Lohbrügge/Bergedorf. Nettelnburger reanimiert 79-jährigen Mann am Straßenrand. Was sich der Polizist vom PK 43 von seinen Mitmenschen in Notfällen wünscht.
Zum Glück ist er nicht zimperlich. Hat schon so einiges gesehen und erlebt. Wie zum Beispiel als langjähriger Retter bei der Freiwilligen Feuerwehr Nettelnburg die Spuren des Unglücks nahe der S-Bahnstation Allermöhe, als eine Mutprobe in den Gleisen für eine von zwei Schwestern (beide 18) tödlich endete. Jan Burmester vom Bergedorfer Polizeikommissariat 43 weiß aber auch, was zu tun ist, wenn es darauf ankommt. Wie am 7. Juli 2024, als der 29-Jährige einen Mann am Straßenrand reanimierte – eine Heldentat, die andere dazu animieren soll, es Burmester gleichzutun.
An jenem warmen Juli-Sonntagnachmittag sitzen Burmester und ein Kollege gegen 16.30 Uhr im Streifenwagen am Lohbrügger Markt. Ein bis dato eher normaler Tagesdienst, der sich dem Feierabend nähert. „Wir wollten eigentlich zurück in die Wache fahren, um noch Berichte zu schreiben“, erinnert sich der Polizeimeister.
Polizei Hamburg: Wie Jan Burmester zum Lebensretter wurde
Da kommt dieser Funkspruch rein: „Verkehrsunfall mit gestürztem Radfahrer.“ Da Burmester und Kollege so nah dran am Unglücksort Lohbrügger Landstraße in Höhe der Hausnummer 119 sind, heißt es für die Besatzung einmal rechts abbiegen, und innerhalb von zwei Minuten sind sie da.
Fast direkt vor dem Steakhaus Rindock‘s stehen drei, vier Passanten. Ein Fahrrad ist auf dem Ständer aufgestellt. Und ein regloser Körper liegt in dem schmalen Grünstreifen in stabiler Seitenlage. Dem älteren Herren scheint nicht mehr zu helfen zu sein – doch stimmt das wirklich?
Der Beamte beginnt sofort mit der Herzdruckmassage
Jan Burmester zögert nicht, springt aus dem Einsatzfahrzeug und nähert sich dem Bewusstlosen. Sturzwunden, Prellungen oder dergleichen kann der junge Polizist nicht erkennen, offenbar liegt hier ein anderes Problem vor. „Mir fiel sofort auf, dass der Mann blau im Gesicht angelaufen war.“ Der Beamte fühlt den Puls – negativ. Er überprüft die Atmung – ausgesetzt.
Sofort beginnt der 29-Jährige mit der Herzdruckmassage. Rhythmisches Pressen auf der linken Körperhälfte. Endlich eine Regung, „der Mann bekam nach zehn Sekunden so eine Art Schnappatmung“, erinnert sich Jan Burmester. Die Gesichtsfarbe kehrt zurück, Blut schießt zurück in den Kopf. Burmesters Kollege holt vorsorglich aus dem Kofferraum des Streifenwagens eine Beatmungsmaske.
„Wäre gut gewesen, wenn nicht erst ich hätte eingreifen müssen“
Die Situation bleibt weiter dramatisch. Der Puls des Seniors, ein 79 Jahre alten Lohbrügger, ist nicht zu spüren. Stabilisiert wird er schließlich von einem Notarzt – bei der Erstmeldung „Verkehrsunfall“ wird automatisch ein Rettungswagen samt medizinischem Team alarmiert. Der Lohbrügger kommt vorsorglich ins BG Klinikum nach Boberg, später wird er dann in die Asklepios Klinik St. Georg verlegt.
Mit zeitlichem Abstand sagt Jan Burmester, ein ausgebildeter Kfz-Mechatroniker, der aber in den Staatsdienst umsattelte und seit fast zwei Jahren am PK 43 arbeitet: „Es wäre bei diesem Notfall, wo es um Leben und Tod geht, gut gewesen, wenn nicht erst ich hätte eingreifen müssen.“ Und schiebt nach: „Wir treffen nicht die Entscheidung darüber, ob jemand tot oder lebendig ist. Man sollte versuchen zu reanimieren, bis ein Notarzt eingetroffen ist.“ Der kam letztlich auch innerhalb von fünf Minuten nach der Ersten Hilfe durch den gebürtigen Nettelnburger.
Was wirklich jeder ohne Angst bei der Reanimation tun kann
Aus Sicht des Beamten gibt es drei wesentliche Dinge, die jeder in einer Notsituation leisten kann: Zunächst muss der Rettungsdienst (110 oder 112) informiert werden. Geschieht das nicht, wäre der strafrechtlich relevante Tatbestand einer „Unterlassenen Hilfeleistung“ gegeben.
Dann diese Frage: Atmet der Patient noch, hat er überhaupt Puls? Überprüft werden kann das relativ einfach, indem das Ohr an den Mund des bewusstlosen Notfallpatienten gelegt wird. Und dann die Herzdruckmassage: „Das ist wichtiger als Mund-zu-Mund-Beatmung“, sagt Jan Burmester.
Auch interessant
- Hier sind Bergedorfer beim HSV-Aufstieg quasi live dabei
- Legendäre „Elstern“ – Ein Pokalspiel für die Ewigkeit
- Altengamme: Polizei hebt kleine Cannabis-Plantage aus
Persönlichen Kontakt haben Polizist und Notfallpatient nicht gehabt. Jan Burmester fragte am Tag nach der Reanimation telefonisch im Krankenhaus nach und erfuhr, dass es dem 79-Jährigen „den Umständen entsprechend“ gehen soll. „Mich würde schon interessieren, wie es dem Herren heute geht“, so Burmester. Gehört hat er von der Ehefrau des Verunglückten beim Zurückbringen des Rades am 7. Juli, dass ihr Mann bereits vor 20 Jahren einen Herzinfarkt erlitten haben soll und viel mit dem Fahrrad unterwegs sei.
Stolz – aber letztlich ist es auch der Job
Die Heldentat aus den eigenen Reihen blieb auch von der Leitungsebene nicht unkommentiert: „Du warst der richtige Mann am richtigen Ort.“ Diese Worte der Anerkennung kamen nicht von irgendjemandem, sondern von Burmesters Chef Jörg Biese, seit Kurzem Leiter des PK 43, im persönlichen Gespräch. Ohne Frage mache ihn das stolz, doch es sei ja auch „unser Job“, sagt Jan Burmester, der weiß: Jeder kann zum Lebensretter werden.