Hamburg. Einrichtung hat vor einem Jahr die ersten Gäste aufgenommen. Seitdem gab es viele berührende Momente und sogar eine Hochzeit.

Den Moment, als der erste Gast in das Hospiz am Deich kam, haben Katja Fischer und Ralf Herzberg noch ganz genau vor Augen. Zwölf Monate sind seitdem vergangen. Doch für die Pflegedienstleiterin und den Geschäftsführer des ersten und einzigen Hospizes im Bezirk Bergedorf ist es ein Moment für die Ewigkeit. Monatelang hatten sie darauf hingefiebert, nachdem Verzögerungen der Arbeiten beim Umbau der alten Schule am Allermöher Deich die Inbetriebnahme immer wieder ausgebremst hatten.

Kurz nach Ostern 2023 waren Haus und Team dann bereit, die ersten Gäste aufzunehmen. „Und dann kamen gleich zwei auf einmal“, erinnert sich Katja Fischer. Eigentlich hatte man den Empfang des ersten Gastes für 11 Uhr festgelegt. Und dann sollten mindestens zwei Stunden vergehen, um Gast und Mitarbeitern die Chance zu geben, sich einzufinden. Als dann um 10 Uhr gleich zwei Krankentransporte auf den Hof fuhren, sei schon kurz Hektik ausgebrochen, weiß Ralf Herzberg. Doch das wurde ebenso mit Bravour gemeistert, wie die folgenden zwölf Monate. „Es ist kein 08/15-Job. Jeder bringt seine Fähigkeiten und Expertise ein, und ich bin sehr glücklich und stolz darauf“, schwärmt der Geschäftsführer von seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Ein Jahr Hospiz am Deich: Sterbebegleitung für mehr als 120 Menschen

Die beiden älteren Damen, die als erste die Zimmer im Erdgeschoss bezogen, verbrachten acht Wochen beziehungsweise ein halbes Jahr bis zu ihrem Tod im Hospiz. Sie hätten das Haus sehr geprägt, weiß Katja Fischer. Ebenso wie viele weitere Gäste, die im vergangenen Jahr in dem Haus verabschiedet wurden. Mehr als 120 Frauen und Männer im Alter von Anfang 30 bis 96 Jahre wurden dort in ihren letzten Lebenstagen, Monaten und auch mal nur Stunden begleitet, darunter auch Senioren, die einst in dem Gebäude zur Schule gegangen waren.

In dem Wintergarten im Anbau befindet sich das helle Wohnzimmer.
In dem Wintergarten im Anbau befindet sich das helle Wohnzimmer. © BGZ/Diekmann | Lena Diekmann

So individuell wie jedes Leben ist, so hat auch das Abschiednehmen viele Geschichten mit sich gebracht, an denen das Hospiz-Team teilhaben durfte, und besondere Momente. Wie die Hochzeit eines schwulen Paares, bei dem der Zustand des Erkrankten sich so rapide verschlechtert hatte, dass die Trauung direkt am Tag nach seiner Aufnahme vollzogen werden sollte. Innerhalb von nur einem Tag verwandelte das Team den Wintergarten des Hospizes in ein romantisches Trauzimmer mit Hochzeitstorte, Rosenblättern und Konfetti.

Im Hospiz am Deich wird auch viel gelacht und gesungen

Es war der letzte Tag, an dem der erkrankte Bräutigam sitzen und ein paar Schritte gehen konnte, bevor er knapp drei Wochen später starb, erinnert sich Katja Fischer an diesen unvergesslichen Tag. „Das war sehr berührend“, sagt Ralf Herzberg, der sich während seiner kurzen Ansprache während der Trauung schon zusammenreißen musste, damit ihm die Stimme nicht versagte, weiß der Geschäftsführer. Auch der Abschied von einem 33-Jährigen, der mit seiner Partnerin nach Australien ausgewandert war und am anderen Ende der Welt noch so viel erleben wollte, bis bei einem Heimatbesuch seine tödliche Erkrankung diagnostiziert wurde, gehöre zu den besonders schmerzhaften Momenten, weiß Katja Fischer.

