Kiel/Hamburg. Polizeibeamter soll sich sieben Jahre ausländerfeindlich und nazistisch geäußert haben. Innenministerin spricht von Führungsversagen.

Bei der Polizei in Mölln soll es zu schweren ausländerfeindlichen Vorfällen und rassistischen Äußerungen gekommen sein. In diesem Zusammenhang seien disziplinarrechtliche Verfahren gegen insgesamt zehn Beamte eingeleitet worden, erklärte der Leiter der Polizeidirektion Ratzeburg, Bernd Olbrich, in Kiel am Freitag. In einigen Fällen geht es nicht um Rassismus, sondern um Betrugsverdacht. Drei mittlerweile versetzten Führungskräften in Mölln wird unter anderem Beeinflussung von Zeugen vorgeworfen.

Die Vorwürfe richten sich vor allem gegen einen älteren Polizeibeamten, der zwischen 2015 und 2022 immer wieder während der Arbeit rassistisches und nationalsozialistisches Gedankengut geäußert haben soll. Der Beamte sei mittlerweile dem Dienst enthoben worden, so Olbrich. „Es ist davon auszugehen, dass er vollständig aus dem Beamtenverhältnis entfernt wird.“ Ein strafrechtliches Verfahren wegen Volksverhetzung sei allerdings von der Staatsanwaltschaft Lübeck im Oktober vergangenen Jahres eingestellt worden, da die fraglichen Äußerungen nicht öffentlich erfolgt seien. Das disziplinarrechtliche und andere Verfahren liefen weiter.

Rassismus bei der Polizei Mölln: Verfahren gegen zehn Beamte

Der ältere Polizeibeamte geriet ins Visier der Dienstaufsicht und der schleswig-holsteinischen Landespolizei, nachdem sich ein jüngerer Kollege an die Antirassismus- und Wertebeauftragte in Kiel gewandt hatte. Bei einer Streifenfahrt im Mai 2022 in Mölln soll sich der Beschuldigte massiv rassistisch geäußert haben. „Das mutmaßlich Gesagte stellt nationalsozialistisches Gedankengut dar, ist diskriminierend, herabwürdigend und menschenverachtend und begründet somit erhebliche Zweifel an der Verfassungstreue des Beamten“, so Olbrich. Dem jüngeren Beamten seien die Worte seines Kollegen „komplett inakzeptabel“ und „verstörend“ erschienen. Zum genauen Wortlaut äußerte sich Olbrich mit Blick auf die laufenden Verfahren allerdings nicht.

Auch wenn das strafrechtliche Verfahren gegen den älteren Beamten wegen Volksverhetzung eingestellt wurde, so führten die disziplinarrechtlichen Ermittlungen doch zu einer Durchsuchung seiner Wohnung. Dabei wurden umfangreiche Datenträger und andere Unterlagen beschlagnahmt. Nach der Auswertung der Dokumente wird nun unter anderem auch wegen Betrugsverdachts und diverser Indiskretionen und Verstößen gegen den Datenschutz gegen den Mann ermittelt.

Rassismus bei der Polizei Mölln: Beamte tauschten sich über Messengerdienst aus

Darüber hinaus wurde durch das sichergestellte Material aber vor allem das ganze Ausmaß des Skandals in der Polizeistation Mölln deutlich: So stand der Hauptbeschuldigte laut Olbrich offenbar über einen Messengerdienst in Kontakt mit mehreren anderen Kollegen. Gegen sechs von ihnen wird nun ebenfalls ermittelt – wegen Arbeitszeitbetrugs, Versicherungsbetrugs, Datenverstößen und in einem Fall auch wegen Ausländerfeindlichkeit.

