Hamburg. Bei den Olympischen Sommerspielen in Paris sind einige Sportler mit der „falschen“ Hand unterwegs. Und das sehr erfolgreich.
Eine der emotionalsten Szenen dieser Woche bei den Olympischen Sommerspielen in Paris spielte sich in der Nacht zum Donnerstag im Stadion Roland Garros ab. Die spanische Tennislegende Rafael Nadal, mittlerweile 38 Jahre alt, traf im Viertelfinale des Doppelwettbewerbs mit Carlos Alcaraz auf die amerikanischen Spezialisten Austin Krajicek und Rajeev Ram. Die beiden Iberer, die zum ersten Mal gemeinsam ein Turnier bestritten, hatten den eingespielten US-Boys nichts entgegenzusetzen.
Kurz vor Schluss wehrte Nadal mit einer knallharten Rückhand wie zu seinen besten Zeiten einen Matchball ab. Das Stadion explodierte vor Begeisterung. Wenige Augenblicke später war es dann aber trotzdem soweit: Die Spanier verloren 2:6, 4:6. Betroffenheit im weiten Rund, und selbst die US-Reporterin, die sich eigentlich mit ihrem Team hätte freuen müssen, sagte nur: „Ich will nicht, dass es vorbei ist.“
Wie ein Weltstar des Sports zum Linkshänder umerzogen wurde
In unserem Bergedorfer Blog „Volkers Welt“ geht es heute um Linkshänder. Rafael Nadal ist einer der größten Spieler, die es im Tennissport je gegeben hat. 22 Grand-Slam-Turniere hat der 38-Jährige gewonnen, darunter allein 14 Mal die French Open in Paris. Er ist einer von nur acht Spielern in der Tennisgeschichte, die bei allen vier Grand-Slam-Turnieren gesiegt haben. Ein Björn Borg hat nie die US Open gewonnen, ein John McEnroe nie die Australian Open, ein Boris Becker nie die French Open. Rafael Nadal hat in Paris, Wimbledon, New York und Melbourne den Siegerpokal hochgehalten, und er hat das alles mit links gemacht.
Nadal ist neben John McEnroe der beste Linkshänder, den es auf der Tennistour je gegeben hat. Im Unterschied zum Amerikaner ist der Spanier jedoch eigentlich gar kein Linkshänder. Im täglichen Leben macht er alles mit rechts: Schreiben, Werfen, Fangen, alles! Nur wenn er einen Tennisschläger anfasst, mutiert Rafael Nadal zum Linkshänder, weil es ihm von seinem ersten Trainer, seinem Onkel Toni Nadal, Anfang der 1990er-Jahre so beigebracht worden war.
Zum Linkshänder erzogen: So wurde Rafael Nadal zum erfolreichen Tennisprofi
Der damals fünfjährige Rafael fasste den Schläger bei Vorhand wie Rückhand mit beiden Händen an. Das missfiel dem Onkel. Er wies den Jungen an, die Vorhand nur noch mit links zu schlagen. „Ich habe zu Rafa gesagt: Wie viele Top-Spieler gibt es, die beidhändig schlagen? Keine! Also muss man sich umstellen. Ich habe für ihn die linke Hand gewählt, weil ich dachte, er sei Linkshänder“, verriet Toni Nadal 2022 dem spanischen Tennis-Blog „Punto de Break“. Erst als der Junge größer wurde, stellte sich heraus, dass er in Wahrheit ein Rechtshänder ist.
Am Montag greift in Paris nun ein zweiter großer Linkshänder des Weltsports ins Geschehen ein: Timo Boll. Der achtfache Europameister und Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele von Peking 2008 und Tokio 2021 ist der beste Tischtennisspieler, den Deutschland je hatte. Mittlerweile ist er 43 Jahre alt und kommt bei seinen siebten Olympischen Spielen in Paris nur noch in der Mannschaft zum Einsatz. Boll verdankt seine spielerische Klasse seinem außergewöhnlichen Sehvermögen. Er ist angeblich in der Lage, auf einem 150 Kilometer pro Stunde schnell fliegenden Tischtennis-Ball noch das Logo des Herstellers zu erkennen und so die Drehung des Balles schneller und besser zu berechnen als seine Konkurrenten. So jedenfalls beschrieb es die Deutsche Welle in einem Porträt.
