Kirchwerder/Norderstedt. Mitgliedervertreter proben den Aufstand und wollen personelle Konsequenzen. Kündigung von Karsten Voß „gravierende Fehlentscheidung“.

Am Dienstag, 25. Juni, wollen 51 gewählte Vertreter der Mitglieder der eingetragenen Genossenschaft Volksbank Raiffeisenbank (VReG) aus Bergedorf und den Vier- und Marschlanden den Aufstand wagen: Sie ärgern sich über die fristlose Kündigung von Karsten Voß am 25. Januar. Der Vorstand war über Jahrzehnte das Gesicht der Vierländer Volksbank, die zur VReG fusionierte. Bei der regulären Vertreterversammlung in Norderstedt wollen Mitgliedervertreter wie Martin Hill aus Lohbrügge zwei entscheidende Schritte vollziehen: Sie wollen den Vorsitzenden des Aufsichtsrates und seinen Stellvertreter abwählen und durch eigene Kandidaten ersetzen. Außerdem wollen die Volksbank-Rebellen die Satzung dahingehend ändern lassen, dass fristlose Kündigungen künftig nur noch in Absprache mit den Mitgliedervertretern möglich sind.

Laut Hill wurde die entscheidende Stelle der Satzung der VReG (Paragraf 18: Zusammensetzung und Dienstverhältnis), die am 25. Juni geändert werden soll, „erstaunlicherweise“ erst im vergangenen Jahr umgearbeitet. „Sie ist dahingehend verändert worden, dass der Aufsichtsrat ohne Zustimmung der Vertreterversammlung fristlose Kündigungen aussprechen kann“, sagt Hill. Genau dies habe der Aufsichtsrat dann wenige Monate später gegenüber Voß getan. Hill erkennt darin einen „seltsamen Zufall“.

VReG: Volksbank feuert Vorstand – Aufsichtsrat gerät unter Druck

Der insgesamt 15 Mitglieder zählende Aufsichtsrat habe „wie ein Großfürst“ agiert, könne die Vorstandsmitglieder durch die Satzungsänderung in Abhängigkeit halten, weil sie jederzeit mit fristloser Kündigung rechnen müssen, sagt Hill. Er kritisiert die Art der Trennung von Voß als „weder hanseatisch noch ehrbar“. Die Art der Kündigung „kommt einem Rufmord gleich“, heißt es in einem Schreiben, das unserer Redaktion zugegangen ist. Voß könne sich nach diesem Vorgehen im Landgebiet ja kaum noch blicken lassen, betont Hill, der selbst mehr als 30 Jahre lang Mitglied im Vorstand von Volksbanken war.

Martin Hill, gewählter Mitgliedervertreter der Volksbank Raiffeisenbank eG, kritisiert scharf die fristlose Kündigung des früheren Vorstandmitgliedes Karsten Voß.
Martin Hill, gewählter Mitgliedervertreter der Volksbank Raiffeisenbank eG, kritisiert scharf die fristlose Kündigung des früheren Vorstandmitgliedes Karsten Voß. © Gabriele-Karola Hill | Gabriele-Karola Hill

Derartige Vorgänge dürfen sich nicht wiederholen, betont der Lohbrügger. „Die Vertreterversammlung muss über die Hintergründe informiert werden und einer fristlosen Kündigung zustimmen.“ Deshalb soll Paragraf 18 der Satzung nun abermals geändert werden. Weil die 51 Mitgliedervertreter das Vertrauen in den amtierenden Aufsichtsrat verloren haben, wollen sie auch dessen Spitze austauschen. Die drei turnusmäßig zur Wahl stehenden Kandidaten – Jan Bustorff (Vorsitzender), Niels Bonn (stellvertretender Vorsitzender) und Nina Eskildsen – wollen sie aus dem Vorstand abwählen und durch neue, eigene Kandidaten ersetzen: Petra Grimberg, Dorrit Marks und Michael Medag. Weitere Gegenkandidaten gibt es laut Hill nicht.

