Bergedorf. Für homo-, bi-, trans- oder intersexuelle Senioren ist Diskriminierung durch Gleichaltrige ein großes Thema. Pilotprojekt soll helfen.
Wer annimmt, dass queer zu sein bloß für jüngere Menschen ein Thema ist, der irrt. Auch Seniorinnen und Senioren betrifft es – bis ins Altersheim. Das Bergedorfer Bezirksamt will nun zusammen mit einer Initiative Menschen einladen, die homo-, bi-, trans- oder intersexuell sind. Zum Jahresbeginn hat das Projekt „Älterwerden unterm Regenbogen“ seine Arbeit aufgenommen, um queere Treffpunkte in verschiedenen Stadtteilen zu gründen. Der Auftakt ist jetzt am Mittwoch, 24. April, im Kulturhaus am Serrahn. Wer sich zugehörig fühlt, ist von 17 bis 19 Uhr in der Serrahnstrasse 1 willkommen, für Snacks und Getränke ist gesorgt.
Es gilt, die Infrastruktur und das Freizeitangebot für die LSBTiQ*-Community zu verbessern: „Wir möchten herausfinden, welche Angebote in Bergedorf gewünscht werden, was gebraucht wird, um selbstbestimmt unterm Regenbogen alt zu werden“, so Carsten Vitt und Hilke Bleeken aus dem Team der Initiatoren, die Erfahrungen mitbringen aus der Sozialen Arbeit und Pädagogik, aus der Senioren- und der Quartiersarbeit. „Laut Studien sind es sechs bis sieben Prozent der Bevölkerung über 55 Jahre, in Metropolen werden sich wohl eher zehn Prozent zu dieser Community zugehörig fühlen“, meint Hilke Bleeken.
Diskriminierung: Queer im Altersheim – das kann Stress geben
Träger des Projekts, das ein Jahr lang über die Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke (BWFG) finanziert wird, sind die Aidshilfe Hamburg, der Lesbenverein Intervention und das Magnus-Hirschfeld-Centrum. Sie alle wissen, dass queere Ältere durchaus Ausgrenzungen in Alten- und Pflegeeinrichtungen erleben: „Ängste vor diskriminierenden Anfeindungen Gleichaltriger können die Teilhabe älterer queerer Menschen am sozialen Leben stark einschränken“, heißt es.
Von Sorgen hat auch die Lohbrüggerin Karin Rogalski-Beeck gehört, die Vorsitzende der LSBTiQ*-Arbeitsgruppe beim Landesseniorenverband ist: „Es gibt zum Beispiel ein Problem, wenn ein schwuler Mann im Krankenhaus von einer Frau gewaschen werden soll. Die Menschen möchten nun mal gern von ihresgleichen gepflegt werden.“ Die 78-Jährige ahnt, dass sich auch im Altersheim kaum jemand outen möchte, denn viele litten jahrelang unter dem Paragrafen 175 im Strafgesetzbuch, der die Homosexualität 123 Jahre lang kriminalisiert und eine staatliche Verfolgung von schwulen und bisexuellen Männern legitimiert hat: „Manche Leute haben sich ein Leben lang verstecken und Ängste ertragen müssen“, so Rogalski-Beeck.
Queer im Alter: Berlin gilt als Vorbild
Berlin gilt als Vorbild für ein Angebot, das in der Metropole Hamburg noch fehlt: „Wir haben uns da ein zertifiziertes Haus angeguckt, in dem ausschließlich schwule Männer gepflegt werden. Im nächsten Jahr soll es wohl auch eines für lesbische Frauen geben“, so die Lohbrüggerin und verweist darauf, dass ebenso ambulante Pflegedienste sich spezialisieren könnten.
Zunächst aber wäre sie schon froh um einen Bergedorfer Treffpunkt, denn „ich kenne einen Bergedorfer, der extra immer nach Harburg fährt, weil es dort schon eine Gruppe gibt“. Nun also die Chance auf eine Bergedorfer Gruppe, in der frei über den langen Kampf um Freiheit und Anerkennung gesprochen werden kann. In der offen gesagt werden kann, was aktuell gewünscht wird. „Wir müssen die Kenntnisse über ältere LSBTIQ* in den Einrichtungen erweitern, Angebote anpassen und die Zielgruppe zur Teilhabe ermutigen“, sagt Jörg Korell, der Geschäftsführer der Aidshilfe Hamburg.
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In den Räumen der Aidshilfe in der Langen Reihe 30 in St. Georg wird bald auch eine Fotoausstellung gezeigt, bei der sich alles um Ältere und Pionierinnen und Pioniere der LGBTIQ*-Communities dreht. Sie wird am Freitag, 17. Mai, um 16.30 Uhr durch ein Grußwort der Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) eröffnet. Hamburg ist seit 2016 Mitglied im Rainbow Cities Network (RCN), das sich gegen Homo- und Transphobie einsetzt. Die 33 Mitgliedsstädte aus 17 Ländern verpflichten sich zur aktiven Förderung der Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt in Politik und Verwaltung.