Hamburg. Brauerei aus Wilhelmsburg wählt Zutaten ganz genau aus und wird in Kirchwerder fündig. Dort kann das Bier bald probiert werden.
Freihafen, Grüner Hans oder Wilde Holle – so heißen drei von etwa 15 verschiedenen Biersorten, die im Wildwuchs Brauwerk in Wilhelmsburg produziert werden. Und in ihnen steckt auch eine Spur Vierlanden. Denn die Gerste bezieht die Brauerei seit dem vergangenen Jahr vom Hof Eggers aus Kirchwerder. „Wir sind weltweit die einzige Brauerei, die mit Hamburger Gerste braut“, stellt Braumeister Friedrich Carl Richard Matthies, kurz Fiete, fest.
Ein echter Hamburger Jung, aufgewachsen in Finkenwerder und den marineblauen Elbsegler als treuen Begleiter auf dem Kopf, hatte er als 16-Jähriger während eines Schülerpraktikums in der Holsten Brauerei einen ersten Einblick in die Welt des Bierbrauens bekommen. Als er dann mit der Schule fertig war und sich damit beschäftigte, was er beruflich machen könne, stellte er fest, dass Bierbrauen nicht nur Spaß macht, sondern man damit auch Geld verdienen kann, berichtet der 37-Jährige.
Wildwuchs produziert als einzige Brauerei in Hamburg Bier mit Bio-Siegel
Nach einer Ausbildung in Rostock und Studium in Berlin gründete der Diplom-Braumeister vor zehn Jahren gemeinsam mit seinen Brüdern Walter und Hansi eine eigene Brauerei. Nach den Anfangsjahren in einer gepachteten Brauerei in Bleckede, zog das Brauwerk Ende 2018 an die Jaffestraße in Wilhelmsburg um, wo alle Produktionsschritte ausgeführt werden. Dabei entstehen unkonventionelle Biere, denn Wildwuchs setzt beim Bier nicht immer auf das Reinheitsgebot, sondern auf eine ursprüngliche Geschmacksvielfalt.
Und darin ist auch der Ursprung des Namens begründet: Als Fiete Matthies von seiner Idee erzählte, Bio-Bier herstellen zu wollen, unpasteurisiert, nicht filtriert, auch mal Kaffee, Ingwer oder Orange einzubinden, erwiderte sein Bruder, dass das aber ganz schön nach Wildwuchs klingen würde. Bei der Auswahl der Zutaten geht es aber alles andere als wild zu. Stattdessen werden die Partnerbetriebe ganz genau ausgewählt.
Gerste muss erst zu Malz werden, um Bier brauen zu können
Die Zutaten stammen alle aus ökologischem Anbau, was die Sorten von Wildwuchs zum einzigen Bier mit Bio-Siegel in Hamburg macht. Der Hopfen stammt aus der fränkischen Schweiz vom Biohof Friedrich, das Wasser aus dem Elbtal und die Gerste nun vom Bio-Bauernhof aus Kirchwerder. Damit die Gerste zum Bierbrauen verwendet werden kann, muss aber erstmal Malz daraus werden. Einen geeigneten Betrieb für das Mälzen zu finden, war aber gar nicht so leicht, berichtet Fiete Matthies.
Zwar gebe es in Hamburg Mälzanlagen, die seien aber viel zu groß für die Mengen, die im Wildwuchs Brauwerk verarbeitet werden. Bei der Feingeisterei auf Gut Basthorst wurde nun endlich eine passende Kleinmälzanlage gefunden. Für die Herstellung von Bier ist dieser Vorgang, bei dem das Gerstenkorn kontrolliert zum Keimen gebracht wird, essenziell. Denn dabei werden Enzyme gebildet sowie Stärke in Malzzucker und Eiweiße in Aminosäuren aufgespalten. Ohne diesen Prozess wäre Bier brauen nicht möglich.
Beim Mittsommerfest auf Hof Eggers wird das „Schlanke“ vom Fass ausgeschenkt
200.000 Liter Bier wurden im vergangenen Jahr bei Wildwuchs produziert, womit die Kapazität fast ausgeschöpft sei, verrät Fiete Matthies. Der Treber, also die Rückstände des Braumalzes, die bei der Bierherstellung anfallen, landen übrigens wieder dort, wo einst die Gerste geerntet worden ist: Auf Hof Eggers, wo sie an die Schweine verfüttert werden. „Ein schöner Kreislauf“, findet Hofchef Henning Beeken.
Ebenso wie der Bio-Hof in Kirchwerder, ist auch die Wildwuchs-Brauerei ein kleines Familienunternehmen: Neben den Brüdern von Braumeister Fiete Matthies sind auch seine Frau, ein Cousin und Schwager in der Brauerei beschäftigt. Insgesamt 17 Mitarbeiter gehören mittlerweile zum Team des Familienunternehmens. Der gemütliche Schankraum ist freitags und sonnabends ab 16 Uhr geöffnet. Bei Tastings, Brauseminaren oder Führungen gibt es Gelegenheit, dem Braumeister bei der Herstellung seiner Biere über die Schulter zu gucken. Ebenso gibt es regelmäßig Events, wie etwa einen Song Slam, Nachtflohmarkt oder Taco-Friday (erster Freitag im Monat). Am 7. September soll der zehnte Geburtstag der Brauerei gefeiert werden.
Auch interessant
- Grubes Fischerhütte nach drei Monaten wieder geschlossen
- Deichkind: Vom Newcomer bei Wutzrock zum Headliner auf dem Hurricane
- Frascatiplatz Bergedorf: Großparkplatz war mal ein schönes italienisches Viertel
Am Freitag, 21. Juni, wird das „Schlanke“, ein mild gehopftes Lager von Wildwuchs, auch dort vom Fass ausgeschenkt, wo seine Gerste gewachsen ist: Auf dem Hof Eggers wird dann von 19 bis 21.30 Uhr ein Mittsommerfest gefeiert. Der Brauch zur Sommersonnenwende wird in skandinavischen Ländern, wo es in der Nacht zu dieser Jahreszeit kaum dunkel wird, besonders zelebriert. Nun soll er auch am Kirchwerder Mühlendamm 5 Einzug halten, wo die Gäste an einer langen Tafel Platz nehmen und gemeinsam einen gemütlichen Abend verbringen.
An einer langen Tafel gibt es ein Festmahl mit Lachs und Spare-Ribs vom Grill
Nach einem sommerlichen Festmahl, bei dem Lachs und Spare-Ribs vom Hofschein gegrillt sowie Hot-Dogs mit hausgemachten Wener Würstchen serviert werden, dazu Salate und Beilagen sowie Erdbeeren mit Mascarpone-Creme als Nachspeise, klingt der Abend am Lagerfeuer aus. Etwa 60 Personen können daran teilnehmen. Diese Art von Fest würde Henning Beeken gern etablieren, sieht er es als schöne Gelegenheit, um einen netten Abend in familiärer Atmosphäre zu erleben und miteinander ins Gespräch zu kommen, erklärt der Hofchef. Die Teilnahme kostet 50 Euro für Erwachsene, für Kinder (vier bis zwölf Jahre) 20 Euro. Reservierung im Internet unter www.hofeggers.de (Termine).