Mit der fristlosen Kündigung von Karsten Voß „eine gravierende Fehlentscheidung getroffen“

„Der Aufsichtsrat hat eine gravierende Fehlentscheidung getroffen. Dafür ist das gesamte Gremium verantwortlich. Deshalb wollen wir nun so viele Mitglieder des Aufsichtsrates wie möglich austauschen“, sagt Hill. Der 74-Jährige konnte sich als Kandidat nicht aufstellen lassen: Die Satzung regelt, dass Kandidaten höchstens 67 Jahre alt sein dürfen.

Voß‘ fristlose Kündigung war erst vor wenigen Tagen vom Aufsichtsrat zurückgenommen worden. Als „unüberbrückbar angesehene Differenzen“ seien in einem Mediationsverfahren aufgearbeitet worden, teilte das Kreditinstitut am 17. Juni mit. „Im Ergebnis wurde die bisherige Kündigung zurückgenommen und durch eine einvernehmliche vertragliche Regelung ersetzt, weil eine weitere Zusammenarbeit von beiden Seiten nicht mehr gewünscht wird“, hieß es von der VReG.

VReG: Zur Vertreterversammlung werden mindestens 200 Stimmberechtigte erwartet

Die VReG zählt insgesamt 353 Mitgliedervertreter. 41 von ihnen vertreten die Mitglieder aus den Vier- und Marschlanden, 35 die aus Bergedorf, zusammen kommen sie auf 76. Rund zwei Drittel von ihnen haben die Satzungsänderung beantragt, wollen die Spitze des Aufsichtsrates abwählen.

Hill rechnet damit, dass von den insgesamt 353 Vertretern mindestens 200 zu der Versammlung in Norderstedt erscheinen werden. Die Bergedorfer Rebellen dürften ein knappes Viertel ausmachen. Ob sie sich mit ihren Kandidaten gegen den bestehenden Aufsichtsrat durchsetzen werden, vermag Hill nicht abzuschätzen.

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Vorstand der Volksbank Raiffeisenbank eG besteht nach Voß‘ Rauswurf aus drei Mitgliedern

Zehn der 15 Aufsichtsratsmitglieder werden durch die Vertreterversammlung aus dem Kreis der rund 34.000 Genossenschaftsmitglieder gewählt, weiß Hill. Die übrigen fünf Aufsichtsratsmitglieder sind Menschen aus dem Unternehmen. Sie werden von den gut 500 Mitarbeitenden der Volksbank Raiffeisenbank ernannt. Die einzelnen Mitglieder des Aufsichtsrates stehen alle vier Jahre zur Wahl. Gewählt ist laut Hill, wer die meisten Stimmen hat. Über die drei Vorstandsmitglieder, die am 25. Juni zur Wahl stehen, entscheiden ausschließlich die Mitgliedervertreter.

Wer wiederum Vorsitzender des Aufsichtsrates wird, entscheiden die 15 frisch gewählten Mitglieder des Gremiums unmittelbar nach der Vertreterversammlung – „wie bei der Wahl des Papstes“, sagt Hill mit einem Augenzwinkern.

Einen langfristigen Plan, jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied auszutauschen, gebe es nicht

Der Vorstand der VReG besteht aus dem Ausscheiden von Voß aus nunmehr noch drei Mitgliedern: Markus Baumann, Stefan Lohmeier und Stephan Schack.

Dass nun, nur wenige Monate nach dem Rauswurf von Voß, der Aufsichtsratsvorsitzende und sein Stellvertreter zur Wahl antreten, ist ein Zufall, der den Volksbank-Rebellen sehr in die Hände spielen dürfte. Bei der Vertreterversammlung 2025 dürfte die umstrittene Entlassung von Karsten Voß kein Thema mehr sein, denn einen Plan, jedes einzelne Mitglied des derzeit amtierenden Aufsichtsrats so bald wie möglich, also im Laufe der Jahre, auszutauschen, gebe es nicht, betont Hill.