Wilhelmsburg. „Wildwuchs“-Braumeister und Biersommelier Fiete Mathies empfiehlt diese Hopfengetränke für Fleischesser und Veganer
Das Grün sprießt, die Vögel piepen und die Frühlingsabende sind so mild, dass man schon längst lange draußen sitzen kann: Die Grillsaison ist definitiv eröffnet. Wenn es um die Frage geht, was man dazu trinkt, heißt die Antwort bei manchem Bier.
Nun ist Bier aber nicht gleich Bier. Es gibt Massenware und Handgebrautes und beim Handgebrauten ein großes Spektrum an Stilen, Sorten und Kleinbrauereien – so erfolgreich übrigens, dass mancher Stil auch bei den Massenproduzenten wieder in Mode kommt.
Alle Biere sind auf Nachhaltigkeit gebraut
Einer, der sich bewusst und konsequent vom Massenprodukt abgewandt hat, ist Braumeister Fiete Mathies, Gründer und Chef des Wildwuchs-Brauwerks in Wilhelmsburg. Er produziert nicht nur für den sensiblen Gaumen, sondern auch für den ökologischen Seelenfrieden. Denn alle seine Biere sind auf Nachhaltigkeit gebraut: 100 Prozent Bio-Zutaten, so regional angebaut, wie möglich. Schmeckt das zum Grillfleisch? „Und wie“, sagt der Braumeister und Biersommelier. Für den Saisonstart hat er auch gleich zwei Tipps aus seinem Sortiment: „Inge“ und „Altkanzler.“
„Inge“ ist ein Helles, das mit Ingwer gebraut wurde, und zwar von Anfang an. Bei den Bieren mit Fremdaroma wird nicht irgendwann später ein Extrakt zugesetzt, sondern die Zutat wird zusammen mit dem Malz vergoren. Dafür benötigt man jedes Mal eine Sondergenehmigung, weil Ingwer nun mal nicht auf der sehr kurzen Zutaten-Positivliste des Deutschen Reinheitsgebots – Wasser, Hefe, Malz, Hopfen – steht.
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Hamburger Brauer bekommen solche Ausnahmegenehmigungen vergleichsweise einfach. In anderen Bundesländern ist es oft schwierig, in Bayern unmöglich. „Und auch wenn man hier wenig Probleme hat, hat man doch jedes Mal Arbeits- und Gebührenaufwand“, sagt Fiete Mathies. „Dabei könnte man das Bier auch einfach zwei Autostunden entfernt in Dänemark brauen. Dann dürfte man es hier – oder auch in Bayern – problemlos verkaufen.“
Lange Fahrten entsprechen aber nicht dem Nachhaltigkeitsgedanken der Wildwuchs-Brauer. Ihre weitestgereiste Zutat ist derzeit der Hopfen. Dessen Hauptanbaugebiete liegen in Bayern und Tschechien. „Aber Hopfen wächst auch hier“, sagt Fiete Mathies und zeigt in Richtung Jaffe-David-Kanal etwas hinter der Brauerei. „Das ganze Kanalufer ist damit überwuchert. Fabrikwände und Kleingärten ebenso. Diesen wilden Hopfen von Wilhelmsburg können wir wahrscheinlich nicht verwenden, weil wir Schadstoffe nicht ausschließen können, aber es zeigt, dass Hopfen hier gedeiht.“
Hopfenproduktion mit Biobauen aus SH geplant
Am Finkenwerder Süderdeich, wo er als Kind aufwuchs, hat Fiete deshalb probehalber schon einmal Hopfen angepflanzt und war mit dem Ergebnis zufrieden. Jetzt will er mit einem Schleswig-Holsteinischen Biobauern gemeinsam eine norddeutsche Hopfenproduktion starten.
Aber zurück zum Grillbier. „Inge“ mit der sehr deutlichen Ingwernote empfiehlt Fiete Mathies für gegrilltes Geflügel. Für dunkles Fleisch sollte der „Altkanzler“ aus dem Kühlschrank geholt werden, ein Altbier mit einer kräftigen Note von kaltem Rauch. „Gerade mit Rindfleisch ergänzt sich das prima“, sagt der Braumeister.
Bei „Wildwuchs“ und bei den anderen Hamburger Craft-Beer-Brauereien ist man experimentierfreudig: Das hat Fiete Mathies in seiner Brauer- und Mälzer-Lehre bei einer Rostocker Großbrauerei vermisst. „Da wurde zum Beispiel ein lokal sehr beliebtes Bockbier eingestellt, weil es den Konzernstrategen mit 600 Hektolitern jährlich zu unbedeutend schien“, sagt er. „So wollte ich nicht den Rest meines Lebens arbeiten.“
Auf die Lehre folgte ein Brautechnik-Studium
Auf die Lehre folgte ein Brautechnik-Studium und darauf 2014 der erste eigene Betrieb: Das Brauhaus in Bleckede. 2018 gründete Fiete Mathies dann „Wildwuchs“ an der Jaffestraße in Wilhelmsburg. Der Vermieter ist übrigens der gleiche, wie der der Kehrwieder-Kreativbrauerei in Sinstorf, und früher der Gemüsechip-Pioniere „Heimatgut“. Zur Brauerei gehört ein Schankraum, in dem auch Verkostungen und Bierseminare angeboten werden – natürlich alles im Sinne der Nachhaltigkeit. Wildwuchs bildet aus und beschäftigt Fachkräfte, Helfer und Büromitarbeiter – ein kleiner Handwerksbetrieb.
Und weil gerade unter denen, die bio, regional und nachhaltig besonders unterstützen, immer mehr sind, die gar kein Fleisch mehr auflegen, wenn gegrillt wird, hat der Wildwuchs-Chef auf für Zucchini-Röster und Tofu-Erwärmer Biertipps: Das herbe „Fastmoker“-Pils für aromatisches Gemüse und das mit Holunder gebraute „Wilde Holle“ für Grillgut, das nicht viel Eigengeschmack mitbringt. „Wir freuen uns auf einen tollen Sommer, egal, was gegrillt wird“, sagt Fiete Mathies.