Was besonders schwer wiegt: Drei ehemalige Führungskräfte der Polizeistation Mölln sollen das Verhalten des älteren Beamten und seiner Kollegen teilweise gedeckt oder sogar unterstützt haben. „Die Vorwürfe lauten hier auf aktive Einflussnahme auf einen der Zeugen, die Duldung der in Rede stehenden ausländerfeindlichen Äußerungen sowie in einem Fall die Beteiligung an diesen“, sagte Olbrich. „Diese Vorwürfe wiegen schwer, denn an Führungskräfte der Landespolizei sind hohe Anforderungen gestellt hinsichtlich ihrer Verantwortung, ihres Verhaltens und ihrer persönlichen Haltung.“ Gegen alle drei Führungskräfte laufen ebenfalls disziplinarrechtliche Ermittlungen, sie wurden versetzt und nehmen aktuell keine Führungsaufgaben mehr wahr.

Rassismus bei Polizei in Mölln: Innenministerin spricht von Führungsversagen

„Der Vorfall auf der Polizeistation Mölln ist durch nichts zu entschuldigen oder zu rechtfertigen“, erklärte Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU). „Um es ganz offen zu sagen – hier haben Führungskräfte versagt.“ Gleichzeitig lobte sie die Aufarbeitung des Falles. Die Frühwarnsysteme und die vorhandenen Anlaufstellen würden funktionieren. Rechtsextremismus werde in Aus- und Fortbildungen immer wieder thematisiert. „Als neues Instrument sind die sogenannten Demokratielotsen als niedrigschwellige Anlaufstelle in den Polizeidirektionen vorhanden. Weitere Polizistinnen und Polizisten werden dazu ausgebildet“, erklärte Sütterlin-Waack.

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Auch der innen- und rechtspolitische Sprecher der Grünen im Kieler Landtag, Jan Kürschner, sprach von „schwerwiegenden Erkenntnissen“ im Fall Mölln. Um so wichtiger sei, dass sich die Polizeiführung „sofort und eindeutig“ positioniert habe. Schleswig-Holstein habe bereits viel dafür getan, die Polizisten in ihrer demokratischen Grundhaltung zu stärken. „In Aus- und Fortbildung gebe es ein großes Angebot an Schulung in Demokratie, Antidiskriminierung und den Werten des Grundgesetzes. „Trotzdem müssen wir uns fragen, was wir weiter verbessern können.“

Rassismus bei Polizei Mölln: Warum wurden Vorfälle über Jahre nicht gemeldet?

Der polizeipolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Niclas Dürbrook, sieht die Aufarbeitung des Falls hingegen als deutlich problematischer an. „Mich beunruhigt vor allem der lange Zeitraum, über den die Äußerungen offenbar getätigt wurden. Das wirft Fragen nach einer Gruppendynamik und gravierenden Führungsproblemen vor Ort in Mölln auf“, sagte er. Man müsse hinterfragen, warum die Vorfälle nicht früher gemeldet wurden und ob es trotz der Verbesserungen zur Wertevermittlung in der Ausbildung noch Defizite gebe. Von der Landesregierung erwarte er Antworten zum künftigen Umgang mit solchen Vorfällen in der Landespolizei.

Auch FDP-Politiker Bernd Buchholz bezeichnete es als erschreckend, dass derartige Aussagen über Jahre nicht gemeldet wurden. „Die Führung der Landespolizei wird aufzuarbeiten haben, ob es ein Umfeld der Angst oder gar der latenten Zustimmung in der Dienststelle gab“, sagte er. Es müsse eine lückenlose Aufklärung geben.

Rassisimus: Brandanschläge von Mölln noch immer in Erinnerung

Für viele Menschen im Norden ist die Stadt Mölln noch immer mit den schrecklichen, rassistischen Brandanschlägen vor gut 30 Jahren verknüpft. In der Nacht zum 23. November 1992 hatten zwei Neonazis Brandsätze auf von türkischen Familien bewohnte Häuser geworfen. Die 51-jährige Bahide Arslan sowie zwei ihrer Enkelinnen, die 10-jährige Yeliz Arslan und die 14-jährige Ayse Yilmaz, wurden getötet. Neun Menschen wurden schwer verletzt.