Aber ebenso gebe es auch viele freudige Momente, werde im Hospiz viel gelacht und gesungen. Nur zum Discofox-Tanzen war kürzlich leider kein passender Herr zu finden, berichtet Katja Fischer mit einem Augenzwinkern, als mehrere ältere Damen im Wintergarten den Liedern von Roland Kaiser und Peter Maffay lauschten. Anhand von Gesprächen und vielen Dankeskarten von Angehörigen würden sie ausschließlich positive Rückmeldungen erreichen, stellt Ralf Herzberg zufrieden fest. Dann gebe es auch mal große Blumenspenden für die Mitarbeiter oder ein Paket mit selbst gebackenen Weihnachtskeksen. Die hatte eine Mutter sonst im Advent immer ihrer Tochter geschickt. Die war im Alter von 47 Jahren kurz zuvor im Hospiz im Deich verstorben.

120.000 Euro pro Jahr muss das Hospiz für die Finanzierung aufbringen

Über die vielen Geschichten, die sich im vergangenen Jahr im Hospiz abspielten, könnte man bereits ein Buch schreiben, sagt Ralf Herzberg. Die Nachfrage nach einem Hospizplatz sei groß, es werde nach der Dringlichkeit entschieden, wer einen Platz bekommt, erklärt Katja Fischer. So vergehe auch nie viel Zeit, bis die 14 Zimmer nach dem Tod eines Gastes wieder voll belegt sind, weiß der Geschäftsführer.

Eines der insgesamt 14 Zimmer im Hospiz am Deich.
Eines der insgesamt 14 Zimmer im Hospiz am Deich. © BGZ/Diekmann | Lena Diekmann

Die Finanzierung kontinuierlich sicherzustellen, sei trotzdem eine große Herausforderung, betont Herzberg. Denn Krankenkassen übernehmen nur 95 Prozent der zuschussfähigen Kosten des stationären Hospizes. Den restlichen Anteil trägt das Hospiz, das durch die Stiftung Hamburger Hospiz betrieben wird. Beim Hospiz am Deich sind das etwa 120.000 Euro pro Jahr, die insbesondere durch Spenden finanziert werden. Durchschnittlich 10.000 Euro pro Monat zu bekommen, sei schon eine große Aufgabe, sagt Ralf Herzberg, der aber bereits auf viel Unterstützung, auch in Form von Sachspenden, bauen kann.

Am „Querbeet“-Wochenende gibt es einen Tag der offenen Tür im Hospiz

Der Garten ist mittlerweile begrünt, es gibt eine Terrasse und Dachterrasse, auf die Gäste selbst im Pflegebett ins Freie geschoben werden können, ebenso zwei schattenspendende Markisen. Auch ein Gewächshaus wird noch entstehen, zudem wünscht sich das Team noch einen Raum für Zusammenkünfte, Ausstellungen oder Lesungen. Angebote zur Trauerarbeit sollen voraussichtlich ab Herbst angeboten werden, zuvor wolle man sich noch mit bereits bestehenden Anbietern im Landgebiet austauschen und abstimmen, sagt Ralf Herzberg.

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Am Sonntag, 5. Mai, wird das Hospiz am Deich wieder am Aktionswochenende „Querbeet“ teilnehmen, an dem 30 Betriebe in den Vier- und Marschlanden ein buntes Programm anbieten. In der Zeit von 14 bis 17 Uhr kann das Haus am Allermöher Deich 445 bei Führungen besichtigt werden, gibt es Kaffee und Kuchen. „Man kann aber unabhängig davon immer bei uns klingeln und sich das Haus ansehen“, betont Katja Fischer, die gemeinsam mit Ralf Herzberg über die Hospizarbeit auch in Vorträgen bei Betrieben, in der Berufsbildung oder Schulen informiert. Kontakt per E-Mail an info@hamburger-hospiz-am-deich.de oder Telefon 040/23 96 99 45 0. Internet: https://deich.hamburger-hospiz.de/