Hamburg. Teilnehmerrekord beim Volkslauf, vier Olympia-Starter für Paris 2024 aus dem Raum Bergedorf. Warum Hamburg plötzlich den Sport liebt.

Der 11. Bergedorfer Citylauf hat Maßstäbe gesetzt. Nach einem beispiellosen Boom während der Anmeldung wurde ein neuer Teilnehmerrekord von rund 1500 Aktiven erreicht. Ein großer Erfolg nicht nur für das neue Organisationsteam um Leo Goretzki und Janne Ludwig (beide TSG Bergedorf) sowie Elke Ammerschubert (Bergedorfer Zeitung), sondern für die gesamte Region Bergedorf.

Aktuell ist der Sport im Heimatgebiet so erfolgreich wie vielleicht noch niemals zuvor. Mit dem Ruderer Torben Johannesen aus Neuallermöhe im Deutschland-Achter und den Glinder Judo-Kämpferinnen Mascha Ballhaus und Miriam Butkereit haben drei Sportlerinnen und Sportler ihr Ticket zu den Olympischen Sommerspielen in Paris bereits sicher. Zudem hat der Diskuswerfer Mika Sosna von der TSG Bergedorf noch Chancen.

Was der Teilnehmer-Boom beim Citylauf für die Sportstadt Hamburg bedeutet

Und auch der Para-Triathletin Neele Ludwig dürfte ihr Ticket zu den Paralympics in Paris kaum noch zu nehmen sein. Beim Bergedorfer Citylauf gab Neele Ludwig am Sonntag zunächst den Startschuss zum Zehn-Kilometer-Lauf (Urban 10). Anschließend hatte sie geplant, selbst am Fünf-Kilometer-Lauf (Urban 5) teilzunehmen, sozusagen als Trainingslauf in hundertfacher Begleitung. „Leider habe ich mir eine Erkältung zugezogen“, musste sie den Plan fallen lassen.

Neele Ludwig, Para-Triathletin, beim Bergedorfer Citylauf 2024.
Neele Ludwig, Para-Triathletin, beim Bergedorfer Citylauf 2024. © Volker Gast | Volker Gast

Den Besuch beim 11. Bergedorfer Citylauf ließ sie sich aber nicht nehmen. So schließt sich der Kreis zwischen Leistungssport und Breitensport. Erfolge im Spitzensport können nur entstehen, wenn das Umfeld und die sportliche Infrastruktur stimmen.

Vom Hobby-Marathonläufer zum Olympioniken, das gab es schon mal

In Hamburg, dessen Bürger sich noch 2015 in einem Volksentscheid gegen eine Ausrichtung der Olympischen Spiele entschieden hatten, sind heute die Straßen immer häufiger wegen sportlicher Großveranstaltung wie dem Marathon, den Cyclassics, dem Iron Man oder dem Women’s Run gesperrt. Selbst die Beteiligung an einem neuerlichen Olympia-Projekt hat der Hamburger Senat bereits beschlossen, falls sich die Bürger der Stadt dafür entscheiden.

Auch interessant

Die Bedeutung von Volksläufen wie dem Bergedorfer Citylauf ist kaum zu überschätzen. Man denke nur an das Beispiel von Ingo Schultz, der 1997 noch als Hobby-Sportler den Hamburg-Marathon mitlief – in extrem flotten 3:37 Stunden übrigens. Vier Jahre später war er Vize-Weltmeister über 400 Meter, wurde 2002 Europameister und nahm 2004 schließlich an den Olympischen Spielen in Athen teil, wo er das Halbfinale erreichte.

TSG Bergedorf hat Zahl der Mitglieder rasant gesteigert

Auch ein Verein wie die TSG Bergedorf, mit unserer Zeitung gemeinsam Ausrichter des Bergedorfer Citylaufs, spürt die gewachsene Begeisterung für Sport. Mit ihrem Konzept „Lebenslange Gesundheit durch Bewegung“ begeistert sie heute mit über 11.000 Mitgliedern fast viermal so viele wie bei ihrer Gründung im Jahr 1965. Für den Großverein ist der Bergedorfer Citylauf auf ein Stück gemeinsame Identität aller Abteilungen. So mischten von den Cheerleadern über die Kindertanzgruppe bis zu den freiwilligen Helfern viele Abteilungen mit.

11. Bergedorfer Citylauf. Teilnehmer des ambulanten Reha-Zentrums Reha Bergedorf in der Bergedorfer Schloßstraße mit Kathrin Fürhake (vorn l.) von der Staffel „Lauflegenden“.
11. Bergedorfer Citylauf. Teilnehmer des ambulanten Reha-Zentrums Reha Bergedorf in der Bergedorfer Schloßstraße mit Kathrin Fürhake (vorn l.) von der Staffel „Lauflegenden“. © privat | Privat

Auch der Bezirk Bergedorf profitiert von der Veranstaltung: Im Viertel ist „was los“, Menschen aus verschiedenen Institutionen wie Bezirksamt, Feuerwehr, Polizei oder Krankenhaus pflegen ihre Beziehungen durch die gemeinsame Teilnahme. Und nicht zuletzt profitieren auch die Sportlerinnen und Sportler selbst, nicht nur, weil sie etwas für ihre Gesundheit tun, sondern manchmal auch ganz unverhoffte Erfahrungen machen können.

Vom Fotografen der Bergedorfer Zeitung „voll erwischt“

So wie Kathrin Fürhake. Die Krankenschwester, die bei dem ambulanten Reha-Zentrum Reha Bergedorf in der Bergedorfer Schloßstraße an der Rezeption sitzt, hätte sich vor einigen Wochen wohl kaum träumen lassen, dass sie beim Bergedorfer Citylauf an den Start gehen würde. „Meine Kollegen haben mich einfach mit angemeldet“, klagt sie. Intensiv bereitete sie sich mit einer Freundin auf ihren Einsatz als Startläuferin der Staffel „Lauflegenden“ vor. „Mitgefangen, mitgehangen“, betont sie.

Es sollte sich lohnen. Die Lauflegenden um Kathrin Fürhake erreichten wohlbehalten das Ziel. Sogar den gefürchteten Anstieg hinauf ins Villenviertel schaffte sie gut. Unbeachtet schwamm sie in der Anonymität der Masse mit, wie sie glaubte. „Dann aber bekam ich per WhatsApp ein Foto von einer Freundin zugeschickt, das aus einer Bildershow auf abendblatt.de stammte“, erzählt sie. „Der Fotograf der Bergedorfer Zeitung hatte mich beim Start voll erwischt.“

Ist die Begeisterung um Volksläufe ein Steilpass für Hamburgs Olympiapläne?

Vorbei war es da natürlich mit der Anonymität, doch die Freude bei Kathrin Fürhake war riesengroß. „Ich kann jetzt immer sagen: Ich war dabei!“, schwärmt sie. Eine Erfahrung fürs Leben. Und wer weiß: Sollte sich die neue Sportbegeisterung in Hamburg verfestigen, vielleicht sind Veranstaltungen wie der 11. Bergedorfer Citylauf dann ja tatsächlich ein Steilpass für eine künftige Olympia-Bewerbung.