Hamburg. Karl-Heinz Frosch arbeitet im Unfallkrankenhaus Boberg sowie am UKE und weiß, wo im Haushalt und in der Freizeit große Gefahren lauern.

Der menschliche Körper ist verwundbar. Ein Umstand, den viele gern verdrängen. Dabei können Unfälle ganz schnell passieren. Einen Moment im Straßenverkehr nicht aufgepasst, das Küchenmesser falsch angesetzt oder auf einen wackeligen Stuhl geklettert, schon findet man sich in der Unfallaufnahme eines Krankenhauses wieder. Schätzungsweise neun Millionen Menschen verletzten sich jedes Jahr in Deutschland bei Unfällen – systematisch erfasst werden die Zahlen nicht. Manchmal ist bodenloser Leichtsinn die Ursache, manchmal kommt das Unglück ohne eigenes Verschulden über die Menschen.

Einer, der über die Gefahren des Alltags Bescheid weiß, ist Professor Karl-Heinz Frosch. Der 56-jährige Mediziner arbeitet seit 1997 als Unfallchirurg. Er ist seit vier Jahren am BG Klinikum Hamburg in Boberg, wo er als Ärztlicher Direktor und Chefarzt tätig ist. Darüber hinaus leitet er die Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Eppendorf. Frosch hat in seinem Berufsleben schon viel gesehen und weiß: Bei manchen Tätigkeiten ist das Risiko besonders groß.

Unfallchirurg am UKE und Unfallkrankenhaus: Diese Tätigkeiten im Alltag sind am gefährlichsten

Im Straßenverkehr lauert die Gefahr überall. „Ich schärfe allen Leuten immer ein: Eine grüne Ampel heißt nicht gehen, sondern erst gucken und dann gehen“, betont der Chirurg. Wer als Fußgänger im Recht sei, müsse sich dennoch der eigenen Verletzlichkeit bewusst sein. Auch Motorradfahrer landen oft auf Froschs Operationstisch, obwohl sie sich selbst an die Verkehrsregeln gehalten haben. „Meist ist jemand anderes schuld. Den Motorradfahrern wird die Vorfahrt genommen, dann fliegen sie über die Kühlerhaube des Autos und erleiden Verletzungen an Kopf, Thorax oder Becken“, berichtet der Arzt.

Karl-Heinz Frosch arbeitet als Unfallchirurg im BG Klinikum Hamburg in Boberg.
Karl-Heinz Frosch arbeitet als Unfallchirurg im BG Klinikum Hamburg in Boberg. © BG Klinikum Hamburg | BG Klinikum Hamburg

Keine Handschuhe bei der Arbeit mit der Kreissäge

Wenig Verständnis hat der Mediziner dagegen für Kraftradnutzer, die bei der Schutzkleidung schludern. „Wenn Motorrad fahren, dann mit Helm und Lederkleidung“, sagt Frosch. Wer nur Jeans trage, könne schon schwere Verletzungen erleiden, wenn er nur ins Schlittern gerate. „Das geht schnell runter bis auf die Knochen“, so der 56-Jährige.

In jüngerer Vergangenheit hätten auch die Unfälle mit E-Scootern in Hamburg an Bedeutung gewonnen: „Die Fahrer sind oft alkoholisiert und ohne Helm unterwegs, weil die Räder so klein sind, kommt es schnell zu Stürzen.“ Ohne Helm leben auch Fahrradfahrer gefährlich. „Auch wenn die Fallhöhe nicht hoch ist, drohen schwere Schädelhirntraumata“, weiß der Arzt.

Selbst Rasenmähen kann zur Gefahr werden

Rotierende Klingen im Haushalt sollten eine abschreckende Wirkung haben. Durch Leichtsinn oder Unwissenheit kommen viele Menschen aber in vermeidbare Schwierigkeiten. „Wer mit der Kreissäge arbeitet, sollte zum Beispiel keine Handschuhe tragen“, sagt Karl-Heinz Frosch.

Die Gefahr: Wenn sich der Stoff oder sogar ein einzelner Faden in dem Werkzeug verheddert, kann die ganze Hand in die Säge gezogen werden. „Manche Leute fassen bei Elektrorasenmähern in Mähwerk, um Gras herauszuholen, obwohl die Klingen noch nachlaufen“, erzählt der Mediziner. Dann sind die Finger schnell amputiert, mit etwas Glück können die verlorenen Glieder wieder angenäht werden.

Feuchte Kellertreppen führen oft zu schweren Stürzen

Aber auch durch deutlich banalere Tätigkeiten enden Menschen im Krankenhaus. Wunden durch Ungeschick, zum Beispiel beim Kartoffelschälen, Brotschneiden oder anderen Küchenarbeiten, gehören zu den häufigsten Messerverletzungen.

„Wir haben auch viele Treppenstürze, besonders gern auf feuchten Stufen im Keller“, sagt Frosch. Dabei erleiden die Patienten oft Rippenbrüche, Wirbelsäulenverletzungen und landen schließlich auf dem Kopf. Viele Verletzungen entstehen aber auch einfach durch Stürze, weil Leute zum Wechseln der Glühbirne auf wackelige Leitern oder Stühle klettern.

In den Sommermonaten sorgt Leichtsinn am Badesee für besonders dramatische Verletzungen. Immer wieder springen Badegäste kopfüber ins Wasser. „Oft ist der See dann an dieser Stelle doch seichter als gedacht oder es liegt ein Stein unter der Wasseroberfläche“, so Frosch.

Knieverletzungen nehmen bei jungen Menschen zu

Die Folge sind häufig schwere Wirbelsäulenverletzungen. Karl-Heinz Frosch ist Experte für Knieoperationen und beobachtet, dass Kreuzbandrisse in der Bevölkerung zunehmen – besonders bei Kindern und Jugendlichen.

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„Woran das liegt, ist die Preisfrage. Eine Möglichkeit wäre, dass junge Menschen sich heute zu wenig bewegen und zu viel Zeit vor dem Bildschirm verbringen“, sagt der Experte. Die Koordinationsfähigkeiten sind deshalb unterentwickelt. Beim Fußball oder Hockey steige dann das Risiko für schwere Knieverletzungen. „Die Eltern reißen sich die Kreuzbänder dagegen eher in den Skiferien“, so Frosch.

Weder jugendlicher Leichtsinn noch Gebrechlichkeit im Alter sind ein alles überstrahlender Risikofaktor für Unfälle. „Es gibt auch sehr fitte ältere Menschen und bei uns in der Klinik sehen wir eigentlich alle Bevölkerungsgruppen.“ Allerdings überschätzen manche Patienten mit zunehmendem Alter ihre Fähigkeiten oder überstehen Stürze nicht mehr so gut. Der Unfallchirurg erinnert sich an seine Zeit in Göttingen, als die Obsternte in der umliegenden Region regelmäßig für volle Krankenhausbetten sorgte, weil die Baumbesitzer aus den Ästen fielen: „Das waren vor allem Patienten, die älter als 50 Jahre waren.“