Timo Boll: „Tischtennis ist meine Liebe, und die betrügt man nicht“
Seinen größten Moment aber hatte Boll, als er 2005 bei der Weltmeisterschaft in Shanghai im Achtelfinale gegen den chinesischen Weltklassespieler Liu Gouzheng Matchball hatte, den Punkt machte und hinterher seinen eigenen Sieg beim Schiedsrichter reklamierte. Denn nur Adlerauge Boll hatte erkannt, dass der Ball von Gouzheng noch hauchdünn die Tischplatte berührt hatte, also nicht im Aus war, wie alle glaubten. Die Partie ging weiter, und Boll verlor das Match schließlich noch. „Wir betreiben Tischtennis, weil wir diesen Sport lieben, und eine Liebe betrügt man nicht“, sagte Boll hinterher.
Wegen seiner sportlichen Erfolge und seiner Fairness wurde er 2016 bei den Olympischen Spielen von Rio de Janeiro als Fahnenträger der deutschen Mannschaft ausgewählt. Für die Linkshänder-Forschung ist der Tischtennissport von besonderem Wert, denn hier ließen sich Vermutungen erstmals belegen. Man nimmt an, dass etwa zehn bis 15 Prozent der Menschheit Linkshänder sind. Bei einer Umfrage unter knapp 50.000 Tischtennisspielern weltweit gaben 13,4 Prozent der Befragten an, mit links zu spielen.
Am 13. August wird der „Welt-Linkshändertag“ gefeiert
Jedes Jahr am 13. August wird der „Welt-Linkshändertag“ begangen, der 1976 von Dean R. Campbell ins Leben gerufen wurde, um auf die Nachteile von Linkshändern in einer von Rechtshändern dominierten Welt aufmerksam zu machen. Es war eine Zeit, in der viele noch zum Rechtshänder „umerzogen“ wurden, weil man das Schreiben mit links für eine schlechte Angewohnheit hielt.
Viele Prominente sind Linkshänder. Ein bekanntes Beispiel ist Paul McCartney, der auf den Gruppenfotos der Beatles herausstach, weil er sein Instrument andersherum hielt als seine Bandkollegen ihre Gitarren. Unter den US-Präsidenten hatten wir in den vergangenen 50 Jahren genauso viele Rechts- wie Linkshänder. Richard Nixon (1969-1974), Jimmy Carter (1977-1981), George Bush (1989-1993), Donald Trump (2017-2021) und Joe Biden (2021-2024) waren, beziehungsweise sind Rechtshänder, Gerald Ford (1974-1977), Ronald Reagan (1981-1989), Bill Clinton (1993-2001), George W. Bush (2001-2009) und Barack Obama (2009-2017) gehör(t)en zu den Linkshändern.
Albert Einstein gilt irrtümlich als Linkshänder, schrieb aber mit rechts
Die Wahrnehmung von Linkshändern in der Gesellschaft hat sich über die Jahrhunderte grundlegend verändert. Im Mittelalter wurden Linkshänderinnen noch als Hexen verbrannt. Linkshändern wurde nachgesagt, dass sie das Unglück anziehen. Das lässt sich auch an unserem heutigen Sprachgebrauch noch ablesen. Verhält sich jemand ungeschickt, so ist er „linkisch“. In jüngerer Vergangenheit schlug das Pendel dann in die entgegengesetzte Richtung aus. Plötzlich galten Linkshänder als besonders kreativ, überaus klug und in jeder Beziehung herausstechend.
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Ein Beispiel dafür ist Albert Einstein (1879-1955). Der geniale Physiker wird immer wieder als prominenter Linkshänder genannt, dabei ist aus alten Fotos mühelos zu ersehen, dass er seine berühmten Werke mit der rechten Hand verfasst hat. Doch gibt es nun eine besondere Begabung bei Linkshändern? Chris McManus vom University College London hat 2014 bei 11.000 Kindern in Großbritannien nach Zusammenhängen zwischen Händigkeit und Intelligenz gesucht. Ergebnis: Unter den Kindern mit einem besonders hohen IQ waren ungewöhnlich viele Linkshänder – und unter den Kindern mit einem besonders niedrigen IQ auch!