum Erliegen.
Besonders dramatisch ist die Lage auf der B5, rund um die Einmündung des Heckkatenwegs. Dort laufen zahlreiche Keller voll, nachdem die Hauptverkehrsader vor der Haustür zum See geworden ist. Die Anwohner sind auf Zinne, doch eine schnelle Lösung des Problems wird es hier, am tiefsten Punkt der B5, wohl nicht geben.
Starkregen Bergedorf: Schon wieder Land unter im Haus – Lohbrüggerin klagt ihr Leid
Der dauerhafte Starkregen am Mittwoch schürt alte Ängste bei den Bewohnern des Eckhauses Heckkatenweg/B5. Wie nach dem Jahrhundertregen vom Himmelfahrtstag 2018, als die Familie der Bergedorfer Ernährungsberaterin Britta Gerlach-Bogumil Erschütterndes durchmacht. Damals läuft die Kellerwohnung voll. Tochter Julia und ihr Lebensgefährte können gerade noch von der Feuerwehr aus einer brenzligen Situation befreit werden, nachdem zuvor ein ganzer Wasserschwall sie nicht mehr zur Vordertür hat herauskommen lassen.
Nun ist diese Kellerwohnung, mittlerweile zur Praxis für Ernährungsberatung umgebaut, schon wieder vom Wasser zerstört. Schon am Mittwochnachmittag hat Britta Gerlach-Bogumil ein schlechtes Gefühl, als sie die intensiven Regengüsse beobachtet. Die Wassermassen erinnern sie an das erst kürzlich erlebte Extremwetter am 27. Juni. Damals ist die Überschwemmung an ihrem Haus jedoch ausgeblieben.
Eigentlich will die Lohbrüggerin deshalb trotzdem mit ihrem Mann und Freunden am frühen Abend zum Essen gehen. Doch diese Hoffnung zerschlägt sich so etwa gegen 16.30 Uhr mit dem Blick aus dem Fenster: Die B5 ist komplett überschwemmt, ein einzelner Polizeibeamter versucht mit einem Besen, Abflusslöcher freizulegen. Eine Sisyphusarbeit.
Starkregen Bergedorf: Alle Sicherungsmaßnahmen helfen nicht
Trotz Rückstauventil, trotz verstärkter Steinwälle um die Kellerfenster, trotz Sandsäcken vor dem Abgang bahnt sich das Wasser seinen Weg in ihre Praxis. Dort hat sich Gerlach-Bogumil nach dem Auszug ihrer Tochter komplett mit Wartebereich, Sprechzimmer und Therapieraum für Kinder eingerichtet. Die Behandlungszimmer sind nun vollgelaufen, das Wasser steht zentimeterhoch auf dem Fußboden.
Die Praxis der Ernährungsberaterin bleibt bis auf Weiteres geschlossen. Die Schadenssumme lässt sich noch nicht absehen. Vorerst muss Gerlach-Bogumil telefonisch beraten.
Starkregen: Bereits 2018 kam es zum Hochwasserdrama am Heckkatenweg
Britta Gerlach-Bogumil hat den Schrecken und den hohen materiellen Sachschaden für sich und fast alle ihrer Nachbarn bereits befürchtet. Ihr Groll richtet sich jetzt umso mehr in Richtung Behörden auf jeder Ebene: „2018 wurde uns versprochen, dass die B5 gegen Extremwetter sicher gemacht werden soll. Doch bis heute ist aus unserer Sicht nichts passiert. Man lässt uns hängen, wir müssen alle Schäden selbst zahlen.“
Zumindest ihre Wohnstraße wurde vom Bezirk umgebaut und soll jetzt vor Extremwetter besser geschützt sein. Aber: Aus Beobachtungen der Bewohner des Heckkatenwegs ist der Eindruck entstanden, dass früher die Siele regelmäßig, heute indes nur noch sporadisch gereinigt werden. Ein Punkt, dem Hamburg Wasser auf Anfrage vehement widerspricht.
Nach Starkregen in Bergedorf: CDU-Politiker Jörg Froh äußert ebenfalls Kritik
Allerdings stellt sich so mancher Bezirkspolitiker ähnliche Fragen, warum diese Stelle so problematisch ist. So etwa der Bezirksabgeordnete Jörg Froh (CDU). Der 66-Jährige hat vor allem zwei kritische Ansätze. Zunächst zur Bundesstraße: „Sechs Jahre lang hat man das Thema offenbar ausgesessen“, sagt er in Richtung des Bezirksamts, aber auch an Hamburg Wasser und den Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG), „an der B5 müssen wir sofort handeln, um dem nächsten Starkregen vorzugreifen.“ Der dortigen Oberflächenentwässerung müsse oberste Priorität eingeräumt werden.
Die Behörde für Verkehr und Mobilität und auch Hamburg Wasser lehnen eine Ad-hoc-Maßnahme generell ab – mit Hinweis auf die Komplexität der Sachlage (Baustellenkoordination, Zuständigkeiten und weiteres) auf die zunächst auf das Extremereignis folgende „Überprüfung kausaler Zusammenhänge“. Und dann gebe es ja noch eine, wie der Sprecher von Hamburg Wasser, Ole Braukmann, selbst zugibt, „unpopuläre Botschaft“, die an alle Hausbesitzer in starkregengefährdeten Gebieten rausgehe.
Starkregen? Hamburg Wasser mit ernüchternder Botschaft
Zur Einordnung: „Es handelte sich am Mittwoch um ein Extremereignis der Regenstärke 10, auf dem Starkregenindex SRI 10, die drittstärkste Kategorie. Gemäß den gesetzlichen Vorgaben muss eine Kanalisation in der Lage sein, Starkregenereignisse bis zu einer Regenstärke des Index 3 schadlos abzuleiten“, so Braukmann zum „absoluten Katastrophenereignis“ mit 80 Litern pro Quadratmeter Niederschlag in drei Stunden.
Demzufolge liege eine hohe Eigenverantwortung eben auch bei den Anwohnern, ihr Hab und Gut regenfest zu machen. Ein Vergleichswert dazu: Im gesamten Juli fielen hamburgweit im statistischen Durchschnittswert insgesamt 83 Liter Regen pro Quadratmeter.
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Jörg Froh wiederum hat nicht nur die B5 im Blick: Denn zum anderen fragt sich der verkehrspolitische Experte der Union, weshalb auch an soeben instandgesetzten Stellen wie etwa der Ecke Lohbrügger Markt/Leuschnerstraße, Ludwig-Rosenberg-Ring im Bereich des ehemaligen Finanzamts oder an der Kreuzung Oberer Landweg zum Ladenbeker Furtweg punktuell große Überschwemmungen festzustellen waren.
Starkregen: CDU meint, Oberbillwerder würde Problem noch verstärken
Froh hinterfragt, ob bei den Modernisierungen auch Starkregenereignisse mitgedacht worden sind: „Mir fallen da spontan fünf neue Hotspots ein. Um die sollte man sich jetzt vordergründig kümmern.“ Und nicht um das Großprojekt Oberbillwerder, das ohnehin laut Froh neue Probleme gerade auch in Bezug auf Starkregen schaffe.