Hamburg. Hamburg könnte noch vor der Wahl im März 2025 Fakten schaffen. In Bergedorf sprechen sich drei Fraktionen gegen den 105. Stadtteil aus.

Mit Blick auf die neuen Mehrheitsverhältnisse in der Bergedorfer Bezirksversammlung ist der geplante Stadtteil Oberbillwerder aktuell Gesprächsthema. Denn gleich drei Fraktionen, CDU, Linke und AfD, lehnen den 105. Stadtteil ab, wollen ihn zumindest nicht in dieser Größe realisieren. Wird jetzt der Senat das Projekt evozieren, also sämtliche Planungen an sich ziehen, um vor der Bürgerschaftswahl am 2. März 2025 schnell noch Fakten zu schaffen?

7000 Wohnungen sollen auf 118 Hektar entstehen, gleich neben Neuallermöhe. Dazu gut 4000 Arbeitsplätze, ein Bildungs- und Begegnungszentrum, zwei Grundschulen und mindestens 14 Kitas. Laut Projektentwickler IBA sind mehrere Mobility Hubs geplant sowie rund 28 Hektar öffentliche Grün- und Freiflächen mit Spielplätzen, einem Sportpark und einem Schwimmbad.

Evokation? „Natürlich steht das im Raum“, meint die SPD

Das alles jedoch findet bekanntlich reichlich Skeptiker, die „zu groß, zu voll, zu wenig Natur“ kritisieren. Könnte das Projekt mit Wohnraum für etwa 15.000 Menschen also noch gekippt werden?

„Da brauchen wir nicht drum herumreden, natürlich steht das im Raum“, meint Heinz Jarchow, der für die SPD im Bergedorfer Stadtplanungsausschuss sitzt: „Der Senat kann jederzeit die Evokation entscheiden. Wir würden es aber begrüßen, wenn das ganze Planungsverfahren hier im Bezirk bliebe, wo die Verwaltung ja schon Dreiviertel geschafft hat. Jedenfalls hat sie damit ein Fundament gelegt, das entsprechend konsequent und ambitioniert fortzuführen wäre.“

Auch der Bergedorfer SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Alexander Mohrenberg setzt auf die Bergedorfer Verwaltung: „Ich kann mir kein Verfahren vorstellen, in dem die Sachkompetenz nicht vom Bezirksamt Bergedorf kommt. Ich hoffe jedoch sehr, dass CDU und Linke nicht aus Prinzipienreiterei Tausenden Bergedorfern die Chance auf Arbeitsplätze, moderne Angebote vor ihrer Tür und Wohnungen für Ihre Kinder rauben.“

Ausschreibungen sind auf dem Weg

Tatsächlich gehen die Planungen zügig voran: Aktuell laufen die europaweiten Ausschreibungen für Architekturleistungen im Außenbereich Oberbillwerder (zentrale Achse und Fleetplatz), im Mai schon wurden Umweltplaner für die äußere Erschließung gesucht, im Januar schon war der Grüne Loop ausgeschrieben.

Vom Fleetplatz aus soll eine zentrale Achse in den neuen Stadtteil führen, die Ausschreibung dazu läuft bereits.
Vom Fleetplatz aus soll eine zentrale Achse in den neuen Stadtteil führen, die Ausschreibung dazu läuft bereits. © Linn Könnecke | Linn Könnecke

Bereits vergeben sind die Aufträge für eine Konzeptentwicklung zur verträglichen Abwicklung der City-Logistik für Hamburgs 105. Stadtteil sowie für die Qualifizierung der Nutzungskonzeption für Oberbillwerder. Dazu gibt es eine Rahmenvereinbarung Fotografie zum Thema „Unsere Nachbarschaft Oberbillwerder“ und einen Rahmenvertrag „Marketingbetreuung OBW“.

Ebenfalls abgeschlossen ist die Ausschreibung für einen landschaftspflegerischen Begleitplan zum wasserwirtschaftlichen Planfeststellungsverfahren und für die Erstellung von Konzeption im Bereich Mobilität für den Stadtteil OBW. Nicht zuletzt bekam die Hamburg Kreativ Gesellschaft mbH den Zuschlag für Beratungsleistungen beziehungsweise die Förderung von Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft für das Projektgebiet Oberbillwerder.

CDU: „Das wäre höchst unanständig“

Viele Ausschreibungen, schnelles Handeln? Bergedorfs CDU-Bürgerschaftsabgeordneter Dennis Gladiator wäre über eine Evokation nicht verwundert: „Eine solche Vermutung haben wir alle. Und theoretisch könnte der Senat jetzt noch den B-Plan auf den Weg bringen und beschließen, damit also weitreichende Fakten schaffen.“ Das indes fände er höchst unanständig: „Damit würde man die Bezirksversammlung düpieren und nicht den Wählerwillen vor Ort berücksichtigen, das wäre eine klare Missachtung der bezirklichen Politik.“

Und selbst wenn: „Es wäre doch sehr optimistisch, zu glauben, dass man vor der Wahl noch etwas in trockene Tücher kriegt. Bei all den Fehlern, die gemacht werden, wäre man jetzt auch nicht schneller“, meint der Christdemokrat mit Blick auf den jüngsten Patzer. Ein Formfehler machte Anfang Juli eine erneute öffentliche Auslegung der Pläne nötig: Bis zum 2. September liegen nun 17 Aktenordner im Bezirksamt bereit, gefüllt mit 87 Gutachten, 162 umweltbezogenen Stellungnahmen und unzähligen Karten. Alles ist natürlich auch online einsehbar, unter https://bauleitplanung.hamburg.de auf den Behördenseiten der Hansestadt. 

Auch die Linken, die den Bau von Oberbillwerder ablehnen, sind wenig verwundert: „Die Evokation wäre folgerichtig, auch wenn ich da erst nach der Sommerpause mit gerechnet hätte und das Ende der erneuten Auslegung dann als Anlass gesehen hätte“, sagt Stephan Jersch aus Lohbrügge. Er vertritt die Linken in der Bürgerschaft und vermutet, „es wird wohl tatsächlich so exekutiert. Dazu war einfach die Senatshand in der bezirklichen Planungsschublade viel zu tief drin, um sich da noch die Hand einklemmen zu wollen“.

Im Bergedorfer Bezirksamt unterdessen bleibt man gelassen, so Rathaussprecher Lennart Hellmessen: „Nach Abschluss der öffentlichen Auslegung beraten und beschließen die bezirklichen Gremien den Bebauungsplan“, stellt er nüchtern fest. Und auch Hamburgs Stadtentwicklungsbehörde mag keine Verfahrensänderung ankündigen: „Wir sind der Auffassung“, so Behördensprecher Daniel Posselt, „dass der Bergedorfer Bezirksversammlung nicht vorgegriffen werden sollte.“

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Bleibt die Hoffnung des aktuellen Senats, dass auch Bergedorfs Lokalpolitiker den Stadtteil Oberbillwerder als „große Chance für Hamburg“, und „echten Gewinn für Bergedorf“ sieht, so Daniel Posselt, der betont: „Mit 7000 geplanten Wohnungen schaffen wir dringend benötigten, bezahlbaren Wohnraum und nehmen dadurch auch Druck von den Mieten in der ganzen Stadt.“