Hamburg. Die Hamburgerin Mascha Ballhaus will bei ihrer zweiten Judo-WM-Teilnahme um die Medaillen kämpfen. Auch ihre Zwillingsschwester startet.
Es kann nur besser werden, und das, findet Mascha Ballhaus, ist eine gute Voraussetzung für das, was vor ihr liegt. In Katars Hauptstadt Doha starten an diesem Sonntag die Judo-Weltmeisterschaften, und die 22 Jahre alte Hamburgerin ist einen Tag später in der Gewichtsklasse bis 52 Kilogramm gefordert.
Es werden ihre zweiten Welttitelkämpfe bei den Erwachsenen, und nachdem im Oktober vergangenen Jahres in Taschkent (Usbekistan) ihr Auftaktkampf bereits ihr letzter war, hat sie sich in diesem Jahr fest vorgenommen, die Gruppenphase zu überstehen. „Unter die besten sieben zu kommen, das ist mein Ziel, und ich glaube auch, dass das realistisch ist“, sagt sie.
Trainer traut ihr eine Medaille zu
Es ist eine Einschätzung, die auch die teilen, die Mascha Ballhaus am besten kennen. „Ich traue ihr absolut zu, vorne dabei zu sein und sogar um die Medaillen zu kämpfen“, sagt Slavko Tekic. Der 53-Jährige ist Cheftrainer des Hamburger Judo-Teams (HJT) und des TH Eilbeck, für den die amtierende deutsche Einzelmeisterin weiterhin auf die Matte geht, obwohl sie seit 2019 am Bundesstützpunkt in München trainiert.
„Sie ist im Kopf stärker geworden und hat bewiesen, dass sie in der internationalen Spitze mithalten kann“, sagt der Serbe. Insbesondere ihr Sieg beim Grand-Slam-Turnier in Taschkent Anfang März hat Mascha Ballhaus ins Blickfeld der Weltelite katapultiert.
„Ich denke schon, dass der Respekt meiner Gegnerinnen dadurch noch einmal gewachsen ist. Vorher haben die mich vielleicht etwas unterschätzt, das wird jetzt nicht mehr so sein“, sagt die Studentin der Ernährungswissenschaften, die sich dank ihres Status als Soldatin in der Sportfördergruppe der Bundeswehr komplett auf Judo fokussieren kann.
Olympiasiegerin Abe ist Topfavoritin
Dennoch möchte sie sich selbst nicht den Medaillenkandidatinnen zurechnen. Die Japanerin Uta Abe (22), Olympiasiegerin von Tokio 2021, die Ungarin Reka Pupp (26), die topgesetzte Kosovarin Distria Krasniqi (27), die in Tokio im 48-kg-Limit Olympiagold holte, und die Französin Amandine Buchard (27), die Ende März das Grand-Slam-Turnier in Antalya (Türkei) gewann, schätzt sie als stärker ein.
„Die werden die Medaillen unter sich ausmachen. Aber mit ein wenig Losglück kann ich es in die Medaillenrunde schaffen“, sagt sie. Zumal im Vergleich zu ihrem WM-Debüt eine Sache anders ist, die für Mascha Ballhaus hohe Wichtigkeit hat: Ihre eine Minute ältere Zwillingsschwester Seija wird an ihrer Seite sein. Die beiden teilen seit Geburt bis auf ihre jeweiligen Lebenspartner, mit denen sie in München zusammenwohnen, fast alles.
Nur weil Seija als Angestellte der bayrischen Landespolizei Mitglied in einem bayrischen Verein sein muss, startet sie nicht mehr für den TH Eilbeck. Im vergangenen Jahr war sie wegen einer Knieverletzung lange ausgefallen, sie muss sich noch stabilisieren und zählt bei ihrem WM-Debüt deshalb nicht zu den Medaillenhoffnungen.
Schwester Seija startet im 57-kg-Limit
Weil die beiden Athletinnen es gewohnt waren, einander im Training als ständige Sparringspartnerinnen zu dienen, musste Mascha Ballhaus einiges verändern. „Das war für uns beide keine einfache Zeit, umso glücklicher bin ich, dass Seija wieder fit ist und für die WM nominiert wurde“, sagt sie.
Das war insofern nicht selbstverständlich, da Seija Ballhaus in der Klasse bis 57 Kilogramm – die Schwestern hatten in der Jugend bei ihrem Heimat- und Herzensverein TSV Glinde beschlossen, in unterschiedlichen Limits zu kämpfen, um sich nicht gegenseitig Konkurrenz zu machen – in Pauline Starke (25/Hannover) eine nationale Konkurrentin hat. Bei einer WM ist das nicht entscheidend, weil Doppelnominierungen erlaubt sind.
Aber bei Olympischen Spielen ist nur eine Starterin pro Land und Gewichtsklasse gestattet, was im kommenden Jahr, wenn die Sommerspiele in Paris stattfinden, dazu führen könnte, dass die Ballhaus-Schwestern erneut getrennt werden.
Im Olympiaranking ist Mascha Achte
Im von der Weltrangliste unabhängigen Olympiaranking, aus dem sich die Top 18 qualifizieren, belegt Mascha aktuell Rang acht und ist national konkurrenzlos. Seija dagegen ist, ihrer langen Verletzungspause geschuldet, 20 Plätze hinter Pauline Starke an Position 35 notiert.
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All das jedoch ist, auch wenn Olympia als Fernziel über allem steht, derzeit Zukunftsmusik. „In diesem Jahr ist die WM der Saisonhöhepunkt, es ist der wichtigste Titel, der zu gewinnen ist, und darauf haben wir das gesamte Training ausgerichtet“, sagt Mascha, die entsprechend froh darüber ist, dass der deutsche Verband die WM trotz der Teilnahme russischer und belarussischer Athletinnen nicht boykottiert. „Für mich ist es wichtig, auf diesem Level Erfahrung zu sammeln“, sagt sie.
Wettkämpfe machen jetzt mehr Spaß
Über die vergangenen Monate habe sie viel im Kraftbereich gearbeitet, um endgültig im Erwachsenen-Judo anzukommen. „Vor allem die vielen internationalen Trainingslager und Wettkämpfe haben mir enorm geholfen. Wenn man sich ständig mit den Besten misst, passt man sich deren Niveau nach und nach an“, sagt sie. Spätestens mit der Goldmedaille in Taschkent habe sich die Erkenntnis festgesetzt, „dass ich vorne mitmischen kann. Und dann machen die Wettkämpfe automatisch noch mehr Spaß“, sagt sie.
Diese mentale Stärke, sagt Slavko Tekic, hätten beide Schwestern, die nur noch selten in Hamburg sind und in der Bundesliga für JSV Speyer starten, der Konkurrenz voraus. „Sie sind immer dann richtig gut, wenn es ernst wird. Deshalb glaube ich, dass beide bei der WM gute Chancen haben und auch gemeinsam nach Paris fahren werden.“ Der einzige Nachteil daran wäre, dass es kaum noch besser werden könnte für die Ballhaus-Zwillinge.
Aus Hamburg sind bei den Männern auch Dominic Ressel (29/HJT/Klasse bis 81 kg) und Losseni Koné (22/SC Alstertal-Langenhorn/über 100 kg) sowie die nun für Halle (Saale) startende Glinderin Miriam Butkereit (28/bis 70 kg) für die WM nominiert.