Hamburg. Beim Hundeverein Bergedorf lernen Mensch und Tier den Umgang miteinander. Dort weiß man auch: Nicht jeder Hund passt zu jedem Mensch.
Volle Konzentration ist das Motto an diesem warmen Augustabend. Fünf Hunde tummeln sich auf der Wiese des Hundevereins Bergedorf in Boberg. Nacheinander spazieren die Tiere im Slalom um aufgestellte Verkehrshütchen und um ihre auf dem Parcours verteilten Artgenossen. Alle Vierbeiner bleiben dabei ruhig und gelassen, laufen brav an der Seite ihrer Besitzerinnen. Der Tonfall ist sanft, Hunde verschiedener Rassen sitzen aufmerksam im Gras. Bei dem Traditionsverein aus Lohbrügge hat sich einiges geändert, seit der Club im Jahr 1919 gegründet wurde, als einer der ältesten Vereine im Dachverband „Verein für Deutsche Schäferhunde“.
„Damals ging es viel um Unterordnung, um Sitz und Platz“, erzählt Ausbildungsleiterin Gesa Leyk. Neben der klassischen Gehorsamsausbildung stand Schutzhundtraining im Fokus der Vereinsmitglieder. Die Schäferhunde lernten, Übeltäter zu stellen, zu verbellen und sich in die gepolsterten Arme von Freiwilligen zu verbeißen. „Außerdem wurde früher viel Fährtenarbeit gemacht“, erinnert sich Leyk. Diese Form des Hundesports sei schwierig geworden, Landwirte stellten immer seltener ihre Äcker für die Aktivitäten zur Verfügung.
Hundeverein Bergedorf berät künftige Halter bei der Anschaffung
Mittlerweile sind beim Verein für Deutsche Schäferhunde bundesweit auch andere Hunderassen erlaubt, seit 2012 werden in Lohbrügge Vierbeiner auch als Rettungshunde trainiert. Wo früher Elektroschocks und Stachelhalsbänder zum Einsatz kamen, sind die Trainingsmethoden längst modern und tierfreundlich geworden. Die endgültige Wende brachte die Corona-Pandemie. Plötzlich legten sich viele Menschen einen Hund zu – und stellten fest, dass sie mit der Erziehung überfordert waren.
Auch David Richter besorgte sich damals einen Labrador-Schäferhund-Mix bei Ebay-Kleinanzeigen. „Ich habe alles falsch gemacht“, sagt der heute 34-Jährige. Seine Hündin war ängstlich und wurde immer wieder aggressiv. Im Verein fand Richter Unterstützung – und Spaß am Hundesport. Heute ist er der Erste Vorsitzende des Vereins, der mittlerweile 70 Aktive vorzuweisen hat. 90 Hunde gehen auf dem Gelände an der Bergedorfer Straße 12 ein und aus. Von der Welpenspielstunde bis zur erfolgreichen Begleithundeprüfung: In Boberg werden die Tiere für den Alltag fit gemacht.
Ausbildungsleiterin weiß: Welpen früh Grenzen setzen
„Der Hund lebt in einer Menschenwelt, deswegen muss man ihm einen Rahmen setzen“, erklärt Gesa Leyk. Sie vergleicht das Verhältnis zwischen dem Tier und seinem Halter mit einer Eltern/Kind-Beziehung. „Ich würde meine Hündin gern alles machen lassen, was sie will. Aber dann wäre sie schon längst überfahren worden oder hätte Probleme mit Menschen oder anderen Hunden bekommen“, so die Ausbildungsleiterin.
„Dinge, die ein erwachsener Hund nicht machen soll, die sollte man schon einem Welpen abgewöhnen“, rät Leyk neuen Hundebesitzern. Wenn ein junges Fellknäuel an Menschen hochspringt, sei das meist noch niedlich. Bei einem ausgewachsenen 30-Kilo-Tier sehe das gleiche Verhalten schnell anders aus. „Die meisten Dinge verwachsen sich eben nicht“, so die 46-Jährige: „Deswegen sollte man rechtzeitig etwas tun. Außerdem lernt der Hund, auch mal Frust auszuhalten, wenn man ihm früh in kleinen Schritten Grenzen setzt.“
Hunde werden oft ausgesucht, weil die Rasse in Mode ist
Viele Fehler würden die neuen Hundehalte schon bei der Auswahl des Tieres machen. Der Verein für Deutsche Schäferhunde in Lohbrügge bietet deswegen auch eine Kaufberatung an. „Manche Leute kaufen die Welpen aus einer windigen Quelle und unterstützen damit kriminelle Strukturen und erhalten ein Tier, das möglicherweise krank ist oder eine viele Ängste hat“, betont Gesa Leyk. Sie rät zum Kauf bei einem seriösen Tierschutzverein, wo es Kennlernphasen und eventuell Probephasen gibt und der bei der Auswahl des Tieres berät – oder bei einem zugelassenen Züchter.
„Die Leute machen sich auch zu wenig Gedanken, welche Hunderasse für sie passt“, kritisiert Leyk. Stattdessen stünden oft die Optik des künftigen Haustieres oder aktuelle Trends im Vordergrund. „Filme und Fernsehserien wie 101 Dalmatiner oder Kommissar Rex beeinflussen die Menschen“, so die Hundetrainerin. Dabei könnte zum Beispiel schon ein langes Fell bei Menschen mit empfindlichen Möbeln für Verdruss sorgen. Andere Tierfreunde unterschätzen das Energielevel bestimmter Rassen, obwohl sie selbst „eher Couch-Potatoes sind“, wie Leyk sagt.
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Beim Hundeverein werden auch der Besuch im Restaurant oder der Tierarztpraxis trainiert
Der Hundeverein nimmt sich aber auch schwierigen Tieren an, hilft Exemplare mit Aggressionen, ängstlichem Verhalten oder starkem Jagdtrieb zu resozialisieren. Sobald die Hunde und ihre Halter alltagstauglich geworden sind, besteht auf dem Gelände in Boberg weiterhin die Möglichkeit, sich am Hundesport zu versuchen. „Wir motivieren unsere Mitglieder, auch an Wettkämpfen teilzunehmen – wenn sie etwas gefunden haben, was ihnen und ihren Tieren Spaß macht“, sagt David Richter.
Beim Rally Obedience werden Parcours überwunden, bei der Spürhundearbeit suchen die Supernasen auf dem Vereinsgelände versteckte Geldscheine, Tabak oder Datenträger, ganz wie ihre professionellen Kollegen bei Polizei und Zoll. Wer mit seinem Haustier gern weiter an der Alltagstauglichkeit feilen möchte, kann beim Hundeverein Boberg stattdessen am Giftködertraining teilnehmen oder gezielt den Besuch im Restaurant oder der Tierarztpraxis trainieren. Dafür werden an der Bergedorfer Straße auch schon mal aufwendig Kulissen aufgebaut.
Wer mehr über den Verein und die Angebote erfahren möchte, findet weitere Infos unter www.hundeverein-bergedorf.de und per Mail an kontakt@hundeverein-bergedorf.de.